Vizekanzler Habeck (Archivbild)
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Habeck: AfD will aus Deutschland einen Staat wie Russland machen

Vizekanzler Habeck mahnt vor zunehmender rechter Gefahr nach dem Potsdam-Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern. Auch in Bayern häufen sich Vernetzungstreffen, wie BR24-Recherchen zeigen. Die Debatte über ein mögliches AfD-Verbot läuft weiter.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Eine Woche nach Bekanntwerden eines Treffens rechter Politiker und Aktivisten in Potsdam reißt die Debatte über den Umgang mit der AfD nicht ab. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) warnte eindringlich vor der rechten Partei. Dem Magazin "Stern" [externer Link, Artikel möglicherweise hinter einer Bezahlschranke] sagte Habeck, es gehe den "Rechtsautoritären" um einen Angriff auf das Wesen der Republik. "Sie wollen aus Deutschland einen Staat wie Russland machen", so der Vizekanzler. Darauf bereiteten sie sich systematisch vor.

Habeck zu einem möglichen Antrag auf AfD-Verbot

Ein Verbot ist für den Vizekanzler denkbar. Allerdings schränkte er ein: "Das ist keine Frage der politischen Haltung, sondern des Rechts." Über ein Verbot würde allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Hürden seien zu Recht sehr hoch, und der Schaden durch ein gescheitertes Verfahren wäre massiv. "Daher müsste alles absolut gerichtsfest sein. Das muss man sehr genau bedenken." So oder so müssten die demokratischen Parteien die AfD politisch schlagen.

Zuletzt hatten sich mehrfach Vertreter aus Politik und Justiz skeptisch geäußert, was ein AfD-Verbot betrifft, etwa der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, in der Samstags-Ausgabe des "Tagesspiegel". Ein Verbot "würde der AfD nur in die Hände spielen", so Papier.

Forderung nach mehr bürgerlichem Engagement

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil wünscht sich noch mehr bürgerliches Engagement gegen die AfD. "Alle Vernünftigen, die bisher noch leise waren, müssen jetzt auch laut werden", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte dem RND: "Wir sind jetzt alle gefragt - in unserem persönlichen Umfeld, am Arbeitsplatz, beim Sport, beim Einkaufen - gemeinsam klarzumachen, dass man mit der AfD Rechtsextreme wählt, die eine Gefahr für die Demokratie darstellen."

Das Medienhaus Correctiv hatte vorige Woche über das bis dahin nicht bekannte Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU in einer Potsdamer Villa vom 25. November berichtet. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. An diesem Mittwoch will Correctiv seine Recherche im Berliner Ensemble vorstellen. Bei der szenischen Lesung sollen auch einige neue Details bekannt werden.

Weidel spricht von Schmutzkampagne

An dem Treffen hatte auch der Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig, Mitarbeiter von AfD-Chefin Alice Weidel, teilgenommen. Der Arbeitsvertrag mit Hartwig wurde laut Partei inzwischen "im beiderseitigen Einvernehmen aufgelöst". Weidel selbst sprach auf X (vormals Twitter) von einer inszenierten "Schmutzkampagne gegen die AfD". Diese stelle "einen der größten & ungeheuerlichsten Medien- und Politikskandale Deutschlands dar. Das sind DDR-Methoden!"

Vorfall auch in Bayern

Das Treffen in Potsdam ist allerdings nicht der einzige Vorfall. In Bayern habe es im vergangenen Jahr ebenfalls Vernetzungstreffen von AfD und rechtsextremistischen Gruppen gegeben, wenn auch nicht in dem Umfang wie in Potsdam, so der bayerische Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner im BR-Interview vergangene Woche.

Aktuell ermittelt der Staatsschutz zu einem Vorfall am Rande des AfD-Parteitags im mittelfränkischen Greding. Am Wochenende soll eine Gruppe in einer Diskothek ausländerfeindliche Parolen skandiert haben. Bei den Feiernden waren nach BR-Informationen auch AfD-Mandatsträger.

Correctiv-Recherchen lösen deutschlandweite Proteste aus

In den vergangenen Tagen gingen in verschiedenen deutschen Städten Zehntausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße. Am Dienstagabend demonstrierten in Köln Zehntausende gegen die AfD. In Würzburg kamen rund 2.000 Menschen zusammen, in Schwerin etwa 1.600.

Grünen-Fraktionschefin Dröge bezeichnete derlei Demonstrationen als ermutigend. "Diese Menschen zeigen: Eine laute Minderheit am rechten Rand kann sich nicht darauf verlassen, dass die demokratische Mehrheit schweigt." Klingbeil betonte: "Wir lassen nicht zu, dass in unserem Land wieder unterteilt wird in 'die' und 'wir'. Wir lassen nicht zu, dass die Rechtsradikalen entscheiden, wer deutsch ist und wer nicht." Die AfD wolle Menschen aus dem Land schmeißen, die fester Teil des Landes seien.

Neben einem möglichen Verbotsantrag wird mittlerweile auch über einen Antrag auf einen teilweisen Entzug der Grundrechte für herausragende Verfassungsfeinde diskutiert. Bis zum späten Dienstagabend verzeichnete eine Unterschriftensammlung, die sich namentlich gegen den Thüringer AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke richtet, mehr als 1,1 Millionen Unterschriften. Der Thüringer AfD-Landesverband wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Maßnahmen gegen Björn Höcke gefordert

Juso-Chef Philipp Türmer sprach sich dafür aus, dieses Mittel gegen Höcke einzusetzen. Nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz könne man zudem das aktive und passive Wahlrecht verwirken, sagte Türmer dem "Tagesspiegel". "Der Nazi Björn Höcke bewirbt sich seit Jahren initiativ darum, dass diese Paragrafen mal an ihm angewendet werden."

Rechtswissenschaftler Ulrich Battis sagte RTL/ntv: "Es ist plausibel, dass man gegen ihn (Höcke) ein solches Verfahren einleitet, weil er sich in besonderer Weise, wie wir sie vorher so in Deutschland in den letzten 40 Jahren nicht hatten, exponiert hat." Battis betonte: "Im Moment haben wir eine Situation, wie wir sie bisher nicht hatten. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Verfahren Erfolg haben wird, eher größer einzuschätzen, als ich es je in der Vergangenheit beurteilt hätte."

Linke fordert: AfD-Jugendorganisation verbieten

Wie die "Rheinische Post" berichtete, ist mittlerweile auch beim Petitionsausschuss des Bundestags eine Petition eingereicht worden, die fordert, Höcke Grundrechte zu entziehen. Sie müsse allerdings noch geprüft werden, bevor sie veröffentlicht werde, sagte die Ausschuss-Vorsitzende Martina Stamm-Fibich (SPD) der Zeitung. Ab 50.000 Unterstützern muss sich der Petitionsausschuss mit einer öffentlichen Petition befassen und Gelegenheit zur Anhörung geben.

Die Linke brachte noch eine weitere Forderung auf. Sie plädiert dafür, zunächst die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) ins Visier zu nehmen. "Ein erster Schritt wäre ein Verbot der Jugendorganisation der AfD", sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert der Deutschen Presse-Agentur. "Ein Verbot der JA wäre deutlich einfacher und schneller möglich, da sie nicht durch einen Parteienstatus geschützt ist. Ein Verbot wäre hier durch einen einfachen Ministerialerlass möglich."

Mit Informationen von dpa

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