In der Gastronomie herrscht Fachkräftemangel (Symbolbild).
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Schwierige Gastrobranche: Schließungen trotz voller Lokale

Zwei Lokale, beide selbst unter der Woche voller Gäste, sind trotzdem von Schließungen betroffen. Das "Süß und salzig" in Nürnberg nur vorübergehend – wegen Personalmangels. Mit dem "Kaiser Wilhelm" in Erlangen aber geht eine Institution verloren.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Die Studentenkneipe "Kaiser Wilhelm" am Lorlebergplatz in Erlangen ist eine Institution seit Jahrzehnten – doch nun muss sie Ende April schließen. Vor rund einem Jahr haben die Hauseigentümer gewechselt und den Betreibern einen Pachtvertrag vorgelegt, den diese für inakzeptabel halten. Damit geht für sie ein Lebenstraum in die Brüche. Denn nach all den Krisen, die die Gastronomiebranche in den vergangenen Jahren besonders hart getroffen haben, dachten sie, nun gehe es wieder bergauf. Doch stattdessen jetzt die Schließung. Vorübergehend schließen musste auch das Café "Süß und salzig" in der Nürnberger Gartenstadt – nur wenige Wochen nach der Eröffnung. Der Grund hier: Personalmangel.

Viele Gäste, aber zu wenig Personal

Dabei wurde Betreiber Eric Rautenberg eigentlich vom Erfolg seines Cafés überrascht. Er hatte gedacht, an diesem Standort weitab von der Nürnberger Innenstadt werde es Monate brauchen, bis sich sein neues Café etabliert. Doch weit gefehlt: Bereits fünf Tage nach dem Start Anfang Januar kamen so viele Gäste, dass er Dreifach-Belegungen seiner Tische selbst unter der Woche verzeichnete. Mit damals fünf Mitarbeitenden war das nicht zu stemmen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als erstmal wieder zu schließen.

Mit Hochdruck habe er daran gearbeitet, weiteres Personal zu finden, sagt Rautenberg: "Auf allen Kanälen habe ich gesucht: Personalvermittlungen, Arbeitsagentur, Instagram und über Freunde und Bekannte. Man will ja auch nicht irgendwelche Leute haben, sondern welche, die zum Lokal passen." Schließlich gelang es ihm, die Mitarbeiterzahl auf zehn zu verdoppeln. Nun hat das Café wieder geöffnet, allerdings mit eingeschränkten Öffnungszeiten.

Erfolgskonzept: Personal schonen

Rautenberg hat sich bewusst für ein Konzept entschieden, mit dem er hofft, sein Personal langfristig zu binden. "Heute muss man auf eine Belastungssteuerung wie bei Sportlern achten", sagt der 29-Jährige, der selbst lange als Kellner gearbeitet hat. Er will niemanden überfordern, deshalb hat das Café "kurze, knackige Öffnungszeiten", nur von 9 bis 16 Uhr und zwei Ruhetage.

Auch die Speisekarte ist übersichtlich gehalten, dadurch werfe er weniger Lebensmittel weg und könne vernünftige Preise anbieten, sagt Rautenberg. "In dieser Gegend, gab es bisher nicht einmal einen Bäcker. Ich finde es super, dass es jetzt hier aufgemacht hat", sagt seine Kundin Mina Özcan. Und so ist das Café jetzt selbst unter der Woche am Vormittag sehr gut besucht.

Studentenkneipe vor dem Aus

Mit Personalmangel hatten die Betreiber der Studentenkneipe "Kaiser Wilhelm" in Erlangen nie ein Problem - weil es sie schon so lange gibt, hat das vorhandene Personal immer wieder Freunde und Verwandte mitgebracht, wenn Leute gebraucht wurden. Doch die Kneipe ist auch durch schwere Zeiten gegangen: Vor neun Jahren übernahmen die jetzigen Pächter Lena Brunnberg und Dion Oppolzer das Traditionslokal mit einem schönen Biergarten, aber in einem desolaten Zustand. Seit Jahren war das denkmalgeschützte Gebäude nicht renoviert worden. Der Vorpächter hatte auch Küche und Gastraum dreckig und ungepflegt hinterlassen.

Auf eigene Kosten renovierten die beiden Betreiber das Lokal und brachten es wieder zum Laufen, doch dann häuften sich die Krisen: erst Corona, dann die Energiekrise und steigende Lebensmittelpreise. Das haben sie anders als viele andere Gaststätten auch noch weggesteckt. Doch vor rund einem Jahr wechselte der Hauseigentümer. Seither ist das Haus eingerüstet, von außen ist das Lokal kaum noch zu erkennen. Und die neuen Eigentümer legten den Gastronomen einen neuen Pachtvertrag vor - mit Konditionen, die diese auch nach rechtlicher Beratung nicht annehmen können. Betreiberin Lena Brunnberg sagt tieftraurig: "Wir haben hier neun Jahre alles gegeben, es zum Laufen zu bringen. Ich denke, wir haben die Leute erreicht und jetzt aufhören zu müssen, ist einfach super hart."

Gäste trauern um Traditionslokal

Die zahlreichen Stammgäste sind immer noch fassungslos, dass der "Kaiser Wilhelm" nun schließen muss. Denn wie lange genau es ihn gab, daran kann sich keiner richtig erinnern. "Ich war mit 16 Jahren schon hier, da sind wir nebenan in die Schule gegangen und mein Vater war auch schon da", sagt Ingeborg Daschner, die sich hier mit Seniorinnen und Senioren einmal in der Woche zum Stammtisch trifft.

Joachim Gollwitzer erzählt eine Anekdote aus den 1960er-Jahren: "Damals sind wir gelegentlich in der großen Pause auf ein Bier hierhergekommen. Als der Lehrer uns erwischen wollte, sind wir durch die Küche und über den Zaun zurück in die Schule gerannt." Und ein anderer Stammgast, Mike Neun, sagt: "Das ist hier wie ein Schmelztiegel. Hier trifft sich ganz jung und ganz alt - jeder vom Schüler bis zum Universitätsprofessor. Sowas findet man kein zweites Mal." Denn die Preise haben die beiden Pächter auch bis zum Schluss so gestaltet, dass jeder sich den Besuch in dem Traditionslokal leisten können sollte.

Vom Dartclub über Bands bis zu zahlreichen Stammtischen, sie alle werden sich nach dem Aus nun ein neues Lokal suchen müssen. "Nach sechzig Jahren, geht da ein Stück Heimat verloren", resümiert einer der Stammgäste.

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