Demonstrantinnen und Demonstranten schwenken Fahnen bei der Groß-Demo der IG-Metall in Schweinfurt.
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Mit einer Groß-Demo macht die IG Metall heute auf die angespannte Lage des Industriestandortes Schweinfurt aufmerksam.

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"SOS Kugellagerstadt": Groß-Demo der IG Metall in Schweinfurt

Ist der unterfränkische Industriestandort Schweinfurt in Gefahr? 4.000 Arbeitsplätze weniger in den kommenden Jahren – dieses Szenario befürchtet die IG Metall und demonstrierte deshalb heute mit mehreren Tausenden Teilnehmenden in Schweinfurt.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Sie sorgen sich um die Arbeitsplätze in der Region, besonders für die Jugend. "Die Regierung muss jetzt aktiv werden, dass die Firmen nicht ins Ausland gehen, so geht es nicht weiter", sagt Ingo Pflugmacher. Er ist einer von über 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Sie alle sind heute dem Ruf der IG Metall gefolgt. Denn die Befürchtungen der IG Metall sind düster: rund 4.000 Arbeitsplätze weniger in Schweinfurt in den kommenden Jahren.

Sorgen um Attraktivität des Raums Schweinfurt

Laut Thomas Höhn von der IG Metall fand ein Sternmarsch von den Betrieben Bosch Rexroth, Schaeffler, SKF und ZF zum Marktplatz statt, dort gab es von 10.30 Uhr bis 12.00 Uhr eine Kundgebung. Elena Heurung ist wie viele anderen zur Demonstration gekommen, weil sie den Verlust von Arbeitsplätzen in Schweinfurt und der Umgebung befürchtet. Maximilian Barkowsky sorgt sich um die Arbeitsplätze in ganz Unterfranken: "Ich möchte nicht, dass die Kaufkraft und kleinere kleinere Handwerksbetriebe schwinden und damit weniger Umsatz machen – einfach, dass die Struktur nachlässt." Und Stefanie Böttcher ergänzt: "Ich befürchte, dass durch den Abzug der Arbeitsplätze und Fachkräften die Infrastruktur, Kindergärten, Läden, langsam abnimmt, nur weil die Politik keinen geordneten Weg findet."

Demo gegen "schleichendes Ausbluten" der Industriearbeit

Ziel der Groß-Demo war laut Höhn, ein Signal an Beschäftigte, Unternehmen und die Politik zu senden, gemeinsam "das schleichende Ausbluten" der Industriearbeit in Schweinfurt zu verhindern. Derzeit würden knapp 27.000 Menschen in Schweinfurt in der Industrie arbeiten. In den nächsten Jahren soll es aber in den Großbetrieben "zu einem tröpfchenweisen Abbau" von zahlreichen Jobs kommen, so Höhn.

Er schätzt, dass insgesamt rund 4.000 Arbeitsplätze in Schweinfurt in den nächsten Jahren verloren gehen könnten. Der Abbau vollziehe sich bisher ohne betriebsbedingte Kündigungen, etwa über Vorruhestandsregelungen. Dennoch sorge das bei vielen Beschäftigten für große Unsicherheit, wie viel vom Industriestandort Schweinfurt künftig noch bleiben werde.

Forderungen: Förderprogramme und Bekennen zum Standort

Höhn betonte, dass es möglich sei, dass in den darauffolgenden Jahren noch viel mehr Stellen abgebaut werden. Dann könnte es sich für Industrieunternehmen nicht mehr lohnen, in einen "schrumpfenden Standort" weiter zu investieren. Nicht nur die Produktion sei vom Schrumpfen betroffen, sondern auch die Forschung und Entwicklung. Die IG Metall fordert unter anderem von der Politik Förderprogramme, damit klimaneutrale Innovationen in Deutschland beziehungsweise in Schweinfurt stattfinden. Dazu zählt zum Beispiel der Bereich Wasserstoff.

Zudem sei für die Industrie eine sichere Stromversorgung durch regenerative Energie wichtig und dies zu günstigen Preisen. Von den Industrieunternehmen fordert die IG Metall, dass sie sich "zum Standort bekennen", also im Klartext, dass sie nicht in Billiglohnländer abwandern. Gewinnmaximierung dürfe in diesem Zusammenhang für Unternehmen nicht der einzige Aspekt sein, so Höhn. Zudem erwarten die IG Metall und die Betriebsrätinnen und -räte mehr Mitbestimmung bei der Neuansiedlung von Produkten wie etwa neue Generationen von Elektromotoren.

ZF: Bis zu 2.000 weniger Beschäftigte bis 2030

Das Unternehmen ZF Friedrichshafen teilt die Sorgen der IG Metall nicht. In der Region Schweinfurt ist ZF der größte Arbeitgeber. In den nächsten sechs Jahren werden am Standort Schweinfurt bis zu 2.000 Beschäftigte durch Fluktuation und Renteneintritt das Unternehmen verlassen. Laut ZF werden diese Stellen vermutlich nicht alle neu besetzt werden.

Gründe seien der Fachkräftemangel und die geringere Wertschöpfung bei der Produktion von E-Motoren, so ZF. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren am Standort Schweinfurt rund 360 Millionen Euro investiert, unter anderem in neue Produktionsanlagen. Dort sollen beispielsweise E-Motoren künftig für den europäischen Markt vom Band laufen. Aktuell hat das Unternehmen rund 9.000 Beschäftigte in Schweinfurt.

SKF: Insgesamt 400 Stellen weniger bis 2025

SKF hat derzeit in Schweinfurt 3.500 Beschäftigte. 2024 und 2025 sollen jeweils 200 Stellen sozialverträglich abgebaut werden, so SKF. Aber der Abbau soll auf freiwilliger Basis von Mitarbeitenden erfolgen, wenn sie bereit sind, früher in Rente zu gehen. SKF erklärte gegenüber BR24: "Mit bereits getroffenen Maßnahmen zur Personalanpassung und Kostensenkung verfolgt das Unternehmen das Ziel, den SKF-Standort Schweinfurt im internationalen Konzernverbund wettbewerbsfähiger aufzustellen und sicherer in die Zukunft zu führen."

Stadt Schweinfurt teilt Sorgen der IG Metall

Laut Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) blickt die Stadtverwaltung mit Sorge auf die Entwicklung der heimischen Industrie. Die Stadt teile die Befürchtungen der IG Metall, dass am Industriestandort Schweinfurt Stellen zunehmend abgebaut werden. Neben dem demografischen Wandel würden auch die Digitalisierung und Robotik diesen Schwund begünstigen, so Remelé.

Der Oberbürgermeister betont, dass neben Forschung und Entwicklung auch die Produktion in Schweinfurt bleiben müsse. Als Kommune könne man dafür sorgen, dass in der Region verstärkt regenerative Energien erzeugt werden und dass es eine gute Gründerszene gibt. Schweinfurt wolle zum Wohnen, aber auch zum Arbeiten weiterhin attraktiv bleiben.

Im Video: Großdemo der IG Metall in Schweinfurt

Menschen mit roten IG-Metallfahnen protestieren in Schweinfurt
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Großdemonstration der IG Metall in Schweinfurt

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