Nicht nur IS-Sympathisanten In Bayern sind bundesweit die meisten Islamisten in Haft

In Bayern sind derzeit 91 Islamisten in Haft - so viele wie in keinem anderen Bundesland. Das ergab eine BR-Anfrage an die Justizministerien der Länder. Was steckt hinter diesen Zahlen? Und was tun gegen Radikalisierung im Knast?

Von: Joseph Röhmel

Stand: 15.02.2018 | Archiv

Bild: pa/dpa/Armi Weigel

Der Deutsch-Tunesier und mutmaßliche IS-Sympathisant aus Ingolstadt, der sich seit Januar vor dem Oberlandesgericht München verantworten muss, bereut offensichtlich nichts. Er grinst, als ihn der Richter fragt, warum er denn die App eines Radios der Terrormiliz IS heruntergeladen habe. Dann antwortet er:

"Dieses Radio, das ist wie Nachrichten im Bayerischen Rundfunk."

Mutmaßlicher IS-Sympathisant aus Ingolstadt, warum er die App eines IS-Radios heruntergeladen hat

Warum sitzen die meisten Islamisten in Bayern in Haft?

Der vollbärtige Deutsch-Tunesier ist angeklagt wegen Unterstützung einer Terrorgruppe im Ausland. Er soll IS-Propaganda verbreitet und einem späteren IS-Selbstmordattentäter die Reise von Deutschland nach Syrien finanziert haben.

Dieser Mann ist einer von 91 Islamisten in Bayern, die in Untersuchungshaft oder als verurteilte Gefangene einsitzen. In den letzten zwei Jahren hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. Im Dezember 2015 zählte das bayerische Justizministerium noch rund 40 Islamisten. Deutschlandweit ist die aktuelle Zählung aus Bayern ein Spitzenwert, wie aus einer Umfrage an die Justizministerien der Länder hervorgeht. Salafisten-Hochburgen wie Nordrhein-Westfalen (34 Islamisten) oder Berlin (23 Islamisten) zählen deutlich weniger. Niedersachsen kommt auf 43, Hessen macht als einziges Land keine konkreten Angaben und spricht von einer Zahl im mittleren zweistelligen Bereich.

Bei 57 Islamisten in Bayern liegen terroristische Bezüge vor. Sie sollen zum Beispiel Geld für den IS oder Propaganda im Internet verbreitet haben. In nur wenigen Fällen waren sie wirklich in Syrien beim Kämpfen.

Bayern nennt ausdrücklich Fälle, die anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen zu schwammig wären und deshalb nie in der Statistik dieser Länder berücksichtigt würden. Derzeit zählt der Freistaat 34 sogenannte Verdachtsfälle, die wegen Taten ohne extremistische Bezüge in Straf- und Untersuchungshaft sitzen, aber bei denen trotzdem eine Verbundenheit ins salafistische Milieu vermutet wird. Wenn zum Beispiel ein Muslim eine Person tötet, nachdem diese vom Islam zum Christentum konvertiert ist, aber am Ende nicht eindeutig feststeht, ob die Tat wirklich religiös motiviert war.

Außerdem geht es um Leute, die früher Drogendealer waren und plötzlich über einen Mithäftling mit islamistischem Gedankengut konfrontiert werden. Auch an solche Personen denkt das Justizministerium, wenn es mehr ehrenamtliche muslimische Seelsorger gewinnen will. Seelsorger, die regelmäßig bayerische Gefängnisse besuchen und kontinuierlich Einzelfälle betreuen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Menschen so richtig in die radikale Szene abdriften.

Syrien-Rückkehrer und Aussteiger über Rattenfänger im Knast

Die Rattenfänger lauern im Gefängnis, berichtet ein Aussteiger und Syrien-Rückkehrer dem Bayerischen Rundfunk. Er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er für eine Terrorgruppe in Syrien gekämpft hat. Der Rückkehrer erzählt, ein Islamist, der ebenfalls in Haft sitzt, habe ihm einen Brief geschrieben und auf diese Weise versucht, ihn ideologisch bei der Stange zu halten.

Der Rückkehrer wird im Gefängnis durch das Violence Prevention Network (VPN) betreut – ein Verein, der sich im Auftrag des Freistaats um Radikalisierungsfälle kümmert. Im Gespräch mit dem BR berichtet der Rückkehrer, dass ihn vor allem die Unwissenheit über den Islam zu radikalen Gedanken verleitet hat.

Um so mehr schätzt er den regelmäßigen Austausch mit einem Mitarbeiter von VPN. Ein Muslim, der ihm seinen Glauben richtig erkläre. Im Fall dieses Rückkehrers scheint alles positiv zu verlaufen. Allerdings ist das nicht immer so.

Wie Islamisten richtig deradikalisieren?

Die Frankfurter Islamforscherin Susanne Schröter verweist darauf, wie schwierig die Arbeit mit Islamisten im Knast werden kann. Schröter leitet an der Frankfurter Goethe-Universität das Forschungszentrum Globaler Islam und forscht unter anderem zu Salafismus und Radikalisierung. Immer wieder stellt sie bei ihren Forschungen fest:  "Es liegt am Gefangenen selber, ob er auf Deradikalisierungsangebote eingeht. Jemand, der keine Lust hat sich deradikalisieren zu lassen, der wird auch nicht deradikalisiert." Schröter fordert harte Konsequenzen, sollte jemand andere in Haft radikalisieren. Solche Personen, findet die Islamforscherin,sollten von den Mithäftlingen konsequent isoliert werden. 

Islamist - manchmal nur eine Schutzbehauptung

Wie umgehen mit Islamisten in Haft? Eine zentrale Frage, der sich derzeit die Bundesländer stellen müssen. Denn die Zahl der Terrorverfahren steigt und damit auch die Zahl der Islamisten in Haft. Dabei ist es manchmal gar nicht so einfach zu sagen, ob es sich dabei wirklich um Islamisten handelt. In die bayerische Statistik fallen zum Beispiel auch afghanische Flüchtlinge, die vorgeben, sie hätten die Taliban in Afghanistan unterstützt. Möglicherweise eine Schutzbehauptung.

Asylsuchende könnten darauf spekulieren, dass sie nicht nach Afghanistan abgeschoben werden, weil in ihrer Heimat die Mitgliedschaft bei den Taliban mit dem Tode bestraft wird. Auffällig: Manche dieser Flüchtlinge hätten sich selbst bezichtigt und säßen jetzt in Untersuchungshaft, sagt Georg Freutsmiedl, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus in der Generalstaatsanwaltschaft München: "Wir müssen immer aufklären, ist die Straftat jetzt begangen oder gibt der das zum Schein an, um sich hier einen Aufenthaltstitel zu erschleichen."