Bundestagswahl 2017 TV-Fünfkampf: Die Kandidaten im Wahlkampfmodus

Nach dem großen TV-Duell hatten nun die kleinen Parteien die Möglichkeit ihre Positionen darzulegen. Die Spitzenkandidaten von Linkspartei, Grüne, CSU, FDP und AfD kämpften im "TV-Fünfkampf" um jede Wählerstimmen. Viele Zuschauer fanden die Debatte zwar interessanter als das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz am Abend davor. Die Einschaltquote war allerdings mäßig.

Von: Birgit Schmeitzner

Stand: 05.09.2017 | Archiv

Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Im Schnitt verfolgten knapp vier einhalb Millionen Zuschauer die Sendung. Beim einzigen TV-Duell der beiden Konkurrenten um das Kanzleramt am Sonntag waren es rund 16,23 Millionen Zuschauer gewesen. Allerdings war die Sendung nicht nur im Ersten, sondern auch im ZDF, bei RTL und Sat.1 sowie bei Phoenix zu sehen. Doch allein das Erste kam auf 9,33 Millionen Zuschauer.

Die Runde war schneller, vielfältiger und meinungsfreudiger als das TV-Duell gestern. Die fünf Kandidaten diskutierten eine breite Palette von Themen. Etwa die Digitalisierung – hier mahnte FDP-Chef Christian Lindner nicht nur den schnelleren Ausbau von Glasfaser an sondern auch, dass der Staat selbst digitaler wird.

"Es kann doch nicht sein, dass die Menschen 2017 das Wertvollste, das sie haben, in den Wartezimmern von Amtsstuben verschwenden, nämlich ihre Lebenszeit."

Christian Lindner, FDP-Chef

Joachim Herrmann Bild: picture-alliance/dpa

CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann räumte ein, dass Bayern beim Ausbau der schnellen Mobilfunktechnik LTE bundesweit nicht gerade führend ist. Er begründete das damit, dass der Freistaat eben das größte Flächenland sei und am meisten Nachholbedarf hat. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sah sich in ihrer Kritik an der Privatisierung bestätigt. Der stockende Ausbau sei der beste Beweis dafür, dass der Staat diese Aufgabe nicht hätte aus der Hand geben dürfen.

Was tun gegen steigende Mieten?

Die Mietpreisbremse, da war sich die Runde weitgehend einig, funktioniere nicht. Wagenknecht schlug vor, dass der Staat den Anstieg der Mieten deckeln sollte, mehr als die Inflation dürfe nicht draufgeschlagen werden.

"Die steigenden Mieten haben etwas damit zu tun, dass die Städte und Gemeinden, die Kommunen, sich immer mehr aus dem Wohnungsbau hinausgezogen haben, Wohnungen wurden privatisiert, der Markt wurde immer mehr privaten Immobilienhaien überlassen, es gibt kaum noch sozialen Wohnungsbau."

Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin der Linken

Alice Weidel Bild: picture-alliance/dpa

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel ist der Ansicht, dass die Preisbremse abgeschafft gehört – diese behandle nur das Symptom, ausgelöst durch eine grundfalsche Politik der Europäischen Zentralbank. Sozialen Wohnungsbau könnte Weidel zufolge kurzfristig etwas bringen, langfristig aber müsse man das dem Markt überlassen. Der Spitzenkandidat der Grünen, Cem Özdemir, schlug vor, den sozialen Wohnungsbau wiederzubeleben, die Wohngemeinnützigkeit wieder einzuführen.

Zankapfel "Innere Sicherheit"

Bei Maßnahmen wie Poller als Barrieren an öffentlichen Plätzen waren sich Lindner und Herrman einig: das seien nur Symbolmaßnahmen. Der FDP-Chef sieht ein großes Problem darin, dass viele zuständige Behörden in Deutschland nicht gut zusammenarbeiten. Hier müsse man ansetzen, Kompetenzen des Bundes stärken. Und: zudem Gefährdern Fußfesseln anlegen. Der bayerische Innenminister sagte, es müsse wieder mehr Polizisten geben. Videoüberwachung sei an bestimmten Orten mit hoher Kriminalität wichtig aber nicht flächendeckend nötig. Und zur Vorratsdatenspeicherung sagte Herrmann:

"Das ist auch kein Allheilmittel, aber es ist wichtig, um natürlich zum Beispiel auch manchen schweren Straftätern auf die Spur zu kommen. Oder eben auch einen Terroranschlag zu verhindern."

Joachim Herrmann, CSU-Spitzenkandidat und bayerischer Innenminister

Bundeswehreinsatz im Inneren

Die Spitzenkandidatin der AfD, Weidel, sprach sich beim Thema „Innere Sicherheit“ dafür aus, Soldaten auch in Deutschland einsetzen zu können - etwa um Gleise und Bahnhöfe zu sichern.

"Wir haben 4250 km an einer Außengrenze, wir haben fast 6000 Bahnhöfe in Deutschland, wir haben 33.500 km an Schienennetz, ja, ist das schon eine gemeinschaftliche Aufgabe."

Alice Weidel, AfD

Allerdings verbietet das Grundgesetzt den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Das ist eine Lehre, die man in der Nachkriegszeit aus der deutschen Geschichte und der Machtübernahme der Nationalsozialisten gezogen hatte.

Flüchtlingspolitik: wer darf kommen, wer muss gehen?

Christian Lindner Bild: BR/Katharina Häringer

In der Flüchtlingspolitik vertrat Weidel wie erwartet die schärfste Position in der Runde. Sie sagte, Deutschland dürfe von vornherein niemanden ohne Ausweispapiere ins Land lassen. Für die Gruppe derjenigen, die subsidiären Schutz erhalten, weil ihnen etwa daheim Folter droht, schlägt Weidel eine Obergrenze von 10-tausend vor. FDP-Chef Lindner sagte, wer kein Aufenthaltsrecht habe, müsse so schnell wie möglich zurück – um das durchzusetzen, sollte es seiner Ansicht nach etwa mit Ländern wie Marokko "robuste Verhandlungen" geben. Linken-Politikerin Wagenknecht erteilte Abschiebungen nach Afghanistan eine Absage.

Integration und Fanatismus

Cem Özdemir Bild: picture-alliance/dpa

Auf die Frage, wer auf wen zugehen müsse, sagte Grünen-Politiker Özdemir, es gebe viele Dimensionen einer gelungenen Integration: wer nach Deutschland komme, müsse Deutsch lernen, die Möglichkeit bekommen, zu arbeiten, und das Grundgesetz anerkennen – denn "kein heiliges Buch stehe über dem Grundgesetz". In der Diskussion über Gefährder und Fanatiker wird nach Ansicht von Özdemir zu sehr an der Oberfläche geredet, man müsse das Problem an der Wurzel packen und die liege im Wahabismus in Saudi-Arabien. An dieses Land dürfe Deutschland keine Waffen liefern. Beifall gab es dafür von der Linken-Politikerin Wagenknecht, sie fügte dem noch Kritik an der Türkei hinzu. Der türkische Präsident Erdogan könne bestimmen, was in Deutschland gepredigt werde, und „das ist kein aufgeklärter Islam“.

Dieselgipfel und Fahrverbote

Sahra Wagenknecht Bild: picture-alliance/dpa

Zum Ende der Sendung ging es noch um die Luft in deutschen Städten und die Frage, wie man die Grenzwerte besser einhalten kann. Gar nicht, diese Haltung vertrat die AfD-Politikerin Weidel, die die gesamte Debatte um Stickoxide als politisch motiviert bezeichnete und sich dabei auf nachweislich falsche Fakten berief. Lindner plädierte dafür, sich etwas mehr Zeit zu nehmen, um die Grenzwerte zu erreichen. Özdemir sagte, letztlich sei es egal, welche Technologie für saubere Autos sich durchsetze – „das emissionsfreie Auto kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.“ Er möchte, dass dieses Auto nicht in China oder in den USA sondern eben in Deutschland gebaut wird.