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#ausnahmslos "Sexismus und Rassismus wirken zusammen"

Der Hashtag #ausnahmslos steht für den Kampf gegen sexualisierte Gewalt - "immer und überall". Gewalt gegen Frauen soll unabhängig von der Herkunft der Täter betrachtet werden. Wir haben mit einer der Initiatorinnen gesprochen.

Von: Matthias Hacker

Stand: 13.01.2016 | Archiv

#ausnahmslos gegen Seximus und Rassismus | Bild: BR

Immer und überall gegen sexualisierte Gewalt - #ausnahmslos. Am Montag schickten 22 Frauen diesen Hashtag hinaus in die Welt. Die Initiatorinnen sind das Who-is-Who der deutschen Frauen-Netzwelt. Sie fordern, dass Gewalt gegen Frauen immer thematisiert werden muss, unabhängig von Religion oder Nationalität der Täter. Konkret verlangen sie von der Politik mehr Aufklärungsarbeit, bessere Beratungsstellen und eine Änderung der Gesetzeslage. Außerdem wollen sie eine offene und kritische Debatte in der Gesellschaft erreichen. Kübra Gümüsay gehört neben vielen anderen Aktivistinnen wie Anne Wizorek oder Hengameh Yaghoobifarah zu den Köpfen hinter #ausnahmslos. Sie schreibt und twittert vor allem über Feminismus, Islam und Politik.

PULS: Inzwischen bestehen alle Kommentare zur Silvesternacht in Köln nur noch aus Hass und Bashing auf beiden Seiten. Wen und was wollt ihr jetzt mit dem Hashtag #ausnahmslos eigentlich erreichen?

Kübra Gümüsay: Deutschland ist aktuell ein sehr polarisiertes Land. Seit Pegida ist Deutschland medial, gesellschaftlich und in den Debatten ziemlich gespalten. Das hat jetzt durch die Ereignisse in Köln und Hamburg noch mal eine neue Eskalationsstufe erreicht. Vor allem ist es aber interessant, dass jetzt versucht wird, den Feminismus dafür zu instrumentalisieren. Menschen, die teilweise erst seit Silvester Wörter wie "sexualisierte Gewalt" oder "Sexismus" ernst nehmen, tun jetzt so, als wären sie die Ober-Feministinnen. Wenn es nach ihnen geht, hätte Deutschland eigentlich keine Probleme mit Sexismus und Gewalt - wenn die Geflüchteten, Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund diese Probleme nicht importiert hätten. Das ist ein sehr verschobenes Bild. Wir wehren uns gegen diese Instrumentalisierung und die Narrative des aggressiven, barbarischen muslimischen Mannes.

In den letzten Tagen kam ja immer wieder die Frage auf, wo der neue "Aufschrei" ist. Sollen euer Hashtag #ausnahmslos und euer Manifest jetzt den #aufschrei ablösen?

Ehrlich gesagt haben wir das gar nicht mit der Absicht gemacht. Ich glaube auch nicht, dass es jetzt bei jeder Gewalttat einen neuen Hashtag braucht. Wir müssen dort anknüpfen, wo wir vorher auch waren - und wir führen diese Debatten schon seit Jahren. Es waren Populisten, die jetzt so getan haben, als hätten wir das Ganze unter den Teppich gekehrt. Das stimmt nicht. Was wir deutlich machen wollten mit unserem Statement: Wir haben Forderungen, wir haben Lösungsvorschläge und wir können über diese Themen diskutieren, ohne in rassistische Fallen zu tappen. Sexismus, Rassismus und andere Diskriminierungsmechanismen wirken immer zusammen. Man kann sich in einer Gesellschaft nicht nur mit Seximus beschäftigen und vollkommen vernachlässigen, was für eine Rolle Rassimus hat. Frauen türkischer Herkunft zum Beispiel oder queere Frauen erleben verschiedene Diskriminierungsformen immer zusammen. Wir fordern, diese Formen nicht isoliert zu betrachten.

Welche eurer Forderungen ist für dich am wichtigsten?

Ich muss ehrlich sagen, ich finde sie alle sehr wichtig. Was mir besonders am Herzen liegt, ist vielleicht die Forderung, dass wir medial vielfältiger werden müssen - im Radio, im Fernsehen, in Redaktionen. Wir müssen in der Berichterstattung verschiedene Perspektiven ermöglichen, so dass diese Polarisierung in Deutschland zumindest gemindert werden kann.

Zur Person:

Kübra Gümüsay ist eine deutsche Journalistin, Bloggerin und Netz-Aktivistin. Seit 2008 führt sie ihren Blog „Ein Fremdwörterbuch“, in dem sie über Internet, Politik, Gesellschaft, Feminismus und Islam schreibt, zwischen 2010 und 2013 hatte sie eine regelmäßige Kolumne in der taz. 2013 initiierte sie zusammen mit Jamie Schearer und Sabine Mohamed den Hashtag #SchauHin, eine Kampagne, die die Menschen für Alltagsrassismus sensibilisieren sollte. Aktuell publiziert sie als freie Journalistin zu den Themen Immigration und Integration unter anderem in Die Zeit, MiGAZIN und Mädchenmannschaft. 


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