Games // Mass Effect: Andromeda Kein Must-Have mehr!

Traumhafte Weltraumpanoramen, fetzige Action und geschickte Diplomatie. Der Neustart der Reihe "Mass Effect" ist immer noch launige Science-Fiction. Aber zu den großen Erzählungen gehört es nicht mehr.

Von: Franz Liebl

Stand: 31.03.2017 | Archiv

Andromeda | Bild: BioWare

Aller Anfang ist schwer. Die Menschheit kommt nach einem 600 Jahre langen Flug im Tiefschlaf in der Andromedagalaxie an. Dort sollen traumhafte neue Welten zur Besiedelung sein. Die sind aber nicht da. Und dann stirbt beim ersten Außeneinsatz auch noch mein Vater, der "Pathfinder", sozusagen der Chef der ganzen Unternehmung. Ich spiele entweder seine Tochter oder seinen Sohn Ryder und erbe prompt die Aufgabe. Jetzt muss ich als neuer "Pathfinder" die Galaxie bewohnbar machen. Mit Hilfe der überall auf den Planeten verteilten Atmosphärenwandlern, die von einer uralten Zivilisation zurückgelassen wurden. Nur gibt es da jemand, der etwas dagegen hat: Der Archon und sein Volk der Kett.

Aller Anfang ist schwer. Auch für mich. Und zwar im Game anzukommen. Ich werde Anfangs im Minutentakt mit neuen Möglichkeiten, Aufgaben und Gesprächspartnern überfrachtet. Das entspricht zwar auch dem Gefühl von Ryder (ich spiele eine Frau), die nicht auf diese gewaltige Aufgabe vorbereitet ist, aber das hindert mich leider auch daran in die Spielwelt einzutauchen. Erst nach gut 5 Stunden habe ich einen Überblick gewonnen.

Ohne Ende Dinge zu tun in der offenen Spielwelt.

Die Hauptstory ist ja nur eine von vielen Möglichkeiten. Stichwort: Open World. Ohne Ende Nebenquests warten darauf erfüllt zu werden. Da ist alles dabei von schlichten Ballereien über kleine Dedektivaufgaben bis hin zu Konflikten, die ich rein durch geschicktes Reden lösen kann. Das kennt und schätzt man an "Mass Effect". Ich kann Kolonien gründen und diese florieren lassen. Planeten nach Rohstoffen scannen und diese abbauen. Waffen und Rüstungen aufmotzen sowieso. Der ein oder andere Füller ist schon dabei, aber größtenteils macht das Spaß. Sogar anfangs langweilige Missionen können in epischen Bossfights enden. Für Science-Fiction-Fans gibt es hier traumhaft fremde Orte zu besuchen und beeindruckende Weltallpanoramen zu betrachten. Ich bin sehr gern in der Andromedagalaxie. Aber so einen krassen Sog wie die ersten drei "Mass Effect"-Games kann "Andromeda" bei mir trotzdem nicht mehr erzeugen.

Mehr ist nicht gleich besser.

Und das liegt an dem Ton, den die Erzählung anschlägt. "Mass Effect 1-3" waren, trotz Balleraction, sehr ernste, mitunter sehr politische Geschichten. "Andromeda" möchte lockerer sein, spontaner, frecher. Hier wird schon mal ordentlich geflucht und rumgewitzelt, Ryder ist "cool". Was grundsätzlich auch okay ist, nur beißt sich das mit dem immer noch eher ruhigen Ablauf des Games, seinen erhabenen Synthieklängen, langen Weltraumflügen und ausgiebigen Fahrten mit dem Mondmobil "Nomad".

Der Ton der Erzählung passt oft nicht zum Game.

Momente wie diese gibt es oft: Ryder hat einen Erstkontakt zu einer unbekannten Spezies. Die sind natürlich erst einmal vorsichtig. Was ist der Begrüßungssatz von Ryder: "Muss ich etwa meine Schuhe ausziehen?" Durch dieses pseudocoole Getue entsteht nicht nur einmal das Gefühl, wir Menschen stampfen in die neue Galaxie wie der Elefant in den Porzellanladen: "Platz da, jetzt kommen wir! Wer was will, kann was haben!" Und das ist immer noch nicht alles. Da ist dieses fast schon penetrante Anführer-Pathos: "Ohne Dich sind wir verloren! Wir haben auf einen starken Anführer wie Dich gewartet, du bist der heldenhafteste Anführer, der je heldenhaft war!" Das ist schon fast mit der Brechstange plump und steht krass im Gegensatz zu den ersten "Mass Effect"-Games, die auf geschicktes Lavieren zwischen den Institutionen, politischen Entscheidungsträgern und Interessensgruppen setzte, in denen Protagonist Shepard eine höchst umstrittene Person war. Das war Spannung pur!

"Mass Effect" steht für mich für ganz große, intelligente Science-Fiction. "Andromeda" hat durchaus einige solche Momente, aber eben auch viele andere. Endgültig ist hier der Weggang von Drew Karpyshyn zu spüren, dem Hauptautor der ersten beiden "Mass Effect"-Games. "Andromeda" zehrt von diesem Erbe. Von diesem reichhaltigem, stimmigen Universum, das so viel Raum für tolle Geschichten bietet, die Karpyshyn verantwortet hat. Jetzt müssen das aber endlich auch mal andere hinkriegen. Das "Mass Effect"-Universum hat es verdient!

Mass Effect: Andromeda (Electronic Arts // für PC, PS4, Xbox One)

Sendung: Hochfahren, 03.04.2017 ab 07 Uhr