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Trendverbrechen der Jugend Teufels-Armee im Kinderzimmer

Zur radikalen Selbstverwirklichung haben sich Pokémon, Diddl & Co. noch nie geeignet. Die Spielzeugtrends auf dem Pausenhof dienen vor allem einem Zweck: Dazugehören. Wir haben die scheußlichsten Teenie-Sünden zusammengestellt.

Von: Franziska Felber

Stand: 01.05.2016 | Archiv

Trendverbrechen der Jugend | Bild: BR

1. Diddl-Maus

Wann? Ab 1991

Wer? Verkappte Romantiker und clevere Verführer setzten auf Schmusetiere, gefühlsduselige Postkarten und Kaffeetassen, um endlich in Worte zu fassen, was eigentlich nicht zu sagen ist: "Du machst mich so kribbelkrabbel-flitterflatter-lollileicht-verliebt."

Was wollten sie eigentlich? Die schmalzigen Liebesgrüße sprechen für sich – Diddl-Anhänger suchten "Schmuse-Wölkchen" und "Knabberöhrchen," kurz: jemanden zum "ganz fest abknuddeln."

Was ist aus ihnen geworden? Sie organisieren Kuschelpartys? Nur so eine Vermutung…

2. Scoubidou-Bänder

Wann? Um 2004

Wer? Zur Hochphase stand sie mit einem ganzen Koffer ihrer geknüpften Plastik-Armbänder und -Schlüsselanhänger an der Tür von Napoleon Dynamite: Deb Bradshaw. Durch den Film wurde sie zum Idol aller uncoolen Scoubidou-Kids – trotz Steghose und Schläfenzopf.

Was wollten sie eigentlich? Freunde.

Was ist aus ihnen geworden? Die Außenseiter von gestern sind wie immer die Überflieger von morgen. Das Warten lohnt sich! Mit Mitte Zwanzig haben sie drei Ehrendoktorwürden ergattert oder zumindest ein soziales Netzwerk gegründet.

3. Prinzessin Lillifee

Wann? Ab 2004

Wer? Mädchen mit Mädchen-Freundinnen, die in Mädchen-Kleidern Mädchen-Spiele spielen und über Mädchen-Hobbys sprechen. Später sehr beliebt bei den Jungs.

Was wollten sie eigentlich? Morgens im Himmelbett rosa Blütenblätter frühstücken, danach über einen schillernden Regenbogen und Wolken aus Zuckerwatte auf dem Einhorn in die Schule reiten und dort mit Glitzerstiften Schönschrift in rosa Heften üben.

Was ist aus ihnen geworden? Junge Mamis, die die nächste Mädchen-Generation heranziehen. Oder Heroin-Junkies.

4. Pokémon

Wann? Ab 1998

Wer? Ob Pikachu oder irgendeiner der anderen 720 Charaktere aus dem Pokémon-Staat – sie wollten sie alle im Sammelkartenordner haben, um ihre Armee auszubauen. Bei den Verhandlungen auf dem Schulhof war ihnen dafür jedes rhetorische Mittel und jedes Täuschungsmanöver recht.

Was wollten sie eigentlich? Macht.

Was ist aus ihnen geworden? Politiker natürlich.

5. Furby

Wann? Ab 1998

Wer? Mit dieser Grusel-Kreuzung aus Uhu und Gremlin spielten die unheimlichen Kids in der Klasse, denen man insgeheim alles zutraute. In besonders schlimmen Fällen brabbelten sie "Furbish" mit ihren Schauer-Gefährten.

Was wollten sie eigentlich? Einen Zugang zur Hölle.

Was ist aus ihnen geworden? Serienmörder.

6. Monster Bälle

Wann? Um 2005

Wer? Wer könnte ein größerer Nerd sein als einer, der ständig ein angelutschtes XXL-Bonbon im Schulranzen mit sich schleppt? Coolness-Faktor: leider Null.

Was wollten sie eigentlich? Hier haben die Eltern die Kleinen ganz klar zu früh vom Schnuller entwöhnt. Die Brause-Nuckler sind in der oralen Phase hängengeblieben.

Was ist aus ihnen geworden? Einzelgänger. Sie zerkauen noch heute ihre Pulliärmel und bewahren ihre angezuzelten Kaugummis auf. Wenn nicht dadurch, dann vergraulen sie neue Bekanntschaften spätestens mit Demonstrationen ihrer versteckten Begabung zum Kiefer-Ausrenken.

7. Bunte Zahnspangen-Gummis

Wann? Um 2000

Wer? Beliebt bei verhinderten Rave-Kids, die sich die Love Parade nur im Fernsehen ansehen durften. Und bei akuten Akne-Attacken – in der Hoffnung mit einem Dauer-Zahnspangengrinsen vom Eiter-Gebirge im Gesicht abzulenken.

Was wollten sie eigentlich? Aufmerksamkeit.

Was ist aus ihnen geworden? Sie googeln jeden Morgen Miley Cyrus und färben sich die Achselhaare grün – aus der Rave-Karriere wurde nichts (ist auch besser für die Haut).

8. Schnappi, das kleine Krokodil

Wann? 2004

Wer? Schni, Schna, Schnappi, Schnappi, Schnappi, Schnapp.

Was wollten sie eigentlich? Häh?

Was ist aus ihnen geworden? Blub.

9. Tamagotchi

Wann? Ab 1997

Wer? Es waren die, denen ein angekreuztes "Ja" auf dem Willst-du-mit-mir-gehen-Zettel zu monatelangen Beziehungen reichte – Berühren haben sie sich aber nicht getraut.

Was wollten sie eigentlich? Ein Haustier.

Was ist aus ihnen geworden? Die einstigen Tamagotchi-Mamis und -Papis standen schon immer auf die totale Abhängigkeit. Heute haben sie einen Leguan im Terrarium, einen Goldfisch im Glas, einen Hund an der Leine und stark liebesbedürftige Lebensgefährten.

10. Bis(s) zum Morgengrauen

Wann? Ab 2006

Wer? Unschuldige Mädchen, die sich aufmüpfig fühlten, weil sie Glitzervampire und Werwölfe anschmachten.

Was wollten sie eigentlich? Schön warten bis zur Hochzeit, bis sie sich vom Auserwählten – räusper – beißen lassen, um dann sein Kind zu gebären.

Was ist aus ihnen geworden? Sie warten immer noch darauf, mal ordentlich gebissen zu werden.

11. Gogos

Wann? Ab 2000

Wer? Was einst die Murmel auf dem Schulhof, war später dieser kleine Plastik-Knochen. Die Gogos-Sammlerkreise bestanden aus verhinderten Abenteurern – statt im Sommer gemeinsam ein Floß zu bauen, kenterte ihnen das aufblasbare Kinder-Schlauchboot unter den Augen der besorgten Muttis.

Was wollten sie eigentlich? Ausgebeulte Tweed-Hosentaschen an sonnigen Ferientagen im Wald – stattdessen bekamen sie Kunststoff-Ungeheuer und den Klimawandel.

Was ist aus ihnen geworden? Durchschnittsbürger des 21. Jahrhunderts, deren Naturverbundenheit besonders auflebt, wenn sie sich das Möbel aus regionalem Eichenholz vom Internethändler direkt auf den heimischen Ikea-Teppich stellen lassen.


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