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Ruhmeshalle Talking Heads - Remain In Light

Nieder mit Genregrenzen, Pop ist ein Experiment - das könnte Motto sein für "Remain In Light" von Talking Heads. Viele Bands haben sie 1980 damit inspiriert, mit neuen Sounds - oder dem Namen für eine der Popgrößen der Gegenwart.

Stand: 24.11.2011 | Archiv

Talking Heads | Bild: Warner

Das Jahr 1980: New-Wave und Post-Punk sind vorhersehbar, sind langweilig geworden. All das ändert sich mit dieser Platte: Mit ihrem vierten Album "Remain in Light" sprengen Talking Heads die Genre-Grenzen, experimentieren mit der afrikanisch-beeinflussten Polyrhythmik, mit Rocksteady und den Rap eines Fela Kuti. Das Spannendste an diesem Album aber ist das Songwriting von Sänger und Chefkomponist David Byrne. Seiner surrealistischen Ader lässt er freien Lauf und klingt dabei trotzdem nicht wie ein durch Sinnkrisen geschüttelter Musiker, der sich intellektuell selbst befreien möchte. Das Album ist tongewordene, körperlich spürbare Magie. Nicht umsonst vermeidet es David Byrne, seine Texte zu erklären. In "The Great Curve", dem besten Stück des Albums, ist der Text integraler Teil des Rhythmus:

"The world has a way of looking at people
Sometimes it seems that the world is wrong
She loves the world, and all the people in it
She shakes 'em up when she starts to walk."

The Great Curve

Byrne wollte die penible Kontrolle im Songwriting einfach ausschalten. So gelingt ihm trotz aller Verschlüsselung und Entrücktheit, dass seine Lyrics einen ganz eigenen Sinn bekommen. Im Song "Crosseyed And Painless" wird schließlich fast wörtlich der Surrealismus des französischen Künstlers Francis Picabia in Pop übersetzt:

"I'm still waiting
The feeling returns
Whenever we close our eyes
Lifting my head
Looking around inside."

Crosseyed And Painless

Cover des Talking-Heads-Albums "Remain In Light" | Bild: Warner

Talking Heads - Remain In Light (Cover)

Talking Heads lassen Text und Ton miteinander tanzen, und bringen Lyrik und Pop auf den Tanzboden, als wäre das im Jahr 1980 bereits selbstverständlich. Der zweite Mastermind hinter dieser Platte: Brian Eno. Der große musikalische Innovator hatte sich zunächst geweigert, das Album zu produzieren. Als er die ersten Demos hört, kann er nicht mehr anders. Die Fusion von Gitarre, Schlagzeug, Bass, Synthesizern und Songwriting war 1980 von nur wenigen Bands so perfektioniert gespielt worden wie von den Talking Heads. Am ehesten noch von Liquid Liquid oder Crispy Ambulance. Die blieben aber leider unbekannt. Der erfolgreichste Song des Albums, "Once In A Lifetime" ist nicht nur ein Evergreen in den Indiediscos. Byrne sinniert sozialkritisch und dabei doch lakonisch:

"And you may find yourself in a beautiful house, with a beautiful wife
And you may ask yourself - Well...how did I get here?"

Once In A Lifetime

Große Kunst auch beim Cover-Artwork: Unter Medienprofessor Walter Bender wird es eines der ersten mit dem Computer gefertigten Artworks. "Remain In Light" ist ein künstlerischer Blueprint von Popart, Indietronic und Afrobeat, wie wir es heute auf den Alben von Animal Collective und Vampire Weekend sehen. Popmusik und Experimente locker zu kombinieren - mit dieser Haltung haben Talking Heads vielen anderen Bands zu einem neuen Sound verholfen. Oder zu einem Bandnahmen: Einer ihrer Songs heißt schlicht "Radio Head".


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