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Ruhmeshalle M.I.A. - Arular

Wenn die Sprache auf M.I.A. kommt, schlagen sich die Leute die Köpfe ein: Avantgarde oder ausgelutscht, der heiße Scheiß oder Schnee von gestern? Auf den Erstling "Arular" können sich aber immer noch alle einigen.

Stand: 15.07.2010 | Archiv

M.I.A. alias Mathangi "Maya" Arulpragasam | Bild: Janette Beckman / XL Recordings

Am Anfang ihrer Musikkarriere war sie noch nicht M.I.A. "Missing in Action", sondern "Malerin in Action". Ihre Spezialität: Pinke Panzer und andere militärische Symbole, die sie mit verschiedenen Camouflage-Mustern in knallbuntes Schablonen-Graffiti packt. Genauso verfährt sie seit ihrem Debütalbum "Arular" auch mit ihrer Musik. Sie lässt Sounds aufeinanderprallen, die eigentlich unvereinbar scheinen. Und eher so nebenher lässt sie mit der Single "Galang" die erste musikalische Bombe fallen!

Dieses Stück klingt wie ein Weltempfänger, der sich nicht entscheiden kann zwischen den Frequenzen der Undergroundradiostationen aus Kingston, Rio, New York und London. Eine zwingend tanzbare Mixtur aus Dancehall, brasilianischem Baile Funk und UK-Grime. Dazu M.I.A.s wechselnde Slangfarbe zwischen Cockney, Ami-Slang und tamilischem Akzent.

"Wir glauben euch kein Wort!"

Albumcover "Arular" von M.I.A. | Bild: Sony Music

M.I.A. - Arular (Cover)

Dazu müssen wir wissen, dass Maya Ende der 70er mitten im Bürgerkrieg von Sri Lanka aufwächst. Ihr Vater ist Gründungsmitglied einer tamilischen Rebellenorganisation. Als sie zehn Jahre alt ist, flüchtet sie mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern nach London, während der Vater, sein Kämpfername lautet "Arular", weiterhin im Untergrund von Sri Lanka lebt und vorübergehend für verschollen erklärt wird. Militärischer Fachausdruck: M.I.A. – Missing in Action. Was für eine Geschichte, die da hinter der Platte "Arular" steht! Aber, so raunt es durch die Presse, das ist doch zu perfekt, um wahr zu sein. Es hagelt Anrufe bei der Plattenfirma. M.I.A. hat dafür nur eine Antwort:

"Jemand wie ich ist Ihnen wohl offensichtlich seit sehr langer Zeit nicht mehr untergekommen. Das kotzte mich an und ich sagte: Ok, geht weiter Cappuchino-Musik hören! Tanzt weiter zu einem Frosch aus der Klingeltonwerbung und haltet mich eben für einen Fake!"

M.I.A.

M.I.A. boxt sich als junges Mädchen durch Londons Sozialghetto. Ihr turbulentes Leben, ihre Heimatlosigkeit, ihre innere Zerrissenheit und ihren persönlichen Kulturclash erklärt sie zum künstlerischen Prinzip. In M.I.A.’s Texten hagelt es Granaten, sie rappt über Revolution und Terror, spuckt Polit-Parolen aus wie altes Kaugummi und dazu Gewehrsalven aus dem Bassmaschinengewehr...

Eine Hüpfburg der musikalischen Vielfalt

"Vergiss es, Du kannst mich in keine Schublade stecken", singt die Statementmaschine M.I.A. in "Sunshowers". "Und schau her, ich hau Salz und Pfeffer auf meine Mango und spuck sie aus dem Fenster!" Ein Vorgeschmack auf die neue Weltmusik da draußen. M.I.A.'s Debüt "Arular" ist Popentwicklungshilfe von den Randgebieten der Poplandkarte zu einer Zeit, in der die weiße Popmusik einen Innovationsschub dringend nötig hat.

Mit "Arular" hat M.I.A. die Popwelt irritiert, dabei das Genre Weltmusik rehabilitiert und wir haben es als erstes großes Globalisierungswunder im Pop notiert. Das M.I.A.-Debüt "Arular" ist ein Hammer, mit dem M.I.A. die ohnehin schon bröckelnden musikalischen Grenzmauern eingerissen hat und uns dafür eine globale Hüpfburg hinstellt, auf der alles erlaubt ist. Wirklich alles!


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