Ursprünglich kennt man Proteinshakes und Co. nur im Zusammenhang mit muskelbepackten Bodybuildern. Inzwischen aber ist der Trend, eine Extraportion Proteine zu konsumieren, um abzunehmen und Muskeln aufzubauen, in jeder Drogerie und im handelsüblichen Supermarkt angekommen. Die Regale und Kühltheken sind voll mit speziellen Produkten wie Proteinriegeln oder Proteinshakes. Auch herkömmliche Lebensmittel wie Brot, Käse oder Joghurts werben mit einem besonders hohen Proteingehalt.
Wozu braucht der Körper Proteine?
Proteine, im Alltag meist "Eiweiße" genannt, leiten sich vom griechischen Wort Proton ab, was "das Erste, das Wichtigste" bedeutet. Sie sind essenziell für unseren Körper und müssen über die Ernährung zugeführt werden, um normale Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Proteine sind Baustoffe des Körpers, die am Zell- und Muskelaufbau beteiligt sind. Sie sind deshalb lebenswichtig für Muskeln, Knochen, Bindegewebe, Immunsystem und Blutgerinnung.
Wie viel Proteine sollte man täglich zu sich nehmen?
Die empfohlene tägliche Proteinmenge variiert je nach Alter, Körpergewicht und Aktivität. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) (externer Link) schreibt, dass die empfohlene Zufuhr an Proteinen für Erwachsene unter 65 Jahren bei 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag liegt. Das heißt, dass eine 68 Kilogramm schwere Person 54 Gramm Eiweiß am Tag zu sich nehmen sollte. Diese Menge steckt laut Tabelle der DGE (externer Link) zum Beispiel in zwei Scheiben Vollkornbrot mit Erdnussmus (15 Gramm Protein), 250 Gramm Ofenkartoffeln mit 150 Gramm Quark (25 Gramm Protein) und 150 Gramm gegarten Linsen (14 Gramm Protein).
Für ältere Menschen gibt die DGE einen Schätzwert für eine angemessene Zufuhr von 1,0 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag vor, da bei älteren Personen aufgrund vielfältiger Einflussgrößen von einem höheren Proteinbedarf als bei jüngeren Erwachsenen ausgegangen wird.
Welche Lebensmittel sind Proteinquellen?
Zu den Lebensmitteln mit hohem natürlichem Proteingehalt gehören Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte wie Käse und Quark, Hülsenfrüchte wie Linsen und Bohnen, Nüsse und bestimmte Getreidesorten wie Quinoa und Buchweizen.
Grafik: Lebensmittel – Proteine im Vergleich
Ist es sinnvoll, zusätzlich Proteine zu sich zu nehmen?
Aus ernährungsphysiologischer Sicht seien High-Protein-Produkte überflüssig, meint die Ökotrophologin Silke Restemeyer von der DGE: "Wer die Vielfalt herkömmlicher Lebensmittel nutzt, bekommt genug Protein und spart sich das Geld für die meist teureren Produkte." Die benötigte Proteinzufuhr wird in der Regel schon durch eine ausgewogene Mischkost mit verschiedenen Proteinquellen, wie zum Beispiel magerem Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchten, Nüssen und Milchprodukten, überschritten. So läge die Aufnahme bei Männern im Mittel bei 85 Gramm und bei Frauen bei 64 Gramm, schreibt die Verbraucherzentrale Bayern (externer Link).
Brauchen ältere Menschen oder Veganer zusätzliche Proteine?
Auch Menschen, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters einen höheren Proteinbedarf haben, könnten diesen mit herkömmlichen proteinreichen Lebensmitteln decken und müssten nicht auf High-Protein-Produkte zurückgreifen, so Restemeyer. Das gilt auch für Personen, die sich vegan ernähren. Wer auf tierische Produkte und damit Proteine aus Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten verzichtet, sollte sich aber bewusst für eiweißreiche pflanzliche Lebensmittel entscheiden. Dazu gehören Getreideerzeugnisse, Hülsenfrüchte, Kartoffeln und Nüsse.
Sollten Sportler und Sportlerinnen zusätzliche Proteine zuführen?
Gerade Sportler und Sportlerinnen setzen häufig auf zusätzliche Proteine, um Muskelmasse aufzubauen. Dazu Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern e. V., Referat Lebensmittel und Ernährung: "Proteinshakes sind nicht notwendig. Das gilt auch für Sportlerinnen und Sportler. Klar: Muskeln brauchen Eiweiß. Der Schlüssel liegt aber im Training, da Muskeln auf Belastungsreize reagieren. Der zusätzliche Eiweißbedarf wird dabei oft überschätzt."
Außerdem erhöhe sich durch den Sport der Energiebedarf. Und durch die vermehrte Nahrungsaufnahme steigere sich auch automatisch die Proteinaufnahme. "So können selbst Leistungssportler und Leistungssportlerinnen ihren Mehrbedarf an Eiweiß durch normale Lebensmittel decken, ohne auf eiweißangereicherte Produkte zurückgreifen zu müssen", so Krehl weiter.
Nimmt man durch proteinhaltige Lebensmittel ab?
Eine proteinreiche Ernährung kann beim Abnehmen helfen, da sie besser sättigt und den Erhalt der fettfreien Körpermasse unterstützt. Die Vorteile einer proteinreichen Ernährung würden sich vor allem bei Diäten von drei bis sechs Monaten zeigen, meint Krehl. Mit zunehmender Dauer einer proteinreichen Ernährung würde dieser Effekt aber kleiner oder verschwände ganz, so Restemeyer.
In diesem Zusammenhang seien weitere Untersuchungen notwendig. "Wichtiger als die Nährstoffzusammensetzung ist die Energiebilanz: Um abzunehmen, müssen weniger Kalorien aufgenommen als verbraucht werden", sagt Krehl. Ein Wundermittel für eine schlanke Figur ist Protein also nicht. Es bleibt langfristig dabei, weniger beziehungsweise ausgewogener und gesünder zu essen.
Wie wird Lebensmitteln zusätzlich Protein zugeführt?
Lebensmitteln werden Proteinquellen wie Whey, Soja oder Erbsenprotein hinzugefügt, um den Proteingehalt zu erhöhen. So kann die tägliche Proteinaufnahme gesteigert werden.
Kann zu viel Protein schädlich sein?
Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Nachweise, ob ein Zuviel an Proteinen gesundheitlich bedenklich ist. So gibt es auch noch keine festgelegten Obergrenzen. Die Empfehlung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit lautet, dass Erwachsene die tägliche Proteinzufuhr auf das Doppelte der Zufuhrempfehlung beschränken sollten, also maximal knapp zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.
Trotzdem sollten manche Menschen nicht unbedenklich Proteine zu sich nehmen: "Die Forscher betonen, dass eine eiweißreiche Ernährung nicht für jeden geeignet ist, insbesondere für Übergewichtige und Diabetiker. Wer sich stark eiweißbetont ernähren möchte, sollte vorher vom Arzt eine mögliche beginnende Nierenerkrankung ausschließen lassen", sagt Krehl. Denn überflüssiges Protein wird vom Körper abgebaut, wobei Harnstoff entsteht, der mit dem Urin ausgeschieden wird. Das kann zu einer Belastung der Nieren führen, was bei gesunden Menschen allerdings kein Problem darstellt. Deswegen sollte man vorab abklären, ob die Nieren voll funktionsfähig sind. In jedem Fall sei es wichtig, bei hoher Proteinzufuhr ausreichend zu trinken, denn bei Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion könne viel Protein problematisch sein und zu einer Verschlechterung führen, sagt Restemeyer.
Zugesetzte Proteine in Lebensmitteln – Geldschneiderei?
Der Markt mit Protein-Produkten ist riesig und uneinheitlich und lässt sich das "Mehr" an Proteinen ordentlich bezahlen. Das zeigt ein Marktcheck des Portals "Lebensmittelklarheit" (externer Link) : "Wer Lebensmittel mit Proteinwerbung kauft, muss tief in die Tasche greifen: 49 von 57 Protein-Produkten waren teurer als das entsprechende Vergleichsprodukt ohne Proteinwerbung. Jedes fünfte Produkt im Marktcheck kostete sogar mehr als doppelt so viel."
Zudem enthielten nicht alle Produkte, die mit einem Proteingehalt beworben werden, tatsächlich mehr Protein als vergleichbare Produkte ohne diese Werbung. Das werfe die Frage auf, "ob Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich einen Mehrwert für ihr Geld erhalten, wenn sie sich für diese teureren Optionen entscheiden", meint Krehl.
Haben proteinangereicherte Lebensmittel Nachteile?
Neben den Kosten können High-Protein-Produkte einen weiteren Nachteil haben: Es handele sich häufig um hochverarbeitete Lebensmittel, so Restemeyer: "Das sind aus kostengünstigen Zutaten – überwiegend aus industriellen Energie- und Nährstoffquellen und Zusatzstoffen – zusammengesetzte Produkte […]. Wenn häufig zu diesen Produkten gegriffen wird und sie Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Nüsse verdrängen, kann das langfristig kritisch für die Zufuhr von sekundären Pflanzenstoffen, Nähr- und Ballaststoffen sein und mit Übergewicht, ernährungsbedingten Krankheiten und ökologischen Nachteilen einhergehen." In der Untersuchung des Portals Lebensmittelklarheit fiel ein Drittel der Protein-Produkte auch durch einen übermäßig hohen Fett- oder Salzgehalt auf, was ihre gesundheitlichen Vorteile infrage stelle, sagt auch Daniela Krehl.
Im Video: Eiweißbrot - wirklich ein Schlankmacher?
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