Die beiden Angeklagten Markus Braun und Oliver Bellenhaus im Verhandlungssaal.
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Der Ton zwischen Ex-Wirecard-Vorstand Braun und dem früheren Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, wird schärfer.

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Wirecard-Prozess: Gereizter Ton in der Woche der Konfrontationen

Im Wirecard-Prozess wird der Tonfall gereizter: Vor allem die Verteidiger der beiden Angeklagten Markus Braun und Oliver Bellenhaus attackieren sich immer schärfer. Die Rede ist jeweils von Desinformation und Verdrehung von Tatsachen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Nach einer kurzen Pause von wenigen Minuten betritt Richter Markus Födisch an diesem regnerischen Donnerstag um kurz nach 10 Uhr wieder den unterirdischen Verhandlungssaal für den Wirecard-Prozess. "Haben sich alle wieder beruhigt?", fragt Födisch.

Unmittelbar nach Beginn des 75. Prozesstages ist es ziemlich schnell laut geworden in dem Verhandlungssaal auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Weil - wie schon am Mittwoch - der für Donnerstag geladene Zeuge aus dem Ausland nicht die Reise in den Münchener Süden auf sich genommen hat, setzt Födisch die am Vortag begonnene Befragung von Oliver Bellenhaus fort.

Bellenhaus: Braun-Verteidigung "liefert Legenden"

Bellenhaus gilt als früherer Statthalter von Wirecard in Dubai und als ärgster Widersacher des ebenfalls angeklagten Markus Braun. Am Montag hatte Bellenhaus dem früheren Wirecard-Vorstandschef und seinem Verteidiger-Team Contra gegeben und auf Beweisanträge reagiert, die Braun-Anwalt Alfred Dierlamm in den vergangenen Wochen beim Landgericht München I eingereicht hat. Die Braun-Verteidigung habe darin "mehrere Legenden" geliefert und "bewusst mit falschen Tatsachen" argumentiert, kritisiert Bellenhaus.

Nach wie vor ist zwischen beiden Seiten der Dreh- und Angelpunkt dieses Skandals umstritten: Während Braun und seine Verteidiger darauf beharren, dass das Wirecard-Geschäft mit ausländischen Drittpartnern real gewesen sei, wobei die daraus erzielten Einnahmen eine Bande um den flüchtigen Ex-Vorstand Jan Marsalek und Bellenhaus veruntreut hat, betont Bellenhaus am Donnerstag abermals: "Es gab keine Transaktionen und keine Händler." Mit anderen Worten: Weite Teile dieses Geschäfts waren frei erfunden. Und, so sagt Bellenhaus auch, die Verteidigung Brauns habe den Gerichtsaal "zu einem Ort der Desinformation" gemacht.

Wirecard-Prozess: "Höre das Gebrabbel von hinten"

Schließlich platzt Bellenhaus-Anwalt Florian Eder auch noch der Kragen, weil er sich von den Gesprächen des in der Reihe hinter ihm sitzenden Teams um Markus Braun gestört fühlt: "Ich höre das Gebrabbel die ganze Zeit von hinten. Das ist eine Unverschämtheit!" Wie selten zuvor in diesem Verfahren werden die verhärteten Fronten auch so lautstark deutlich.

Braun-Verteidiger: Bellenhaus betreibt "Desinformation und Destruktion"

Das zeigt auch die anschließende Stellungnahme von Dierlamm. Er hält Bellenhaus am Nachmittag vor, die Ermittlungen der Behörden hätten unter anderem gezeigt, dass ein "erheblicher Teil der für das Drittpartnergeschäft relevanten Daten gelöscht oder zerstört worden ist". Bellenhaus sei derjenige, der Sachverhalte "verdreht und verfälscht". Und: Der ehemalige Wirecard-Statthalter in Dubai habe Firmen gesteuert und kontrolliert, über die Wirecard zustehende Millionen aus realem Geschäft veruntreut worden seien. Beispielhaft nennt Dierlamm die in Hongkong sitzende Firma Pittodrie.

BR Recherche hatte im vergangenen Jahr nach der Analyse von internen Daten der Wirecard-Bank aus dem Jahr 2018 nachgezeichnet, dass zum Beispiel der angebliche Wirecard-Drittpartner Payeasy mit Sitz auf den Philippinen insgesamt 100 Millionen Euro an die Pittodrie Finance Limited überwiesen hatte. Die genauen Hintergründe dieser Transaktionen blieben aber unklar. Nach der Überzeugung von Braun und Dierlamm hat es sich dabei um "Kommissionszahlungen aus dem Wirecard-Drittpartnergeschäft" gehandelt.

Kein Urteil im Wirecard-Prozess vor 2024

Unter anderem deswegen wollen die Braun-Verteidigung sowie die Anwälte des dritten Angeklagten, Ex-Wirecard-Chefbuchhalter Stephan von Erffa, Bellenhaus zahlreiche Fragen stellen. Bellenhaus erklärte sich dazu bereit, brauche allerdings noch etwas Zeit für die Vorbereitung, erklärte er am Donnerstag.

Nach einer kurzen Pause setzt das Landgericht München die Hauptverhandlung Anfang November fort. Die Anklage wirft den Angeklagten unter anderem Marktmanipulation und Bilanzfälschung vor. Mit einem Urteil ist nicht vor 2024 zu rechnen. Dass es bis dahin im Verhandlungssaal weiter hitzig zugehen wird, gilt nach dem bisherigen Prozessverlauf als gesichert.

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