20.06.2023, Berlin: Nancy Faeser (SPD, r), Bundesministerin für Inneres und Heimat, spricht neben Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2022 in der Bundespressekonferenz. Foto: Christoph Soeder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2022

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Verfassungsschutz sieht Zuwachs der rechtsextremen Szene

Die Zahl der Extremisten in Deutschland nimmt zu. Im Rechtsextremismus sieht Innenministerin Faeser dabei die größte Gefahr für die Demokratie. Im neuen Verfassungsschutzbericht wird auch die AfD genannt - und deren rechtsextremistisches Potenzial.

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Auf den 330 Seiten des aktuellen Verfassungsschutzberichts lesen sich die Bedrohungen für Deutschland vielfaltig: von Islamismus über Reichsbürger, Rechts- und Linksextremismus bis hin zu Spionage aus Russland und China, Cyberangriffen und Desinformationskampagnen. Eine besondere Rolle spricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dem Rechtsextremismus zu.

Für die innere Sicherheit macht Faeser viele Gefahren aus, zum Beispiel im Islamismus, genauso wie in Cyberangriffen und anderen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Aber die Innenministerin betont, für die demokratische Grundordnung sei der Rechtsextremismus "nach wie vor die größte extremistische Gefahr". Denn er richte sich explizit darauf aus, "unseren Staat zu überwinden und die Staatsform zu zerstören", sagt Faeser.

Rechtsextremistisches Potenzial der AfD: rund 10.000 Personen

Laut Verfassungsschutzbericht wächst die rechtsextreme Szene weiter - um 5.000 auf rund 38.000 Menschen. Neu ist, dass in dieser Gruppe erstmals das rechtsextremistische Personenpotenzial bei der AfD ausgewiesen wird. Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, was das Kölner Verwaltungsgericht bestätigte. Dagegen legte die AfD Berufung ein, das Verfahren läuft noch.

Das extremistische Potenzial schätzt der Verfassungsschutz innerhalb der AfD auf 10.200 Personen. Das macht mehr als ein Drittel der AfD-Mitglieder aus. Aber es könnten nicht alle Parteimitglieder als Anhänger der extremistischen Strömungen betrachtet werden, wird im Bericht betont.

Verfassungsschutzpräsident kritisiert AfD

Teile der AfD würden "Hass und Hetze verbreiten gegen alle Minderheiten in Deutschland", sagt Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, der in Teilen auch antisemitische Haltungen unter AfD-Mitgliedern ausmacht. Außerdem sieht er Teile der AfD stark von Russland beeinflusst. Diese würden die Sichtweise des russischen Regimes auf den Krieg weiterverbreiten. Haldenwang verweist auch auf einen Besuch in der russischen Botschaft.

So hat AfD-Parteichef Tino Chrupalla zusammen mit dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland im Mai zum "Tag des Sieges" der Sowjetarmee über Nazi-Deutschland die russische Botschaft in Berlin besucht. Chrupalla begründete das damit, man sollte den Dialog auch in Krisenzeiten nicht abreißen lassen.

Weidel: Bericht unseriös

Vom neuen Verfassungsschutzbericht zeigt sich Chrupalla unbeeindruckt. Da stehe nichts Neues drin, sondern nur "pauschale Nennungen ohne Begründung". Die AfD prüfe, ob sie rechtlich dagegen vorgehe. Seine Co-Vorsitzende Alice Weidel hält den Bericht für unseriös. Hier werde alles aufgefahren, "um die politische Konkurrenz, nämlich die AfD, zu diskreditieren", kritisiert Weidel.

Auch Zuwachs bei Linksextremen

Insgesamt macht dem Verfassungsschutzpräsident Haldenwang Sorgen, dass die Zahl gewaltorientierter Extremisten steigt. "Sie sind weniger ideologisch festgelegt und basteln ihr Weltbild nach einem Baukastenprinzip mit Versatzstücken aus dem Internet zusammen." Die Grenzen zwischen ideologischen Lagern würden punktuell verschwimmen.

Auch die linksextremistische Szene ist nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gewachsen, auf 36.500 Personen. Zwar sank die Zahl linksextremistischer Straftaten, "aber einzelne Straftaten zeigen unverändert hohe Gefährdungspotenziale", betont Innenministerin Faeser.

Fraktionsübergreifend Sorge wegen Zuwachs der rechten Szene

Besonders der Zuwachs der rechten Szene hat fraktionsübergreifend Besorgnis ausgelöst. Dringenden politischen Handlungsbedarf sieht die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic. Der bayerische SPD-Abgeordnete und Innenpolitiker Uli Grötsch mahnt zur Wachsamkeit. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, die Warnungen des Verfassungsschutzes seien sehr ernst zu nehmen.

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