Kissinger prägte die Außenpolitik der USA in den 70er Jahren unter den damaligen Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford entscheidend mit. Nun ist der frühere US-Außenminister im Alter von 100 Jahren gestorben. Sein Tod markiert das Ende einer Ära, in der die Realpolitik Amerikas globales Engagement bestimmte und oft heftige Debatten über das Gleichgewicht zwischen moralischen Werten und nationalen Interessen auslöste.
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Früher Lebensweg und Aufstieg zur Macht
Kissinger wurde 1923 in Fürth geboren und emigrierte 1938 im Alter von 15 Jahren in die USA, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Seine Erfahrungen in dieser Zeit prägten sein Streben nach Stabilität und Ordnung, das seine späteren diplomatischen Strategien beeinflusste. Als brillanter Student glänzte Kissinger an der Harvard-Universität und stieg schnell in der akademischen Laufbahn auf, bevor er eine politische Karriere einschlug.
Kissinger in der Nixon-Administration
Als Nationaler Sicherheitsberater und Außenminister unter Präsident Nixon definierte Kissinger die amerikanische Diplomatie neu. Er spielte eine entscheidende Rolle bei der historischen Öffnung gegenüber China, einer strategischen Meisterleistung, die das globale Machtgleichgewicht veränderte. Seine Rolle im Vietnamkrieg, die durch die umstrittene Ausweitung des Konflikts auf Kambodscha und Laos gekennzeichnet war, bleibt ein umstrittener Aspekt seines Vermächtnisses. Obwohl er 1973 den Friedensnobelpreis für das Friedensabkommen in Vietnam erhielt, argumentieren seine Kritiker, dass ein früheres Eingreifen unzählige Menschenleben hätte retten können.
Realismus im Kalten Krieg
Kissingers Amtszeit war geprägt von einem knallharten Realismus, der Menschenrechtsfragen oft zugunsten geopolitischer Interessen zurückstellte. Dies zeigte sich in seinem Umgang mit der damaligen Sowjetregierung, der zur Entspannung und zum bahnbrechenden Rüstungskontrollabkommen SALT I führte. Seine Politik in Chile, wo er den Sturz von Präsident Salvador Allende unterstützte, und in Osttimor mit der anschließenden indonesischen Invasion wurde jedoch als Unterstützung autoritärer Regime auf Kosten demokratischer Werte kritisiert.
Einfluss nach dem Ausscheiden aus der Regierung
Auch nach seinem Ausscheiden aus der Regierung blieb Kissinger eine wichtige Stimme in internationalen Angelegenheiten. Seine Beratungsfirma Kissinger Associates beriet weltweit führende Politiker und Unternehmen, und seine Essays beeinflussten weiterhin politische Debatten. Trotz aller Kontroversen waren Kissingers China-Expertise und seine Analysen der Weltordnung bei nachfolgenden US-Regierungen sehr gefragt.
Kontroversen und Vermächtnis
Kissingers Vermächtnis polarisiert. Bewundert für seinen strategischen Scharfsinn und seine diplomatischen Durchbrüche, kritisiert für seine ethischen Kompromisse und die daraus resultierenden Konsequenzen für viele Menschenleben. Seine Rolle beim Putsch in Chile und bei den Bombenangriffen in Südostasien haben die moralischen Dilemmas seiner Außenpolitik deutlich gemacht.
Nachdenken über eine komplexe Figur
Seine Strategien, die sich durch eine Mischung aus Realismus und Machtpolitik auszeichnen, beeinflussen weiterhin das diplomatische Denken, auch wenn die Welt vor den Herausforderungen eines multipolaren Zeitalters steht. Henry Kissinger hinterlässt ein Vermächtnis, das auch in den kommenden Jahren für Diskussionen sorgen wird.
George Bush und Olaf Scholz würdigen Kissinger
"Mit dem Ableben von Henry Kissinger hat Amerika eine seiner verlässlichsten und markantesten Stimmen der Außenpolitik verloren", erklärte der frühere US-Präsident George W. Bush. Kissinger habe in den Regierungen zweier US-Präsidenten gearbeitet und viele weitere beraten, schrieb Bush, der ebenfalls von Kissinger beraten wurde. "Ich bin dankbar für diesen Dienst und Rat, aber am dankbarsten bin ich für seine Freundschaft."
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hob Kissingers Bedeutung für die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA hervor. "Henry Kissinger prägte die amerikanische Außenpolitik wie nur wenige andere", schrieb der SPD-Politiker auf der Online-Plattform X (früher Twitter). "Sein Einsatz für die transatlantische Freundschaft zwischen den USA und Deutschland war bedeutend."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den verstorbenen ehemaligen US-Außenminister als "großen Kämpfer für Freiheit und Demokratie". Steinmeier nannte ihn "die treibende geistige Kraft der US-Außenpolitik vieler Jahrzehnte" und "Hüter der transatlantischen Beziehungen".
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) würdigte Kissinger als "Jahrhundertgestalt der internationalen Politik" gewürdigt. "Für viele war er Vorbild. Andere haben sich auch an ihm gerieben", schrieb die Politikerin auf X. "Was über allem bleiben wird, ist seine Größe, unserem Land nach dem Zweiten Weltkrieg die Hand auszustrecken und bis zuletzt in Freundschaft verbunden zu sein", fügte Baerbock hinzu.
Söder über Kissinger: Weitsicht und analytischer Scharfsinn
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb auf der Plattform X: Bayern trauere um Kissinger, einen bedeutenden Staatsmann, "der mit Weitsicht und großem analytischen Scharfsinn die Menschen überzeugen konnte". Kissinger sei einer der einflussreichsten außenpolitischen Beobachter und Denker gewesen. "Nicht alle seiner Positionen waren unumstritten. Aber er war einer der wichtigsten und klügsten Außenpolitiker des vergangenen Jahrhunderts." Zudem unterstrich Söder die bayerische Herkunft des früheren Politikers: "Er war Bayer, Franke, Fürther und seiner alten Heimat und dem jüdischen Leben bis zuletzt verbunden."
Knobloch würdigt Kissinger als "Ikone der Zeitgeschichte"
Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, nannte Kissinger eine "Ikone der Zeitgeschichte". "Mit ihm verlieren wir nicht nur eine der prägenden Figuren der amerikanischen Politik, sondern einen Menschen, dessen Leben wie kaum ein anderes die Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts abbildete", so die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern auf X.
Kissinger soll bei einer privaten Feier im Familienkreis beigesetzt werden, wie sein Beratungsunternehmen mitteilte. Eine Gedenkfeier solle zu einem späteren Zeitpunkt in New York stattfinden.
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