Es wird für Boris Pistorius (SPD) ein Kaltstart. Er ist noch nicht einmal als Bundesverteidigungsminister vereidigt, da prasseln schon zahlreiche Forderungen und Erwartungen auf den Nachfolger von Christine Lambrecht (SPD) ein. Schon am Freitag steht ein wichtiges Treffen mit den westlichen Verbündeten der Ukraine an - bei dem die Debatte um Kampfpanzer-Lieferungen wahrscheinlich besonders im Fokus stehen wird.
- Zum Artikel: "Neuer Verteidigungsminister - Wer ist Boris Pistorius?"
Ukraine pocht auf Leopard 2 Panzer
Ukrainische Politiker nutzten den Personalwechsel in Deutschland bereits, um ihren Standpunkt klar zu machen: "Wir setzen in der Ukraine darauf, dass Sie den Satz ernst meinen: 'Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen!'", twitterte Wladimir Klitschko, Bruder von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko. "Nur das ist jetzt wichtig für uns und dafür brauchen wir jetzt vor allem eines: Leopard 2 Panzer!"
Bei der internationalen Konferenz auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz stellt sich angesichts der Debatte um die weitere militärische Unterstützung der Ukraine auch die Frage, ob Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 geliefert werden sollen. Deutschland nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, weil die Panzer hier produziert werden und die Bundesregierung deswegen jeden Export auch anderer Länder genehmigen muss. Panzer gelten als wichtig für die Rückeroberung besetzter Gebiete. Der Leopard 2 wiederum gilt als einer der wirkungsvollsten Kampfpanzer weltweit.
Langfristige Strategie statt Denken von "Tag zu Tag"
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, wünscht sich eine langfristige Strategie für Lieferungen. Deutschland dürfe nicht mehr nur "von Tag zu Tag" denken, sagte er im "Münchner Merkur". Außerdem müssten sich die Unterstützer der Ukraine etwa über Ersatzteile und Reparaturmaßnahmen abstimmen. Kiew sei sehr dankbar für die bisherige deutsche Hilfe. Es gebe aber zugleich "in der Ukraine viel Unverständnis dafür, dass die Lieferungen so lange dauerten".
Sein Vorgänger und jetzt stellvertretender Außenminister der Ukraine, Andrij Melnyk, will das Agieren des designierten deutschen Verteidigungsministers Pistorius mit seinen Kollegen in Kiew genau beobachten. Er hofft, dass der SPD-Mann "viel entschlossener und schneller" als seine Vorgängerin handeln werde, sagte er "t-online". "Wir fordern Minister Pistorius auf, die Ukraine massiv mit schweren Waffenlieferungen zu unterstützen: mit Kampfpanzern, Kampfjets, Kriegsschiffen, Mehrfachraketenwerfern, Artillerie, Flugabwehr und natürlich ausreichend Munition."
Hoher Druck auf Verteidigungsminister Pistorius
Doch auch aus Deutschland wächst der Druck: Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger sagte dem Medienhaus "Table.Media": "Wer der Lieferung von Mardern zustimmen kann, kann auch Leopard-Panzer liefern." US-Präsident Joe Biden und Kanzler Olaf Scholz (SPD) stimmten sich am Dienstag in einem Telefonat erneut ab. Zuvor hatte Scholz in einem auf Englisch geführten Interview der Nachrichtenagentur Bloomberg wiederholt: "Wir gehen nie allein, denn das ist notwendig in einer sehr schwierigen Situation wie dieser."
Der ehemalige Bundeswehr-General Hans-Lothar Domröse rechnet jedenfalls damit, dass die Zurückhaltung in Berlin aufgeben wird. "Ich erwarte, dass die Bundesregierung beim Treffen der Ukraine-Unterstützer am Freitag in Ramstein die Zusage für die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern macht", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Ich gehe davon aus, dass sie den europäischen Partnern nicht nur die Verschickung der Kampfpanzer erlaubt, sondern selbst noch 'Leos' aus dem Bestand der Bundeswehr dazugibt - vielleicht im niedrigen zweistelligen Bereich."
Prekäre Lage der Bundeswehr
Dass auf Pistorius generell eine große Herausforderung wartet, unterstrich auch der Bundeswehrverband in Person von Verbandschef André Wüstner in der "Welt". "Die Lage der Bundeswehr ist so prekär wie nie zuvor." Der neue Minister müsse sich "zügig ein Lagebild verschaffen" und Reformen "mit Hochdruck vorantreiben". Es müssten "personelle, infrastrukturelle sowie materielle Lücken" geschlossen werden.
Und womöglich werden die Probleme für Pistorius noch größer: Die Maschinengewehre der Bundeswehr sind einem "Bild"-Bericht zufolge teilweise in einem katastrophalen Zustand. Dies gelte besonders für die Feldlafette (mittleres Maschinengewehr), wie die Zeitung unter Berufung auf den 2. Quartalsbericht zur "Beschleunigung und Optimierung der Beschaffungen in der Bundeswehr" schrieb.
Mit der Ernennung und Vereidigung am Donnerstag liegen all diese Schwierigkeiten dann offiziell bei Pistorius.
- Zum Artikel "Pistorius: 'Ich will die Bundeswehr stark machen'"
Mit Informationen von dpa und AFP
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!