Die EU hat den Unkrautvernichter Glyphosat des Bayer-Konzerns für weitere zehn Jahre zugelassen, in Deutschland warten die entsprechenden Produkte auf ihre Freigabe. Weil aber die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Wirkstoff 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" (externer Link) eingestuft hat und in den USA noch immer viele Klagen gegen den Bayer-Konzern laufen, wird die Diskussionen so schnell nicht abreißen. Nach Angaben von Bayer-Chef Bill Anderson testet der Konzern einen Ersatzwirkstoff bereits an Pflanzen, 2028 soll das Produkt auf den Markt kommen.
Aber welche Alternativen gibt es jetzt schon? Ein paar auf jeden Fall: andere Pestizide, Hitze oder Mechanik. Die Frage ist, sind die Alternativen auch wirklich ein Ersatz? Und braucht man im Hausgarten überhaupt einen?
Was muss ein Glyphosat-Ersatz können?
Gleich vorneweg: Für die meisten Anwendungsfälle gibt es mehr oder weniger effiziente Alternativen. Doch es ist bislang kein Mittel in Sicht, das Glyphosat in allen Bereichen ersetzen kann. Woran liegt das?
Glyphosat ist ein besonderer Pestizid-Wirkstoff: Er tötet fast alle grünen Pflanzen ab, ist also nicht dazu da, um zum Beispiel gezielt Kamille aus den Maisreihen zu eliminieren. Seine Stärke ist der Einsatz, bevor die Nutzpflanzen keimen, oft auch vor der Aussaat.
Ein Glyphosat-Ersatz sollte im Ackerbau also - je nach Aussaatverfahren - entweder einen "reinen Tisch" machen und die kleinen Unkräuter, die im vorbereiteten Saatbett keimen, vernichten oder eben die ausgewachsenen Zwischenfrüchte inklusive Unkräutern in eine abgestorbene Mulchauflage verwandeln.
Glyphosat: billig, einfach und vielseitig
Egal ob in der Landwirtschaft, auf dem Sportplatz oder bei der Bahn: Glyphosat ist einfach anzuwenden und kostengünstig. Dazu kommt: Es gilt als das Pestizid, dessen Nebenwirkungen weltweit am besten untersucht sind. Ob und welche negativen Auswirkungen ein neues Totalherbizid mit sich bringt, wird erst im Laufe der Jahre vollständig klar werden.
Pelargonsäure: Ersatz-Pestizid aus Rapsöl
Pelargonsäure ist bereits verfügbar. Der Unkrautbekämpfungswirkstoff aus Rapsöl wird von manchen als Glyphosat-Ersatz gesehen. Doch einerseits ist es derzeit nicht für alle Anwendungsbereiche von Glyphosat zugelassen. Zum anderen muss Pelargonsäure in der Regel häufiger gespritzt werden, der Einsatz ist also teurer. Zudem wirkt es vor allem gegen junge Unkräuter. "Wenn diese mehr als vier bis sechs Blätter haben, lässt die Wirkung rapide nach" so Arnd Verschwele, Wissenschaftlicher Oberrat am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig.
Nur bedingt wirksam und auch nicht umweltfreundlich
Die Deutsche Bahn, die nach eigenen Angaben seit 2023 auf Glyphosat verzichtet, setzt neben physikalischen Verfahren auch Pelargonsäure ein, um die Gleisanlagen unkrautfrei zu machen. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat auf Sportanlagen Versuche durchgeführt, um herauszufinden, inwieweit sich Pelargonsäure und zum Beispiel Essigsäure als Glyphosatersatz eignen. Ein Ergebnis: "Keines der geprüften Mittel hat eine vergleichbare Wirkung wie Glyphosat". Bei einer schwachen Verunkrautung könne die Anwendung von Alternativen jedoch sinnvoll sein. Und obwohl die Pelargonsäure aus Rapsöl, also einem Lebensmittel gewonnen wird - einzelne pelargonsäurehaltige Herbizide gelten als giftig für Fischnährtiere oder sie schädigen zum Beispiel Nutzinsekten.
Stahl statt Chemie: Pflug und Messerwalze
Glyphosat hat in den vergangenen Jahrzehnten in einigen Fällen den Pflug ersetzt, deswegen liegt es auf der Hand: Der Pflug kann andersrum auch wieder Glyphosat ersetzen. Pflügen bekämpft das Unkraut effektiv, ist im Ökolandbau quasi die Standardunkrautbekämpfung. Ein Nachteil dabei: Der Dieselverbrauch ist höher als beim Spritzen. Der Pflug schafft auf dem Acker einen reinen Tisch – einen nackten Boden, der anfällig ist für Erosion, Verschlämmung Humusabbau und Verdichtung. Die eigentlich umweltfreundliche Mulch- oder Direktsaat funktioniert mit dem Pflug also nicht.
Abflammen und Heißwasser
Das Unkraut zwischen Gehweg und Straßenrinne oder in irgendwelchen Pflasterfugen kann man abflammen oder mit heißem Wasser verbrühen. Auch im Gartenbau kommen solche Verfahren zum Einsatz. Dabei verbrennen und verbrühen jedoch auch viele Lebewesen, die auf den Pflanzen und der Bodenoberfläche leben sowie manche Bodenorganismen. Der Einsatz von Abflammgeräten und Heißwassersprühern ist außerdem deutlich energie- und zeitaufwändiger und damit teurer als eine Glyphosat-Spritzung. Für eine großflächige Anwendung auf dem Acker kommt die Unkrautbekämpfung mit Hitze in der Regel derzeit also nicht infrage. In Zukunft könnte eine sensorgesteuerte Heißwasser-Ausbringung, die nur das Unkraut und nicht die ganze Fläche verbrüht, wettbewerbsfähig werden.
Bald mit Bakterien gegen Unkraut?
Auch im Labor suchen Wissenschaftler nach einem Ersatz für Glyphosat: Ein Team der Uni Tübingen und der Hochschule Bielefeld erforschen, wie ein Baustein der Blaualge, der Zucker 7dSh, genutzt werden könnte, um ungewünschtes Grün zu vernichten. Der Zucker hat die Eigenschaft, andere Organismen absterben zu lassen, wie man es von Glyphosat bei fotosynthetischen Organismen kennt. Allerdings wird es noch einige Jahre dauern, bis aus dieser Erkenntnis ein anwendungsreifes Produkt werden könnte.
Glyphosat ist schwieriger zu ersetzen als andere Pestizid-Wirkstoffe
Grundsätzlich haben Landwirte viele Möglichkeiten, den Einsatz von Pestiziden zu ersetzen oder auf alle Fälle zu verringern. Die effizienteste ist eine ausgeklügelte, weite Fruchtfolge. Dass also auf einem Feld nicht in jedem zweiten Jahr Mais und dazwischen Weizen angebaut werden, sondern im Lauf der Jahre viele unterschiedliche Kulturen wie zum Beispiel Roggen, Hafer, Kartoffeln, Linsen und zum Beispiel Sonnenblumen wachsen. Gegen Schädlinge hilft es auch, Nützlinge zu fördern oder Fallen aufzustellen. Unkräuter kann man mit Hacken und Striegel bekämpfen.
Die hohe Kunst des Ackerbaus kann einen großen Beitrag zu einer Reduzierung des Pflanzenschutzmittel-Verbrauchs leisten – doch sie bringt ausgerechnet dann nicht viel, wenn es darum geht, den Einsatz von Glyphosat zu ersetzen.
Im Hausgarten geht’s gut ohne Glyphosat
Die derzeit noch für den Haus- und Kleingarten zugelassenen Glyphosat-Herbizide sind für den Einsatz bei Steinobst, Kernobst, Zierpflanzen und Rasen sowie gegen drüsiges Springkraut und japanischen Staudenknöterich erlaubt. Auf den Packungen ist nachzulesen: Diese Mittel schädigen Raubmilben und Spinnen oder sie sind fischgiftig. Im Hausgarten ist es am leichtesten, ohne Glyphosat auszukommen. Da gibt es mindestens drei einfache Alternativen: Hacken, mähen oder wachsen lassen.
Im Audio: "Ernte gut, alles gut? Glyphosat - Wundermittel und Artenkiller"
Dieser Artikel ist erstmals am 15. März 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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