Eigentlich waren an diesem Wochenende bei CDU, SPD, FDP und AfD Auftaktveranstaltungen zum Europa-Wahlkampf, doch immer wieder rückt die Bundestagswahl im kommenden Jahr in den Fokus. Zuletzt hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sich in der "Welt am Sonntag" dafür ausgesprochen, nach der Wahl erneut eine große Koalition von Union und SPD zu bilden.
Diesen Vorschlag kommentierte der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) am "Sonntags-Stammtisch" im BR Fernsehen: "Eine große Koalition unter den gegenwärtigen Bedingungen, dass die SPD stärker ist als wir, und wir unter einem Kanzler Scholz dienen, das wäre ein mittleres Untergangsszenario für die CDU/CSU."
Allerdings hatte Söder in dem Interview betont, bleibe es bei den aktuellen Umfragen, werde Scholz die Wahl verlieren. "Dann wird es eine SPD ohne Scholz geben." Für Söder könnte der amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dann der neue starke Mann der Sozialdemokraten werden. Mit ihm "als Juniorpartner lässt sich mehr vorstellen".
Wer wäre der Kanzler in einer Großen Koalition?
Waigel plädierte dafür, nach der Wahl mit der Partei zu koalieren, mit der die "größten Schnittstellen entstehen". Man müsse mit jedem reden, es sei auch nicht sicher, dass ein Bündnis aus zwei Parteien reiche, um eine Koalition zu bilden. Waigel betonte: "Im Moment sind mehr Schnittmengen da mit einer SPD bei 15 Prozent". Sollte die Union stärkste Kraft werden, so könnte sich Waigel sowohl Markus Söder als auch Friedrich Merz als Kanzler vorstellen, wie er in der Sendung betonte.
Eine mögliche Koalition mit den Grünen sieht er kritisch: "Die Grünen sind schwierig im Moment mit ihrer Programmatik und ihrer personellen Aufstellung". Trotzdem schloss Waigel eine Koalition mit den Grünen nicht grundsätzlich aus. Söder indes hat eine Koalition mit den Grünen kategorisch ausgeschlossen.
Waigel: Lindner hat "Existenzängste"
Mit Blick auf den FDP-Parteivorsitzenden Christian Lindner und die Rolle seiner Partei bei der nächsten Bundestagswahl sagte Waigel beim 600. Sonntags-Stammtisch: "Lindner macht eine ungeheure Gratwanderung", die FDP müsse ihr Profil als kleinster Koalitionspartner stärken.
Lindner falle jetzt sein berühmt gewordener Satz: "Besser gar nicht regieren als schlecht regieren" auf die Füße, denn: "Wenn er das jetzt verfolgen würde, müsste er morgen aus der Regierung austreten. Das tut er nicht, weil er natürlich Existenzängste hat." Die FDP laufe Gefahr, bei der nächsten Bundestagswahl unter die Fünf-Prozent-Marke zu sinken und so aus dem Bundestag zu fallen. Lindner müsse nach Einschätzung von Waigel rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl sagen: "Mit den zweien mache ich es nicht mehr."
Waigel: Schuldenbremse nicht lockern
Als langjähriger ehemaliger Finanzminister (von 1989-1998 unter Helmut Kohl) lobte Waigel Christian Lindner für sein Festhalten an der Schuldenbremse. Er teilt mit Lindner die Auffassung, dass bei Sozialleistungen gespart werden könne. "Wir sind der sozialstärkste Staat der Welt. Da muss es auch mal möglich sein, für ein Jahr vielleicht Sozialausgaben nicht zu erhöhen", so Waigel. Er reagierte damit auf die Debatte, die das Zwölf-Punkte-Papier der FDP ausgelöst hatte. Das an diesem Sonntag vom FDP-Präsidium beschlossene Papier sieht unter anderem vor, Leistungen von Bürgergeldempfängern einzufrieren, sollten diese eine Arbeit nicht annehmen. Der Vorschlag hatte für Kritik bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne gesorgt.
Die Zeitenwende muss finanziert werden
Waigel begründete diese Position damit, dass die Zeitenwende in Europa finanziert werden müsse. Die Freiheit Europas habe im Moment Priorität. Es müsse möglich sein, den Haushalt umzuschichten und mehr Geld für Verteidigungsausgaben und die Sicherung des europäischen Zusammenhaltes auszugeben, so Waigel. Notfalls müsse Linder durchgreifen und jedes Ressort fünf bis sieben Prozent seiner Ausgaben streichen lassen.
Um über die Landesgrenzen hinaus für einen europäischen Zusammenhalt zu sorgen, sieht der ehemalige CSU-Parteivorsitzende auch die Jugendorganisationen der Parteien in der Pflicht. Er wünsche sich ein viel stärkeres emotionales und sachliches Engagement, auch von der Jungen Union.
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