Tagelang hat sich Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger mit erneuten "Schmutzkampagne"-Vorwürfen zurückgehalten, angesichts des Umfragehochs seiner Partei im BR24 BayernTrend legt er jetzt aber nach: "Die Menschen haben da ein sehr feines Gespür, was ist ehrliche Politik und was ist eine Schweinerei", sagte der Freie-Wähler-Chef dem BR mit Blick auf die Flugblatt-Affäre. Er habe schon früh darauf verwiesen, dass Schmutzkampagnen nach hinten losgehen. "Das scheint sich jetzt zu bestätigen."
Die Freien Wähler sind mit einem Plus von fünf Prozentpunkten der große Gewinner im neuen BR24 BayernTrend. Mit 17 Prozent liegen sie auf Rang zwei hinter der CSU. Aiwanger sieht darin zum einen eine Bestätigung für die Arbeit der Freien Wähler in den vergangenen Jahren, zum anderen aber auch eine Reaktion auf die "Kampagne" gegen ihn. "Ich glaube, das hat dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufgesetzt."
- Zum Artikel: "Rekordhoch für Freie Wähler im BayernTrend - CSU büßt ein"
SPD und Grüne warnen vor Rechtsruck
Ein leichtes Plus von einem Prozentpunkt verzeichnet im BayernTrend auch die AfD, die auf 13 Prozent klettert. Alle anderen Parteien büßen ein: Für die CSU geht es runter auf 36 Prozent (-3), für die Grünen auf 15 Prozent (-1). Die SPD ist mit 9 Prozent (-2) wieder einstellig, die FDP muss mit 3 Prozent (-1) um den Wiedereinzug in den Landtag bangen.
Insbesondere Grüne und SPD zeigen sich über die Werte alarmiert. Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze betrachtet "mit Sorge", dass der Populismus in Bayern weiter um sich greife - es würden Falschinformationen verbreitet und Feindbilder aufgebaut. "Ich habe auch Sorge vor einem Rechtsrutsch in Bayern", betont die Grünen-Spitzenkandidatin. Es sei wichtig, dass die nächste bayerische Staatsregierung eine klare Kante für Demokratie zeige, respektvoll mit Ämtern umgehe und jeder Form von Antisemitismus die rote Karte zeige.
Als "wirklich beängstigend" wertet der SPD-Landesvorsitzende Florian von Brunn die Ergebnisse des BayernTrends. Denn "rechtspopulistisch agierende" Freie Wähler und "Rechtsextreme wie die AfD" seien gestärkt, während "alle demokratischen Parteien verlieren". Im Wahlkampf gelte es nun zu verhindern, "dass Bayern nach rechts driftet", mahnt von Brunn.
Im BR24live-Video: Analyse zum BR24 BayernTrend
FDP: Weckruf - AfD: "Deutliches Zeichen"
Bayerns FDP-Landeschef Martin Hagen nennt die Umfragewerte einen "Weckruf für die vielen unentschlossenen Wähler". In den verbleibenden dreieinhalb Wochen bis zur Landtagswahl will er diese Unentschlossenen überzeugen. Zuletzt habe sich die landespolitische Debatte fast ausschließlich um Hubert Aiwanger gedreht, sagt Hagen. "Jetzt ist es Zeit, dass wir uns wieder Sachthemen widmen."
AfD-Spitzenkandidat Martin Böhm sieht im Zuspruch für die Freien Wähler ein deutliches Zeichen an die AfD, "dass die Menschen klarere Worte, eine Politik der klaren Stimme wollen". Bedauerlich sei, dass davon zum Teil die Freien Wähler profitierten, denn Aiwanger sei in den vergangenen fünf Jahren "nur der Statthalter von Söder" gewesen.
Söder spricht von "Fieberkurve"
CSU-Chef Söder will das Hoch der Freien Wähler nicht überbewertet sehen. "Alle Umfragen im Moment, vier Wochen vor einer Wahl, sind Fieberkurven", sagte er bereits am Mittag. Ohne Hubert Aiwanger an dieser Stelle namentlich zu nennen, sprach Söder von einer "Solidarität" angesichts der Ereignisse der letzten zwei Wochen. Der CSU-Chef verwies auf die Kompetenzwerte für ihn als Ministerpräsidenten und seine Partei. Hier gebe es einen "großen Zuspruch".
Auch CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer argumentiert, dass die Kompetenzwerte der CSU im BayernTrend sehr gut seien. Das gelte auch für die persönlichen Umfragewerte von Markus Söder. In den vergangenen beiden Wochen ging es laut Kreuzer "praktisch nur noch um den Fall Aiwanger". Sachpolitische Fragen müssten jetzt aber wieder in den Vordergrund. Für die Menschen in Bayern sei nicht entscheidend, "was ist vor 35 Jahren an einem Gymnasium in Mallersdorf passiert", findet der CSU-Politiker.
Antisemitismus-Vorwürfe gegen Aiwanger
Nach Berichten über ein antisemitisches Flugblatt aus Aiwangers Schulzeit in den 1980er Jahren hatte der Freie-Wähler-Chef nach anfänglichem Schweigen eingeräumt, mit dem Papier erwischt worden zu sein. Verfasst haben soll es sein Bruder. Ob er es verteilt hat, weiß Hubert Aiwanger nach eigenen Angaben nicht mehr. Darüber hinaus warfen ihm Ex-Mitschüler unter anderem vor, als Jugendlicher judenfeindliche Witze erzählt zu haben.
Nach einigen Tagen folgte eine Entschuldigung des Ministers: Er bereue es zutiefst, falls er durch sein Verhalten Gefühle verletzt habe. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit." Ob er menschenfeindliche Witze erzählt habe, könne er aus seiner Erinnerung weder vollständig dementieren noch bestätigen. Auch in seinen Antworten auf 25 Fragen der Staatskanzlei zu den Vorwürfen verwies Aiwanger mehrfach auf Erinnerungslücken. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) entschied sich, an seinem Vize festzuhalten – obwohl die Antworten nicht alle befriedigend gewesen seien.
Mehrheit hält Aiwangers Erklärungen für glaubwürdig
Die Mehrheit der Bayern hält derweil Aiwangers Erklärungen für überzeugend. Im BR24 BayernTrend bezeichnen 53 Prozent sie als glaubwürdig. Ein gutes Drittel (35 Prozent) zweifelt seine Ausführungen an. Groß sind die Unterschiede der Bewertung gemessen an der Parteianhängerschaft. Bei den Sympathisanten der Freien Wähler (79:12 Prozent), der CSU (65:26) und der AfD (62:26) ist die Unterstützung für Aiwanger am deutlichsten. Bei Anhängern von Grünen (13:85) und SPD (24:70) überwiegen dagegen mit großem Abstand die Zweifel.
Unterstützung für Söders Entscheidung
Die Entscheidung von Ministerpräsident Söder, seinen Stellvertreter trotz der Vorwürfe im Amt zu belassen, tragen die Bayern mehrheitlich mit. Gut zwei Drittel (68 Prozent) sagen, das Vorgehen Söders sei richtig gewesen. Ein knappes Viertel (24 Prozent) erachtet die Entscheidung als falsch.
Deutliche Unterstützung findet Söders Entscheidung sowohl bei den Anhängern der Freien Wähler (92:4 Prozent), als auch in den Reihen der CSU- (88:9) und der AfD-Sympathisanten (81:14). Die SPD-Anhänger (35:57 Prozent), vor allem aber die der Grünen (22:71) sehen den Verbleib Aiwangers im Amt dagegen mehrheitlich kritisch.
Für diesen BR24 BayernTrend befragte infratest dimap zwischen dem 5. und dem 9. September 2023 1.171 Wahlberechtigte in Bayern (688 Telefoninterviews und 483 Online-Interviews). Es handelt sich um eine repräsentative Umfrage.
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