Um 6 Uhr morgens beginnt Faysal Bayrakdar im Nürnberger Westbad mit seiner Arbeit. Eine Stunde vor Öffnung des Freibads prüft der 36-jährige Syrer die Wasserqualität, misst die Wassertemperatur und begutachtet die Rutschen. An seinem Arbeitsplatz fühlt sich der Bademeister wohl: "Ich habe wirklich eine große Freundschaft mit Kollegen und mit dem Badegast."
"Das war ein großer Traum"
Seit einer Kinderlähmung hat Faysal Bayrakdar ein kürzeres und schwächeres rechtes Bein. Dennoch ist er ein sehr guter Schwimmer. Seit Anfang dieses Jahres hat er eine feste Stelle als Bademeister bei der Stadt Nürnberg. "Das war ein großer Traum, ein richtiges Wunder", sagt Bayrakdar lächelnd. Jeden Tag laufe er im Bad umher und freue sich.
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Über humanitäres Aufnahmeprogramm nach Deutschland
Wegen des Bürgerkriegs in Syrien kam Faysal Bayrakdar Ende 2013 über ein humanitäres Aufnahmeprogramm nach Deutschland. Er lernte Deutsch und arbeitete jahrelang als Saisonkraft in den städtischen Bädern in Nürnberg. Schon in seiner syrischen Heimatstadt Homs hatte er als Schwimmtrainer für Kinder gearbeitet. Doch als Saisonkraft fehlte ihm in den Wintermonaten das Einkommen. Bayrakdar wusste: Seinen Wunschberuf Bademeister würde er nur über eine dreieinhalbjährige Ausbildung erreichen können. Zugleich brauchte er aber Geld zum Leben.
Jobbegleiterin findet Lösung
Auf der Suche nach dauerhafter, fester Arbeit traf Faysal Bayrakdar im August 2020 Martina Kohler. Sie ist Jobbegleiterin für geflüchtete Erwachsene bei den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) in Nürnberg. Bayrakdar habe ihr von seiner Leidenschaft für das Schwimmen erzählt, berichtet Kohler, und dass er eigentlich gerne Bademeister werden wolle. Die Jobbegleiterin suchte daraufhin nach einer Möglichkeit, diesen Beruf ohne lange Ausbildung zu erreichen. Und sie erfuhr, dass es für Bäderbeschäftigte mit Berufserfahrung einen externen Vorbereitungslehrgang auf die Prüfung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe gibt, den die Bayerische Verwaltungsschule anbietet. Doch der kostet 7.500 Euro.
Im Rollstuhl zur Bademeister-Ausbildung
Jobbegleiterin Kohler fand einen Geldgeber: Die Beratungsstelle zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen und Weiterbildung (ZAQ) übernahm die Kosten.
Ausgerechnet zu dieser Zeit musste sich Faysal Bayrakdar einer schweren Operation an seinem Bein unterziehen. "Und dann ist Faysal, im Rollstuhl sitzend, mit vielen Schrauben im Bein und vollgepumpt mit Schmerzmitteln, zu dem Lehrgang gefahren. Sie können sich vorstellen, was das für ein Entsetzen bei den Ausbildern war: Da kommt einer für die Bademeister-Ausbildung und sitzt im Rollstuhl", schmunzelt Martina Kohler, die überzeugt war, dass Bayrakdar es schaffen würde.
Das bayerische Jobbegleiter-Projekt
Jobbegleiter wie Martina Kohler sind Teil des Jobbegleiter-Projekts, gefördert vom Bayerischen Innenministerium. Gedacht ist es für geflüchtete Erwachsene und Fachkräfte aus der Europäischen Union. Das Ziel: die Teilnehmer in ein festes Arbeitsverhältnis zu vermitteln. Die Jobbegleiter fungieren dabei als Schnittstelle zwischen Arbeitssuchenden und Betrieben, sind eng vernetzt mit Helferkreisen, Ämtern und Verbänden und unterstützen bei der Suche nach geeigneten Sprachkursen und Arbeitsstellen.
Seit Projektstart im Jahr 2016 wurden in Bayern 18.500 Menschen intensiv begleitet, 2.500 konnten in Arbeit vermittelt werden. Das klingt wenig. Aber die bfz gGmbH weist darauf hin, dass es häufig Jahre dauere, bis eine Vermittlung zustande komme. Die Menschen müssten in der Regel erst Sprachkurse belegen oder Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen, heißt es bei der bfz gGmbH mit Sitz in München.
Schwimmtraining unter Schmerzen
Faysal Bayrakdar ließ sich nicht unterkriegen. Trotz seiner Bein-OP machte er den Bademeister-Lehrgang in Theorie und Praxis. Unter Schmerzen trainierte er für die Schwimmprüfung, mit von außen verschraubten Metallschienen im rechten Oberschenkel und Knie. Der städtische Betrieb NürnbergBad half Bayrakdar sehr. "Wir kannten ihn ja schon und wollten ihn unterstützen, dass er die Prüfung auch besteht", sagt die Verwaltungsleiterin von NürnbergBad, Manuela Schneider. So durfte der Syrer trotz Corona in den städtischen Bädern trainieren. Und der Ausbildungsleiter der Fachangestellten für Bäderbetriebe in Nürnberg, Stefan Grodzki, nahm sich Zeit für ihn, denn die Anforderungen für den externen Lehrgang sind hoch: 300 Meter in acht Minuten angezogen schwimmen, 100 Meter Zeitschwimmen in höchstens eineinhalb Minuten und 35 Meter Streckentauchen.
Mit Kraftanstrengung zum Ziel
Faysal sei jeden Tag zu ihm ins Südstadtbad gekommen und habe trainiert, berichtet der Ausbildungsleiter. Er habe einen starken Willen bewiesen und viel Kraftanstrengung, um sein Ziel zu erreichen. "Damit hat er buchstäblich Berge versetzt", sagt Grodzki. Der Lohn für die große Anstrengung war die ersehnte Stelle als Bademeister bei NürnbergBad. Verwaltungsleiterin Manuela Schneider lobt den 36-Jährigen sehr. Er sei zuverlässig, sehr freundlich zu Kunden, im Kollegenkreis geschätzt und springe auch mal ein, wenn Dienste zu besetzen seien.
Onkel brachte ihn zum Schwimmen
Dass er so gut schwimmen kann, verdankt Faysal Bayrakdar übrigens seinem Onkel, einem Sportlehrer. Der habe ihn schon als Kind zu Schwimmwettkämpfen ermutigt. "Ich hab immer den ersten Platz bekommen und dann hat die Zeitung geschrieben: ein Wunderkind in Homs. Das Bild und die Zeitung habe ich noch immer", erzählt der Syrer lachend.
Das Jahr 2023 dürfte Faysal Bayrakdar im Gedächtnis bleiben. Denn er hat nicht nur eine feste Stelle in seinem Traumberuf bekommen, sondern auch einen deutschen Pass.
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