Report München


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Kampf um Düngemittel Wie China die Preise explodieren ließ

Durch Russlands Krieg in der Ukraine sind die Preise insbesondere für Getreide dramatisch gestiegen, heißt es. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Denn der Preisanstieg begann schon viel früher - und neben Russland spielte dabei auch China eine wesentliche Rolle. Recherchen von BR, MDR, rbb, SWR und des ARD-Studios Rom.

Von: Nadja Armbrust, Josef Streule

Stand: 18.07.2023 13:09 Uhr

Straubing in Niederbayern: Landwirt Franz Schreyer baut hier Zuckerrüben, Kartoffeln und Weizen an. Doch seit knapp zwei Jahren kämpft er mit einem Problem.

"Das hätte nie jemand erwartet. Und mit dem hat man nicht rechnen können. Und das war eine Situation, wo jeder einfach nimmer gewusst hat, wie er handeln soll."

Franz Schreyer, Landwirt

Es geht um den mysteriösen Anstieg von Nahrungsmittelpreisen, den Einfluss Chinas und wie das Land die Welternährungsorganisation für seine Zwecke einspannt.

Schreyer erinnert sich, wie alles begann. Im Herbst 2021 braucht er Dünger und beobachtet dafür die Preise auf dem Weltmarkt. Da fällt ihm etwas Seltsames auf.

"Die Düngemittel-Preise sind 2021 extrem in die Höhe gegangen. Da haben Sie richtig verrückt gespielt. Das ist ein Ausschlag, den es noch nie gegeben hat."

Franz Schreyer, Landwirt

Das war noch vor dem Krieg.

"Das war vor dem Krieg, 21 im Herbst und 22 hat der Krieg erst begonnen."

 Franz Schreyer, Landwirt

Hat er eine Erklärung?

"Eigentlich so richtig nicht. Energiepreise sind hoch, aber so extrem gestiegen? Da habe ich eigentlich keine Erklärung dafür."

Franz Schreyer, Landwirt

Was ist passiert? Wir sehen uns die weltweiten Exporte von Düngemitteln genauer an - und entdecken Erstaunliches:

Chinesische und russische Exportbeschränkungen

Seit Juli 2020 zieht der Gaspreis an - und leicht verzögert, auch der Preis für Dünger. Denn Hersteller von Düngemitteln nutzen meist Erdgas. Doch ab September 2021 passiert etwas Besonderes: Der Preis für Dünger geht steil nach oben - obwohl der Gaspreis fällt. Woher kommt das? Ein Grund: Im Herbst 2021 beschränkt Russland den Export von Düngemitteln. Und verbietet die Ausfuhr von Stickstoff-Dünger dann sogar ganz.

Aber Russland ist nicht allein: Auch China liefert ab September 2021 weniger Düngemittel ins Ausland. Das hat Folgen. Denn China ist weltgrößter Exporteur von Phosphat-Dünger. Plötzlich kommen 20 Prozent weniger Düngemittel auf den Weltmarkt.  

Lukas Kornher hat das am Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung genau beobachtet.

"Die Exportrestriktionen führen dann zu erhöhten Preisen für Düngemittel, niedrigerer Benutzung von Düngemitteln in Entwicklungs- und Schwellenländern, was dann eben Erträge reduziert und sich schlussendlich auf die Ernährungssicherheit auswirkt und den globalen Hunger treibt."

Lukas Kornher, Agrarökonom, Universität Bonn

Die Folgen treffen Landwirte wie Franz Schreyer.

"Die Preise sind natürlich in den Himmel gestiegen. Also die haben kein Ende nicht mehr gekannt. Das nächste Problem war dann, das teilweise gar nicht mehr manche Dünger-Sorten vorrätig waren."

Franz Schreyer, Landwirt

Brisantes Abkommen kurz vor Kriegsbeginn

Dabei bleibt es nicht. Russland und China schließen, bislang fast unbemerkt, kurz vor Kriegsbeginn, ein brisantes Abkommen. Es geht um russische Weizenlieferungen nach China. Das wollen wir ihm zeigen: Reinhard Bütikofer, im EU-Parlament Vorsitzender der Delegation zu China.  

"Und wenn Sie nach unten scrollen, dann finden Sie das Datum dieses Abkommens."

Reporterin

"Haha! 23. Februar 22."

Reinhard Bütikofer, Abgeordneter EU-Parlament, Die Grünen

Ist das Zufall? Das ist einen Tag vor dem russischen Angriffskrieg in die Ukraine.

"Man muss vielleicht sehr blauäugig sein, wenn man unterstellt, dass so was Zufall ist."

 Reinhard Bütikofer, Abgeordneter EU-Parlament, Die Grünen

Im Klartext: Einen Tag vor Kriegsbeginn sichert sich China Weizenlieferungen aus Russland. Es rechnet offenbar schon damit, dass die Ukraine bald als Lieferant ausfallen könnte.

Dann beginnt der Krieg. Russland marschiert in die Ukraine ein. Über viele Monate sind Düngemittel nur noch schwer zu bekommen.

"Eine genaue Betrachtung dessen, wie China sich verhalten hat, lässt gar keine andere Interpretation zu, als dass China Russlands Aggressionskrieg nicht etwa verurteilt, sondern Vorteil daraus zu ziehen gedenkt."

Reinhard Bütikofer, Abgeordneter EU-Parlament, Die Grünen

Auf diese Vorwürfe bekommen wir vom chinesischen Außenministerium keine Antwort: "Der Krieg treibt deshalb die Preise für Energie, Rohstoffe und Getreide in die Höhe."

"Kleinste Preissteigerungen führen dazu, dass die Menschen weniger zu sich nehmen, weniger kaufen können und das bedeutet im Endeffekt Hunger."

Mathias Mogge, Vorstandsvorsitzender Welthungerhilfe

Chinas Einfluss auf Preise am Weltmarkt wächst weiter

Den Hunger in der Welt bekämpfen - dafür ist Welternährungsorganisation FAO in Rom zuständig. Ihr Chef ist Qu Dongyu, ehemals chinesischer Politiker. Zuvor sogar Vize-Landwirtschaftsminister in China. 

Erst im März äußert er sich zu den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Und zwar in der staatlichen chinesischen Zeitung China Daily. Darin kritisiert er nicht etwa den Umgang Chinas oder Russlands mit Dünger und Weizen, sondern die Finanz-Sanktionen des Westens:

"Die Finanzsanktionen gegen Russland haben zu einem erheblichen Wertverlust geführt, der, wenn er anhält, (...) die landwirtschaftlichen Produktionskosten weiter in die Höhe treiben könnte."

 Qu Dongyu

"Chinesische Spitzenfunktionäre in solchen internationalen Organisationen hören mehr auf das Kommando Xi Jinpings als auf irgendetwas anderes!"

 Reinhard Bütikofer, Abgeordneter EU-Parlament, Die Grünen

Und Chinas Einfluss auf die Preise am Weltmarkt wächst weiter. Denn das Land hortet Nahrungsmittel. Nach Schätzungen verfügt China inzwischen über mehr als 50% der weltweiten Getreidevorräte. 

"China verfolgt eine gezielte Strategie, um die Ernährungssicherheit vor Ort sicherzustellen, um günstige Preise für die Bevölkerung zu garantieren. Und dadurch werden eben dann höhere Lager angehäuft, um eben auch Vorsorge zu treffen für Krisen."

Lukas Kornher, Agrarökonom, Universität Bonn 

So bewegt China die Preise - bei Getreide und Dünger. Die Folgen tragen Verbraucher - und Landwirte wie Franz Schreyer.  

"Grundsätzlich ist man ausgeliefert. Man muss die Preise zahlen, was der Markt erfordert. Man kann nur eines steuern, dass man sagt, man kauft früher ein, vielleicht zum richtigen Zeitpunkt, aber wer weiß? Das ist wie an der Börse."

Franz Schreyer, Landwirt

China hat sich enorme Macht über die Welt-Agrarmärkte verschafft. Und offenbar ist es gewillt, diese zu seinem Vorteil zu nutzen.

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Manuskript als PDF:


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