Leere Bushaltestelle. Bayern gehen die Bus- und Trambahnfahrer und -fahrerinnen aus. Was müssen Verkehrsunternehmen jetzt tun?
Bildrechte: stock.adobe.com/beatuerk

Leere Bushaltestelle. Bayern gehen die Bus- und Trambahnfahrer und -fahrerinnen aus. Was müssen Verkehrsunternehmen jetzt tun?

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Bayern gehen die Tram- und Busfahrer aus: Was tun?

Die Babyboomer gehen bald in Rente – und so werden in den nächsten zehn Jahren in Bayern über eine Million Beschäftigte fehlen. Besonders drastisch ist die Lage bei Bus- und Trambahnfahrern. Um Mitarbeitende zu finden, geht die Branche neue Wege.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Herausforderung des Fachkräftemangels ist längst kein Geheimnis mehr, doch eine aktuelle Studie des Instituts für Wirtschaft in Köln unterstreicht jetzt noch einmal die Dringlichkeit des Problems: Ein beträchtlicher Anteil der Beschäftigten steht kurz vor dem Ruhestand. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Bayern wird sich also weiter zuspitzen.

Die Babyboomer gehen in Rente

Knapp ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Qualifikation sind heute bereits 55 Jahre oder älter und gehen damit voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Das sind mehr als eine Million Beschäftigte. Das wird viele Bereiche hart treffen: Die Berufskraftfahrt, die Buchhaltung oder die Sozialarbeit. Der höchste Anteil an älteren Beschäftigten in Bayern zeigt sich allerdings bei den Bus- und Trambahnfahrern. Damit es in zehn Jahren nicht zu immensen Fahrplan-Ausfällen kommt, will sich die Branche rüsten.

Schwierige Lage für Personalgewinnung in München

Über tausend Stellen von Tram-, U-Bahn- oder Busfahrern und -fahrerinnen sind schon heute nicht besetzt, so die Studie des Instituts für Wirtschaft. Etwa vier von zehn Fahrern und Fahrerinnen werden in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Das sind fast 8.500 Stellen. Verkehrsunternehmen wie die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) setzen auf kreative Wege, um dem drohenden Engpass entgegenzutreten, berichtet Charlotte Jakobi-von Müller, Leiterin der Personalgewinnung bei der MVG: "Wir müssen uns auf dem Recruitingmarkt ausweiten und auf so vielen Wegen und Kanälen wie möglich nach neuen Kolleginnen und Kollegen suchen". Einfache Stellenanzeigen würden hier nicht mehr ausreichen. Die Konkurrenz auf dem Bewerbermarkt und auch der Wohnungsmarkt in München seien extrem herausfordernd.

Unternehmen müssen neue Wege gehen

Neben dem traditionellen Recruiting werden deshalb auch gezielt Studierende angesprochen. Auf dieses Konzept setzt zum Beispiel auch die VAG in Nürnberg. Beate Haberler, die bei der VAG für den Bereich Fahrdienst verantwortlich ist, sieht darin eine Möglichkeit, von der beide Seiten profitieren: "Die Studierenden erwerben eine Zusatzqualifikation und dürfen sich über einen fair bezahlten Nebenjob freuen". Und die VAG könne ihre Fahrerinnen und Fahrer etwa an Wochenenden entlasten.

Außerdem gibt es noch die älteren Mitarbeitenden. Die können ihre Arbeitszeit verlängern oder neben ihrer Rente weiterfahren. Teilzeitmöglichkeiten werden ausgebaut zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und auch im Ausland wird rekrutiert, inklusive Sprachkurse und Integrationshilfen. "Wir rekrutieren im Moment zum Beispiel Busfahrer aus Spanien, die mit Busfahrschein zu uns kommen, wir sehen uns als offenes Unternehmen", erzählt Charlotte Jakobi-von Müller von der MVG. Ein niederschwelliges, gut funktionierendes Format sei auch die sogenannte "Bewerbungstram".

"Bewerbungs-Tram" gegen Fahrermangel

In der vergangenen Woche stand diese zum Beispiel am Ackermannbogen in München. Von 9 bis 14 Uhr konnten sich Interessierte informieren und bewerben. "Da hat man die Möglichkeit, vorne einzusteigen und hinten mit einer Zusage wieder rauszugehen", so beschreibt es Johanna Stemate aus der Recruitingabteilung der MVG. "Man bekommt tatsächlich andere Bewerber. Dieser direkte Kontakt, das Unkomplizierte, ohne vorher eine Bewerbung herrichten zu müssen, kommt gut an, deshalb ist es ein Erfolgsmodell". 110 Menschen haben heute die Bewerber-Bahn besucht, haben ihre Kontakte abgegeben, einen Test gemacht und bei Erfolg direkt ein Bewerbungsgespräch geführt. Immerhin 24 davon konnten tatsächlich die Trambahn mit einer Zusage verlassen.

Und doch: All die neuen Wege, all die Anstrengungen, neues Personal zu gewinnen, sind nötig, aber: "Dass sich die Lage so entspannt, dass wir sagen, wir haben null Stellen mehr offen, das wird sich nie mehr ergeben, dafür sind die Herausforderungen mit den Renteneintritten und auch mit der Fluktuation zu hoch. Es wird herausfordernd bleiben, neue Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen", so die Einschätzung von Charlotte Jakobi-von Müller.

Schreckt der teure Busführerschein ab?

💬 BR24-User "Codedoc" hat in den Kommentaren die Kosten von Busführerscheinen und eine mögliche Übernahme durch Verkehrsbetriebe angesprochen. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:

Früher sei der Busführerschein eine Zugangsvoraussetzung für die Bewerbung als Busfahrer gewesen, erklärt ein Sprecher des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) auf Nachfrage von BR24. Heute sei das nicht mehr überall so. Ein Busführerschein koste häufig weit mehr als 10.000 Euro. Man könnte von Bewerberinnen und Bewerbern nicht erwarten, dass sie diesen Preis aus eigener Tasche zahlen, so der LBO-Sprecher weiter. Möglichkeiten gibt es mehrere: Teilweise übernehmen die Verkehrsunternehmen die Kosten für den erforderlichen Führerschein. In manchen Fällen kommt auch die Arbeitsagentur oder das zuständige Jobcenter im Zuge einer Umschulung dafür auf, etwa wenn der Aspirant bzw. die Aspirantin vorher Lkw gefahren ist. 💬

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!