Wie arbeiten wir in Zukunft? Feierabend war gestern

"Schnaps ist Schnaps und Dienst ist Dienst" hieß es früher. Lang ist's her. Modernes Arbeiten bedeutet keine festen Arbeitsplätze und kein Chef, der kleinlich Arbeitszeiten erfasst. Arbeiten ist in Zukunft ein Work-Life-Flow-Ding!

Von: Anne-Marie Kriegel

Stand: 10.10.2016 | Archiv

Bild: BR

Microsoft hat in München im Sommer 2016 eine neue Deutschlandzentrale eröffnet. Sie gilt als ziemlich innovativ, denn es gibt dort keine festen Arbeitsplätze, jeder Mitarbeiter arbeitet jeden Tag von einem andern Platz aus. Familienfotos, das eigene Kugelstoßpendel und anderen privaten Kram kann man in einem Spind deponieren. Neben den Riesenfirmen wie Microsoft überlegt aber auch der Mittelstand, der Handwerker aus dem Nachbardorf und der kleine Familienbäcker um die Ecke, wie er in der modernen Arbeitsgesellschaft ankommen soll. Dafür gibt es verschiedene Modelle, die heute sogar schon mehr oder weniger gängig sind.

Arbeiten, wann es dir passt

Nine-to-Five und um zwölf dann schön Mittag machen: Dieses starre Arbeiten gehört schon länger der Vergangenheit an. Das gilt vor allem für die so genannte "Wissensarbeit", also für Jobs, die fast keine Routine haben, bei denen es viel um Kreativität, Kommunikation und Einfühlungsvermögen geht.

Aber auch für Schichtarbeiter werden frei einteilbare Arbeitszeiten immer greifbarer. Aus der Früh-, Mittel-, und Spätschicht werden dann sechs Schichten. Und die Arbeitnehmer haben mehr Wahlmöglichkeiten, wann sie arbeiten gehen. Dann kann der Klempner im Außendienst seine Schicht mit einem Kollegen teilen, morgens noch die Kids in die Schule bringen und dann entspannt seinen Blaumann anziehen und zur zweiten Hälfte der Frühschicht gehen. Damit arbeiten in Zukunft nicht nur Wissenschaftler und Entwickler in Megakonzernen wie Microsoft, Google und Amazon auf die moderne und flexible Art, sondern auch Handwerker in kleinen Betrieben.

Arbeiten, wo es dir passt

Wer am Fließband oder in einem Handwerksbetrieb arbeitet, der kann seinen Arbeitsort heute nur selten selbst bestimmen. Schwere Werkzeuge kann man schließlich nicht durch die Gegend transportieren. Die Arbeit in einer Fabrik kann zum Beispiel nur erleichtert werden, in dem mehr Roboter statt Menschen die schwere Arbeit übernehmen.

Bei den so genannten "Wissensarbeitern" in Beratungsfirmen, an Unis und in Entwicklungsbüros ist das anders, immerhin können die meisten fast überall arbeiten, federleichten Notebooks sei dank. Um kreativ zu sein und Geld zu verdienen, brauchen sie meist nur WLAN und einen Ort, der sie produktiv werden lässt. Die Couch zu Hause, das eigene Arbeitszimmer, ein Café in der Nachbarschaft. Sie werden in Zukunft nur für Besprechungen ins Büro kommen.

Einer der sich mit dem Arbeitsplatz von morgen beschäftigt, ist Udo-Ernst Haner, Wissenschaftler mit Fachbereich "Zukunft der Arbeit" am Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Er hat die Deutschlandzentrale von Microsoft in München mitentwickelt und sagt:

"Das Büro verändert sich, ganz überspitzt gesagt, zu einer Art Event-Center. Denn alle Tätigkeiten, die ich allein machen kann, kann ich im Wesentlichen von überall aus machen. Folglich gehe ich zunehmend nur ins Büro, um mit den Kollegen zusammen zu arbeiten."

Udo-Ernst Haner vom Fraunhofer-Institut

Deswegen sehen die neuen Bürogebäude auch wahnsinnig fancy aus. Große Besprechungsräume und kleine Rückzugsorte zum Telefonieren oder Nachdenken, viele leere Schreibtische. Die werden dann je nach Bedarf benutzt und wieder geräumt. In Zukunft werden sich mehrere Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz teilen. Deswegen sind auch die Spinde für den persönlichen Kram so wichtig. Wer alleine mit seiner Aufgabe sein will, der kommt sowieso nicht zur Arbeit, sondern löst sie eben da, wo er am besten nachdenken kann. 

Aber warum verändert sich die Arbeitswelt eigentlich?

Momentan geht es ziemlich vielen Leuten gut. Die Arbeit ist nicht mehr das Wichtigste im Leben, weil sie einigermaßen sicher ist und – zumindest in vielen Teilen von Deutschland - fast niemand um sein Überleben kämpfen muss. Das heißt Arbeitnehmer werden auch gegenüber ihren Chefs immer selbstbewusster. Frei nach dem Motto: "Klar, ich will von dir Arbeit, aber du brauchst auch jemanden, der sie für dich macht." Die Freizeit rückt so in den Mittelpunkt des Lebens. Wir arbeiten, damit wir es uns in der Freizeit schön machen können und nicht, weil wir ohne die Arbeit verhungern, meint zumindest Robert Stranzenbach von der Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.

"Wir stellen unsere eigenen Bedürfnisse mehr in den Vordergrund. Damit sind wir gewillt, unsere Freizeit, unser Leben, die so genannte Work-Life-Balance, auch mehr in den Vordergrund zu stellen. Und so gibt es von Seiten der Arbeitnehmer immer größeres Interesse, auch die Freizeit gestalten zu können. Damit ordnet sich das Arbeitsleben der Freizeit immer mehr unter."

Robert Stranzenbach von der RWTH Aachen

Daran passt sich die Arbeitswelt langsam an. Wie werden wir 2050 arbeiten? Das weiß keiner. Auch die Arbeitswissenschaftler winken bei so fernen Prognosen ab. Auf jeden Fall wird sich die Arbeitswelt radikal verändern und vielleicht arbeiten wir dann auch vom Mond aus. Da ist es schön ruhig, nur das WLAN fehlt halt noch.

Sendung: Filter, 07.07.2017 ab 15 Uhr