Sexuelle Belästigung an der Uni Wenn der Dozent zu nahe kommt

Was macht es mit einem, wenn der Prof auf einmal Komplimente über dein Aussehen macht? Wie schnell man in der Uni in eine unangenehme Situation kommen kann, zeigen die Erfahrungsberichte zweier Betroffener.

Von: Cosima Weiske

Stand: 29.01.2019 | Archiv

Bild: BR/Demet Karatas

Eine kleine Hochschule in Bayern. Die Studentin Maria (Name geändert) bekommt einen neuen Dozenten. Es ist ein kleiner Kurs, denn die Aufnahmeprüfungen an der Uni sind hart. Maria ist eine der glücklichen, die es geschafft hat. Der neue Dozent ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Eigentlich sollte sie sich freuen - aber irgendwas war komisch, sagt Maria. Es sei auffällig gewesen, dass sich der Dozent von Anfang an nur für sie interessiert hat: In den Seminaren fragt er sie vor allen anderen Studenten, wie es ihr geht, obwohl die Stunde schon längst angefangen hat.

Es beginnt mit harmlosen Komplimenten

Es bleibt nicht nur beim interessierten Smalltalk. Der Dozent macht Maria Komplimente zu ihrem tollen Englisch, interessiert sich nur für sie. Eigentlich eine gute Situation für Maria, aber dann kippt das Ganze. Auf dem Heimweg will er sich ihr anschließen, angeblich sei sein Hotel ganz bei ihr in der Nähe. "Dann sind wir halt zusammen in diese Straße abgebogen“, sagt Maria, "Er ist die ganze Zeit irgendwie total eng an mich gelaufen. Rechts von mir war eine Mauer. Ich konnte ihm nicht ausweichen und er hat mich die ganze Zeit mit der Schulter berührt. Dann hat er mich gefragt, ob ich irgendwie Sport mache, weil ich so gut aussehe."

Die Studentin erfindet eine Ausrede, biegt in den Supermarkt ab. Sie macht sich Sorgen, dass er herausfinden könnte, wo sie wohnt.

Maria bittet eine andere Professorin um Hilfe, erzählt, was passiert ist. Es stellt sich heraus, dass sie nicht die Einzige ist, die von dem Professor belästigt wurde. "Das macht der immer" heißt es. Warum aber wurde der Professor nicht schon längst abgesägt? Die Professorin bittet Maria, die Sache öffentlich zu machen. Aber Maria fühlt sich nicht wohl damit. Sie fragt sich: Warum muss es die Aufgabe der Betroffenen sein, übergriffige Professoren zu outen? Nicht alle wollen in solchen Momenten an die Öffentlichkeit. Wäre es nicht viel mehr die Aufgabe der Hochschule, ein sicheres Lernumfeld zu schaffen?

Sollte nicht die Hochschule gezielt gegen Diskriminierung vorgehen?

Auch Katharina (Name geändert) erzählt von einem solchen Fall. Alles beginnt damit, dass sie in der Firma eines Dozenten einen Job annimmt. Es ist ihr erstes Semester an der neuen Uni. Ein kleiner Studiengang, jeder kennt jeden. Der Dozent macht ihr gegenüber zweideutige Anspielungen, auf einmal liegt seine Hand auf ihrer. Viel zu lang. Eines Abends bietet er ihr an, sie mit dem Auto nach Hause zu fahren. Angeblich müsse er sowieso in diese Richtung. Als Katharina im Auto neben ihm sitzt, legt er seine Hand auf ihren Oberschenkel. Katharina sagt: "Das war auch wieder so eine Situation wo man denkt: Soll ich jetzt aus dem Auto aussteigen? Ich hab mich total unwohl gefühlt, mich gefragt, was passiert als nächstes? Ich hatte Angst."

Katharina braucht Monate, um zu realisieren, was ihr da eigentlich passiert ist. Und wie auch bei Maria, war sie nicht die einzige – auch ihr Dozent sucht sich regelmäßig ein neues Opfer: jung, attraktiv und am besten irgendwie von ihm abhängig. Die Hochschule, der Arbeitsplatz werden für die Betroffenen zu einem Ort der Unsicherheit. Katharina beginnt, an ihrer Leistung zu zweifeln , der psychische Druck macht ihr zu schaffen. Sie sagt: "Ich bin so wirklich zu einem Mäuschen geworden in dem halben Jahr. Bin viel ruhiger geworden, hab kaum noch den Mund aufgemacht, hab nichts gefragt, keine Ideen eingebracht, weil ich mir einfach so unsicher wahr in meiner eigenen Haut."

Unbedingt Hilfe suchen

Katharina arbeitet mittlerweile nicht mehr bei ihrem Dozenten. Maria hat ihrer Uni-Leitung den Vorschlag gemacht, dass im Rahmen von Evaluationsbögen zukünftig auch speziell nach diskriminierendem Verhalten gefragt wird. Sie hofft, dass sich etwas ändert, wenn dieses Thema mehr Beachtung bekommt.

Wer selbst in so eine Situation gerät, sollte sich unbedingt Hilfe suchen, beispielsweise bei einer Vertrauensperson oder beim Frauennotruf Bayern. Die beraten Betroffene auch bei der Frage, ob man zur Polizei gehen sollte. Auf fib-ak.de sind Beratungsstellen vor Ort aufgelistet. Oft gibt es auch an den Unis selbst Beratungsstellen. Wichtig ist, die eigenen Grenzen ernst zu nehmen. Ganz besonders, wenn man sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Lehrer oder einem Dozenten befindet.

Mehr zum Thema gibt es auch in der aktuellen Staffel unserer Snapchat-Serie iam.serafina. Ihr findet sie auch auf Instagram.

Sendung: filter, 29.01.2019 - ab 15.00 Uhr