Probleme beim Orgasmus "Ich kriege eine Erektion, kann aber nur schwer kommen"

Beim Sex nicht kommen? Frauenproblem! Nö. Niklas hatte selbst lange Schwierigkeiten einen Orgasmus zu kriegen. Für ihn zunächst kein großes Ding. Seine Partnerinnen hat das oft aber nicht nur verwirrt, sondern richtig gestört.

Von: Linda Becker

Stand: 23.08.2017 | Archiv

Bild: BR

Bei Frauen ist das nichts Ungewöhnliches: Sie haben Sex, kommen aber nicht immer zum Orgasmus. Bei Männern ist der Orgasmus meist kein Problem – die kommen allenfalls zu früh. Falsch – denn auch Männer können Orgasmusschwierigkeiten haben.

Niklas ist 27, lebt in München und sagt, dass es Zeiten gab, da konnte er oft nicht zum Orgasmus kommen, obwohl er den Sex an sich gut fand. Für ihn war das zunächst auch gar kein Problem. Das wurde es erst, als er sich dafür ständig rechtfertigen musste, hat er uns erzählt:

"Bei Männern wird’s irgendwie erwartet, dass du kommst, sonst stimmt was nicht. Als Mann kommst du – Punkt.

Wenn ich mit Frauen geschlafen habe und keinen Orgasmus hatte, dann war das irgendwie komisch. Das ging von Unverständnis bis hin zu Ärger. Die wollten dann wissen, warum und ob ich das jetzt nicht gut fand oder ob ich sie nicht attraktiv genug finde. Das nervt einfach, wenn du Sex mit jemandem hattest, es halt mit dem Kommen nicht geklappt hat und du dich dann dafür rechtfertigen musst. Das macht echt keinen Spaß, weil man ja nach dem Sex jetzt nicht unbedingt noch mal 'ne Stunde drüber reden will, was da jetzt schief lief. Ich meine, warum muss ich denn immer kommen? War doch so auch voll gut.

Aber viele Frauen kennen das überhaupt nicht, dass ein Mann gar nicht kommt. Man kann schon offen darüber sprechen, dass das eher ungewöhnlich ist, aber man muss ja nicht so'n Ding draus machen. Und es werten. Wenn meine Freundin nicht kommt, denk ich mir auch, woran das wohl lag. Das ist natürlich so’n Versagensding. Das gibt einem vielleicht manchmal das Gefühl, dass man nicht gut war. Deshalb verstehe ich das ja auch, wenn Mädels sich bei mir gewundert haben. Aber ich muss dem anderen schon auch glauben, wenn er sagt, ich hatte jetzt keinen Orgasmus, fand es aber trotzdem schön. Es bringt nichts, da nachzubohren.

Der Urologe sagte: Orgasmen kann man nicht bestellen wie eine Pizza

Ich dachte zuerst, es sei normal, dass man nicht immer kommt – bis mich Leute offensiv darauf angesprochen haben, was denn da los wäre. Erst dann wurde das eigentlich ein ,Problem’ für mich und ich fing an zu glauben, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. Das machte die Sache aber auch nicht einfacher. Denn wenn man zu viel drüber nachdenkt und beim Sex hofft: ,Bitte komm!’ – dann klappt es erst recht nicht.

Ich hab irgendwann einen Urologen gefragt, woran das liegen könnte, dass ich nicht immer komme. Der war ganz cool, hat erstmal alle möglichen organischen Ursachen ausgeschlossen und dann gesagt: Mein Gott, es muss ja auch nicht immer sein. Ein Orgasmus ist ja nicht wie 'ne Pizza, die du dir bestellen kannst. Versuch dich einfach mal frei zu machen.

Der Grund kann ja alles Mögliche sein. Man hatte den krassen Abfuck auf der Arbeit und wollte aber trotzdem Sex haben. Oder man hat was ausprobiert und fand es doch nicht so mega gut. Im Idealfall kannst du in einer Beziehung alles haben. Mal 'harten Sex', mal 'soften Sex' und es muss nicht immer alles gleich ablaufen. Das war zum Beispiel auch so'n Ding, warum ich oft Probleme hatte zu kommen, weil ich einfach nicht immer Bock hatte auf die gleiche Art Sex, denn man ist ja mal so drauf und mal so. Sex hat viel mit lernen zu tun – auch über dich selbst. Woher sollst du es denn wissen, wenn du nichts ausprobierst. Jeder hat ja ne Tagesform und 'nen anderen Körper und natürlich auch nen anderen Background.

Man muss beim Sex viel mehr darüber sprechen, was man mag und was nicht

Jetzt bin ich in einer Beziehung, in der ich eigentlich fast immer einen Orgasmus habe. Ich konnte da von vornherein mit ihr komplett ehrlich darüber sprechen – und das hat mir wahnsinnig geholfen. Ich denke, es gibt viele Leute, die mit ihrem Partner nicht so offen über alles sprechen können. Bei ihr habe ich jetzt das Gefühl, dass ich einfach mal ich sein kann. Wir können beide wirklich gut miteinander darüber reden, was wir wollen und uns dann aufeinander einpendeln.

Es gab einfach Dinge, über die ich öfter sprechen wollte. Phantasien, die ich ausleben wollte und so hab ich's dann letztendlich auch hinbekommen mit dem Kommen. Bei mir war das eine Vertrauenssache. Ich finde eigentlich, man kann gar nicht genug darüber sprechen, schließlich ist Sex was sehr Natürliches und im besten Fall macht es auch noch Spaß. Es hängen nur immer so viele Erwartungen daran und es wird häufig was Krasseres daraus gemacht, als es eigentlich ist. Das hängt auch mit Pornografie zusammen und mit anderen Medien, in denen dir ständig was erzählt wird nach dem Motto: '10 Tipps wie du dein Sexleben ... blabla.'

Man kann natürlich sagen, ich mag Analsex oder stehe auf SM oder find's toll, wenn du was total Abgefahrenes machst, aber es muss genauso cool sein, wenn man einfach gerne das Licht ausmacht, Decke drüber und Missionarsstellung. Ist doch beides voll in Ordnung. Es muss nur für beide cool sein. Ich finde, man müsste, wenn man sich kennenlernt, schon viel offensiver über Sex sprechen. Das ist doch so maßgeblich für eine Beziehung. Woher sollst du's denn wissen, wie es läuft? Es gibt so viele Möglichkeiten, Sex zu haben, und wie soll man zufällig genau das machen, was der anderen Person taugt. Mir ist es lieber, wenn mir jemand sagt, dass er das, was ich gerade mache, nicht gut findet als gar nix zu sagen oder nur so'n 'Joa'.

Mit Kommen ist Sex schon schöner. Sex kann aber auch einfach ein gutes Gefühl sein – selbst wenn beide nicht kommen."

Mehr zum Thema Orgasmuszwang bei Männern erfahrt ihr im neuen PULS Sexpodcast "Im Namen der Hose" mit Ariane Alter und Linda Becker.

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