Dschihadisten Rückkehrer aus Kampfgebieten islamistischer Terrorgruppen überwiegend auf freiem Fuß

Viele der nach Deutschland zurückgekehrten Unterstützer des IS und anderer Terrorgruppen befinden sich offenbar auf freiem Fuß. Das geht aus einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks und des Nachrichtenmagazins Spiegel unter den Justiz- und Innenministerien der Länder hervor. Aus den Angaben der Länder und des Bundeskriminalamtes lässt sich ablesen, dass mehr als 200 mutmaßliche Terrorhelfer zurück sind, doch nur ein Bruchteil von ihnen befindet sich in Haft.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 12.01.2018 | Archiv

Bild: pa/dpa/dabiq

Die Umfrage des Bayerischen Rundfunks und des Spiegel in allen Bundesländern offenbart ein Problem: Zwar laufen gegen viele Rückkehrer, die aus den Kampfgebieten islamistischer Terrorgruppen zurück gekommen sind, bisher Ermittlungsverfahren. Eine Verurteilung ist aber oft schwierig, weil belastbare Erkenntnisse fehlen.

Bayern und Hamburg: Fast alle Rückkehrer auf freiem Fuß?

Beispiel Bayern: Von 22 mutmaßlichen Terrorhelfern, die in den Freistaat zurückgekehrt sind, wurden bisher zwei zu einer Haftstrafe verurteilt, geht aus der Antwort des Innenministeriums hervor. Ihnen konnte die Mitgliedschaft in einer Al-Kaida-nahen Gruppe nachgewiesen werden. Mindestens ein weiterer Rückkehrer sitzt in Untersuchungshaft. Die übrigen Rückkehrer sind überwiegend auf freiem Fuß. Laut Innenministerium haben die Sicherheitsbehörden sie aber "unter Beobachtung".

Ähnlich ist die Situation in anderen Bundesländern, die von BR und Spiegel angefragt wurden. In Hamburg sind demnach von 80 Ausgereisten 25 mutmaßliche Terror-Unterstützer zurückgekehrt. Nur ein einziger sei derzeit in Untersuchungshaft, heißt es vom Innenministerium. In Niedersachsen bewegt sich die Zahl der Inhaftierten laut Justiz- und Innenministerium im "einstelligen Bereich", obwohl rund ein Drittel der 80 von dort Ausgereisten wieder in Deutschland sein soll.

Ermittlungen gegen Terrorhelfer: Es fehlt an Beweisen

Mehrere Bundesländer halten sich mit den Zahlen bedeckt, so dass die Umfrage keine repräsentative Statistik ergibt. Sie zeigt aber, dass es grundsätzlich an eindeutigen Beweisen mangelt. Das liegt auch daran, dass nur wenige Rückkehrer bereit sind, vor Gericht auszusagen – womöglich aus Sorge, sich selbst zu belasten. Laut den hessischen Behörden zum Beispiel liegen für die Hälfte der rund 35 Rückkehrer dort "keine belastbaren Informationen vor, dass sie sich aktiv an Kampfhandlungen in Syrien oder Irak“ beteiligt haben. Gleichzeitig – darauf weist das bayerische Justizministerium hin – gibt es im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen Häftlinge, von denen nicht klar ist, ob sie auch in Kampfgebieten waren.

Abschreckendes Beispiel: Wer auspackt, wird bestraft

Dieser Mangel an belastbaren Erkenntnissen erklärt sich unter anderem dadurch, dass es wenige Rückkehrer gibt, die als glaubwürdige Zeugen vor Gericht aussagen. Zu den Ausnahmen gehört ein Rückkehrer aus Bayern. Spiegel und Bayerischer Rundfunk haben ihn in einem Hochsicherheitsgefängnis besucht. Er ist ein wichtiger Zeuge für die Sicherheitsbehörden und gibt sich geläutert. Allerdings wurde er zu elf Jahren Haft verurteilt. Dr. Guido Steinberg, ein Islamwissenschaftler und erfahrener Gutachter bei Islamisten-Verfahren, hält das Urteil für juristisch nachvollziehbar, glaubt aber, dass dadurch weitere potentielle Zeugen abgeschreckt wurden: "Da haben die Leute den Eindruck, wenn sie denn nun auspacken, geht es ihnen schlechter, als wenn sie gar nichts sagen."