Verbindung mit Tradition Reichsbürger und Rechtsextremismus

Die sogenannten Reichsbürger - seit den Todesschüssen von Georgensgmünd gelten sie als öffentliche Gefahr. Weniger beachtet werden die Verbindungen zum organisierten Rechtsextremismus. Dabei haben die Reichsbürger sogar ihren Ursprung in der rechtsextremen Szene. BR24 hat nachgeforscht.

Von: Jonas Miller

Stand: 13.11.2016 | Archiv

Bild: picture-alliance/dpa/ Hendrik Schmidt/ Montage: BR

Der Reichsbürger aus Georgensgmünd: Er sitzt in Untersuchungshaft, weil er einen SEK-Beamten erschossen haben soll. Auf Facebook teilte er eine Fotomontage, die unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesjustizminister Heiko Maas und SPD-Chef Sigmar Gabriel auf der Anklagebank des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals zeigt. Das Urteil steht schon fest: „Schuldig - hängen!“ steht über dem Bild. Solche Sympathiebekundungen mit rechtspopulistischer und rechtsextremistischer Hetze kommen nicht von ungefähr. Nach BR24-Recherchen sind bayerische Rechtsextremisten eng mit dem Reichsbürger-Milieu verbandelt.

So tritt ein bekannter nordbayerischer Rechtsextremist - früher in den verbotenen Kameradschaften „Fränkische Aktionsfront“ und „Freies Netz Süd“ aktiv und nun Teilnehmer an Demonstrationen der rechtsextremen Organisation „Der Dritte Weg“ - als Reichsbürger auf. In einer Willenserklärung, die BR24 vorliegt, schreibt der Mann:

"Hiermit bekenne ich mich ausdrücklich und ausschließlich zur preußischen Staatsangehörigkeit. Als Deutscher mit Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§ 1 RUsTAG 1913) anerkenne ich die kaiserlicher Verfassung aus dem Jahr 1871 und die preußischen Verfassung aus dem Jahr 1948. Ferner gilt für meine Person die staatliche Gesetzgebung vor dem 1. Januar 1914."

Aus einem Schreiben an die Kommunalverwaltung

Reichsbürger in der NPD

Auch in der bayerischen NPD gibt es Funktionäre, die sich im milieutypischen Sprachduktus äußern. Der Bezirksvorsitzende der NPD Oberpfalz teilte in sozialen Netzwerken Videos von Reichsbürger-Organisationen und schrieb: „Die Staatsangehörigkeit der BRD existiert nicht!“. Über die Facebook-Seite der NPD Neumarkt/Amberg wurde ein Musterschreiben verbreitet, das die Legitimation von Gerichtsvollziehern mit Reichsbürger-Argumenten ablehnt. Das geht aus einer Anwort der Staatsregierung auf eine Anfrage aus den Reihen der bayerischen Grünen hervor.

Ein aus Unterfranken stammender NPD-Kader leitete zusammen mit dem Rechtsextremisten und einstigen NPD-Anwalt Horst Mahler das Reichsbürger-Portal „Deutsches Kolleg“. Bereits 1999 veröffentlichte die Gruppe einen „Reichsverfassungsentwurf“. Darin heißt es:

"Das Deutsche Volk anerkennt die Verschiedenheit aller Völker und Menschen. Es achtet das Recht eines jeden Volkes, die eigene Abstammung, Rasse und Sprache sowie seine eigenen Anschauungen über Religion, Politik und Wirtschaft zu bevorzugen und das Fremde zu benachteiligen. [...] Die politische Verfassung Deutschlands ist die Deutsche Volksherrschaft. Die Deutsche Volksherrschaft darf nicht Demokratie genannt werden."

Aus dem sogenannten Reichsbürgergesetz von 1999

Ursprung in der rechtsextremen Szene

Die ultrarechten Allianzen sind also keineswegs ein neues Phänomen. Die Ideologie der Reichsbürger hat sogar ihren Ursprung im Rechtsextremismus. Der Rechtsanwalt, NPD-Politiker und spätere Rechtsterrorist Manfred Roeder war einer der ersten, der die Fortexistenz des Deutschen Reiches propagierte. Auch Horst Mahler gilt als Vordenker in der Reichsbürger-Szene. Michael Hüllen, leitender Mitarbeiter beim Verfassungsschutz in Brandenburg, sagte gegenüber Zeit Online: „Reichsbürger wurzeln vom Denken her im Rechtsradikalismus. Ihre Ideologien sind die Domäne der Rechten".

Bayern: Genaue Zahl unbekannt

Die Reichsbürger verfolgen jedoch nicht zwingend die gleichen Ziele. Eine einheitliche ideologische Ausrichtung gibt es nicht. Aktivisten des „Bundesstaats Bayern“ distanzieren sich beispielsweise öffentlich vom Nationalsozialismus. Bundesweit gibt es unzählige Gruppen, die dem Milieu zugerechnet werden können, darunter „Freistaat Preußen“, „Das vierte Reich“ oder „Fürstentum Germania“. In Bayern gibt es beispielsweise die Gruppen „Kommissarische Reichsregierung“, die „Germaniten“, die „Exilregierung Deutsches Reich“ oder den „Bundesstaat Bayern“. Diese Gruppen arbeiten oft nicht zusammen, sehen sich eher als Konkurrenten.

Wie viele Reichsbürger es in Bayern gibt, ist nicht bekannt. Die Ämter überprüfen derzeit Schreiben von vermeintlichen Reichsbürgern und tauschen sich mit den Sicherheitsbehörden aus. Mehrere bayerische Kommunen gehen gegen Reichsbürger vor, die einen Waffenschein besitzen. Zum Schutz der Allgemeinheit sollen ihnen die Waffen entzogen werden.

Behörden weiten Beobachtung aus

Als Vertreter des verhassten Staates stehen Polizisten, Steuerfahnder, Gerichtsvollzieher, Richter und Staatsanwälte im Fokus der Reichsbürger. In der Vergangenheit wurden Richter und Gerichtsvollzieher von selbsternannten Polizisten festgenommen, Behördenmitarbeiter und Polizeibeamte mit Steckbriefen im Internet veröffentlicht. Doch Reichsbürger hantieren nicht nur mit Phantasie-Ausweisen und rufen eigene Staaten aus, sondern gehen offensichtlich auch mit Waffengewalt gegen Polizeibeamte vor. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat die gesamte Reichsbürgerszene als sicherheitsgefährdende Bestrebung unter Beobachtung genommen:

"Die Vorfälle der letzten Monate, insbesondere die Gewalttat von Georgensgmünd, haben gezeigt, dass sich auch in den nicht-rechtsextremistischen Teilen der Szene zunehmend Personen bewegen, von denen Gefahren ausgehen."

Markus Schäfert, Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz