Analyse der Wahl Das bedeutet die #LTWMV für Berlin

Katerstimmung bei der CDU nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Für die Partei von Angela Merkel beginnt eine anstrengende Selbstfindungsphase. Für die SPD ist das Ergebnis im Nordosten nur bedingt aussagekräftig und in der Koalition wird es ruppiger werden. Eine Einschätzung.

Von: Achim Wendler

Stand: 05.09.2016

Bild: picture-alliance/dpa

Was bedeutet das Ergebnis für die CDU?

Stimmt ja nicht, was CDU-Generalsekretär Tauber sagt: Das Ergebnis von Mecklenburg-Vorpommern ist nicht "bitter" für die CDU. Es ist eine Katastrophe. 61 Prozent der Wähler sagen laut infratest dimap, die CDU habe "kein Gespür für die Sorgen der einfachen Leute". Abgehoben also, für eine Volkspartei ein dramatisches Urteil. Außerdem: Diese Wahl lässt das Strauß-Dogma von der Hegemonie der Union im rechten Wählerspektrum endgültig überholt-verzweifelt erscheinen. Rechts von der Union gibt es nicht nur eine demokratisch legitimierte Kraft. Nein, diese Kraft ist jetzt auch noch stärker als die Union. Die CDU hat drei Möglichkeiten: Erstens, weiter wie bisher. Zweitens, ein Kurswechsel unter der Vorsitzenden Merkel (dazu scheint sie indes nicht bereit zu sein). Drittens, Sturz Merkels. Letzteres ist indes unwahrscheinlich, weil Merkel zwar die AfD nicht verhindert hat, aber die AfM (die Alternative für Merkel). Für die CDU beginnt gerade eine gefährliche und anstrengende Selbstfindungsphase.

 Was bedeutet das Ergebnis für die SPD?

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel Bild: picture-alliance/dpa

Sigmar Gabriel scheint Oberwasser zu haben. Er lobt das "Kurshalten" von Erwin Sellering, das sich lohne für die SPD. Wenn das seine Wahlanalyse ist, macht Gabriel es sich aber zu einfach. Denn die SPD wurde nicht wegen ihres klaren Kurses gewählt: Laut infratest dimap finden 61 Prozent der Leute in Mecklenburg-Vorpommern, "bei der SPD weiß man im Moment nicht, wofür sie inhaltlich steht". Kurs halten? Attraktiv war die SPD wegen des Spitzenkandidaten. Sellering ist beliebt im Nordosten. Gabriel ist es dagegen nicht, als Kanzlerkandidat hätte er in der Direktwahl kaum eine Chance gegen Merkel. Darum ist dieses Wahlergebnis für die Bundes-SPD nur bedingt aussagekräftig. Gleichwohl wird die SPD auf Bundesebene ihre Absetzbewegungen von der Union intensivieren. "Entflechtung" nennt das Fraktionschef Thomas Oppermann.

 Was bedeutet die #LTWMV für die Große Koalition in Berlin?

Es wird ruppiger werden. Die CDU hat viel mit sich selbst zu tun. Die SPD wird auf "Entflechtung" machen und mehr Eigenständigkeit zeigen. Und die CSU wird ihren Druck auf die Kanzlerin verstärken. Das tut sie ja bereits. Markus Söder spricht von einem "Weckruf" für die Union. Interessant in diesem Zusammenhang: In Mecklenburg-Vorpommern sagen 27 Prozent der Leute, sie fänden "es gut, wenn man auch in Mecklenburg-Vorpommern CSU wählen könnte" (infratest dimap).

 Ist der Siegeszug der AfD noch zu stoppen?

Der Spitzenkandidat der Partei Alternative für Deutschland (AfD), Leif-Erik Holm (r) und der Spitzenkandidat der CDU, Lorenz Caffier Bild: picture-alliance/dpa

Die AfD hat inzwischen grüße Hürden genommen: Sie hat die Personalquerelen unbeschadet überstanden und den Kurswechsel von der Anti-Euro- zur Anti-Islam-Partei. Auch das Ende der akuten Flüchtlingskrise hat sie nicht pulverisiert. Aber nach wie vor ist die AfD eine Protestpartei. 75 Prozent ihrer Wähler sagen, sie wollten mit ihrem Kreuz "ein klares Zeichen gegen die anderen Parteien" setzen (infratest dimap). Das ist zugleich der Hoffnungsschimmer für die anderen. Sie können die AfD-Wähler zurückholen. Dafür müssen sie aber aufhören zu beklagen, die Wahl sei eine von "Emotionen" bestimmte Wahl gewesen (Generalsekretär Tauber und Spitzenkandidat Caffier). Was soll das heißen? Dass die Wähler doof sind? Dass die Argumente der CDU schwach sind? Dass die AfD näher dran ist an den Leuten?