Ökobilanz Wie umweltfreundlich sind E-Auto-Akkus?

Kein Lärm, kein CO2, kein Feinstaub. Also alles nur positiv bei E-Autos? Weit gefehlt: ihre Umweltbilanz sieht nicht rosig aus, Experten sehen Sicherheitsrisiken - und auch Amnesty International mahnt.

Von: Reinhard Weber

Stand: 20.02.2018

Bild: BR

E-Mobilität - eine saubere Sache. Keine fossilen Brennstoffe, keine Abgase aus dem Auspuff. Zwar lässt die Reichweite - bei einem E-Golf liegt sie bei 170 Kilometer - noch zu wünschen übrig. Touren in der Stadt sind aber kein Problem. Und gerade da trumpft E-Mobilität.

Anders steht es allerdings um die Ökobilanz der E-Autos. Das Fraunhofer-Institut in Stuttgart hat berechnet, dass E-Mobile im Schnitt erst nach rund 80.000 Kilometern umweltfreundlicher fahren als Autos mit Verbrennungsmotor. Schon zur Herstellung des Stroms für E-Autos, erklärt Roberta Graf, die die Studie leitet, "zum Beispiel in Kohlekraftwerken, entstehen eben auch entsprechende Emmissionen."

Zur bescheidenen Ökobilanz tragen auch die über dem Autoboden versteckt liegenden großen Lithium-Ionen-Akkus bei. Denn die Energie zu deren Herstellung wird bislang ebenfalls meist auf Kohlebasis gewonnen.

Experten warnen vor Sicherheitsrisiken

Beim ADAC weiß man außerdem, dass die Batterien ein Sicherheitsrisiko darstellen. Das ergaben Crash-Tests mit E-Autos, bei denen die Batteriepacks zwar einen Frontalaufprall recht gut überstanden. Ein simulierter Auffahrunfall von hinten führte bei der Batterie eines Nissan I-Miev aber zu einem Riss.

Was das im Verkehrsalltag bedeuten kann, weiß Oberkommissar Michael Hubl vom Unfallkommando München. Er erstellte einen Leitfaden für Einsatzkräfte. In diesem warnt er nicht nur vor der Gefahr eines möglichen Stromschlags in den Fällen, in denen die Sicherungsmechanismen der Batterien versagen. Ein besonderes Risiko sehe er, wenn durch den Aufprall eine Batterie in die Brüche geht:

"Wenn durch einen Verkehrsunfall die Batterie so dermaßen beschädigt wird, dass sich der Batteriekörper öffnet, dann treten Elektrolyte aus, und kommt der Mensch mit diesen Elektrolyten mit der Haut in Verbindung, dann gibt es massive Verätzungen an der Haut, und auch durch austretende Gase werden die Atemwege gereizt."

Michael Hubl, Oberkommisar, Unfallkommando München

Schlimmer noch ist die Brandgefahr. Im vergangenen Oktober ging auf einer österreichischen Autobahn ein Tesla in Flammen auf. Die Fahrerin stieß gegen die Betonleitplanke, wurde nur leicht verletzt. Die Feuerwehr aber kämpfte mit 35 Mann unter schwerem Atemschutz zwei Stunden lang, da das Fahrzeug immer wieder in Brand geriet. Erst nach dem Durchtrennen der Hochvoltleitungen war es möglich, das Feuer endgültig zu löschen.

Eine "relativ hohe Brandgefahr" bei defekten Batterien beobachtet Patrick Wiedemann, Chef der Reverse Logistics Group, die sich mit brandsicheren Boxen um die Rückfuhr der beschädigten Produkte kümmert. Für komplette Autoakkus allerdings sind solche Behälter noch im Zulassungsprozess. Die Recycler sehen hier auch die Hersteller in der Pflicht, doch genau an dieser Stelle sieht Wiedemann erheblichen Nachholbedarf:

"Hier muss man leider sagen: das hat die Automobilindustrie nicht so richtig auf dem Radar, was denn mit den Batterien passiert nach dem End of life."

Patrick Wiedemann, CEO, Reverse Logistics Group, Dornach

Explodierende Nachfrage, schleppende Entwicklung

Die Nachfrage an E-Autos explodiert. Nur ein Recycling der Akkus könnte den Engpass lindern. Derzeit gehen alle Batterien, egal ob heil oder beschädigt, zu den Autoherstellern zurück. Bei BMW etwa versucht man, Recycling als integralen Bestandteil der Produktentwicklung zu verstehen. Nach mehreren Sicherheitschecks wird dafür das Hochvoltsystem abgestellt, um die Akkus zu entnehmen.

Wie sich aus den 150 Kilogramm schweren Blöcken wervollste Rohstoffe zurückgewinnen lassen, erklärt Steffen Aumann, der das Recycling & Demontagezentrum leitet: „Es gibt ja etablierte Recyclingsysteme auf Grund der Mobiltelefone und der Notebooks, die sind ausgereift, und sind auch schon sehr sehr gut, und von denen bedienen wir uns im Moment auch.“ Aber ein Handyakku ist etwas anderes als die komplette Anlage einer Autobatterie. Wie sieht es denn hier mit dem Recycling aus? Das befinde sich noch im Laborstadium, heißt es. Man entwickle da etwas gemeinsam mit der Universität Freiberg.

Amnesty International schlägt Alarm

Bis ein E-Auto wirklich ökologisch rentabel ist, muss also noch einiges passieren. Bislang ist es in der Gesamtbilanz nicht viel umweltfreundlicher als ein Benziner oder Diesel.

Zudem mahnt Amnesty International die Aukonzerne, ihre Lieferketen besser zu kontrollieren. Die Akku-Zellen enthalten neben einer ganzen Reihe anderer wertvoller Elemente auch Kobalt, und dieser Rohstoff sorgt für Ärger: Der Großteil des blauen Schwermetalls wird im Kongo unter teils menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut - auch von Kinderhänden. Die Zahl der Kinderarbeiter wird auf rund 40.000 geschätzt.