Privatisierung von Autobahnen Opfert der Bund sein Tafelsilber?

Laut „Spiegel“-Informationen plant Bundesfinanzminister Schäuble die Privatisierung des deutschen Autobahnnetzes. Damit würden kurzfristig Milliarden-Einnahmen in die Staatskasse gespült – und die Tür für eine Pkw-Maut öffnet sich schlagartig. SPD, Grüne und Linke sind dagegen.

Von: Oliver Fenderl

Stand: 12.11.2016

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Die Beispiele Telekom und Deutsche Post führt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als Paradeexemplare einer erfolgreichen Privatisierung an – und nutzt diese, um für seine neueste Idee zu werben. Deutsche Autobahnen sollen in eine Infrastrukturgesellschaft überführt werden, bei der der Bund allerdings die Mehrheit behalten würde. Damit sollen gleichzeitig zwei Probleme gelöst werden: Der Staat wäre die Verpflichtung los, andauernd für die Instandhaltung verantwortlich zu sein. Und: Die von Verkehrsminister Alexander Dobrindt geplante Pkw-Maut ließe sich wohl deutlich einfacher einführen.

Verkauf von weiterem Tafelsilber

Notwendig für diese Änderung, über die „Der Spiegel“ aus entsprechend „streng vertraulichen“ Entwurfsplänen berichtet, sei die Änderung des Artikel 90 im Grundgesetz. Damit würde der Bund zunächst die Verwaltung des Autobahnnetzes aus der Länder-Zuständigkeit herauslösen und in seine Verantwortung übernehmen. Erst dann wäre der angedachte Schritt zur Privatisierung möglich. Positive und negative Beispiele für einen privaten Betrieb des Autobahnnetzes gibt es weltweit reichlich – und auch in Bayern wurden Teilabschnitte bereits an private Betreiber übergeben.Ein sofortiges Dementi kommt vom Koalitionspartner SPD.

"Die Pläne von Herrn Schäuble werden in dieser Form nicht Realität werden, da er dafür keine Mehrheit im Bundestag hat. Die SPD will die Investitionen des Bundes besser steuern, lehnt aber eine Privatisierung der Bundesfernstraßen ab."

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol

Fraktionsvize Sören Bartol schloss eine Teilprivatisierung der Infrastrukturgesellschaft aus - auch mit Minderheitsbeteiligungen von privaten Investoren. Damit liegt er gemeinsam mit SPD-Chef Gabriel auf einer Linie, der sich mit einem kurzen Statement zu Schäubles Plänen äußerte.

"Es wird weder eine Privatisierung von Straßen noch der Bundesfernstraßengesellschaft geben."

Sigmar Gabriel, SPD-Parteichef und Vize-Kanzler

Die SPD-Vertreter stellten in diesem Zuge klar, dass "das unveräußerliche Eigentum des Bundes an Autobahnen und Straßen" im Grundgesetz festgeschrieben werden könne. Allerdings sei dies nicht gleichbedeutend damit, dass Eigentum trotzdem von privaten Betreiberunternehmen unterhalten werden darf. Die SPD vertritt in der ersten Reaktion die Ansicht, Eigentum und Betrieb der Autobahnen müsse in Staatshand bleiben.

Grüne: "Geschenk an die Finanzbranche"

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Die Grünen sehen in dem Vorhaben ein „Milliardengeschenk“ an Banken und Versicherungen. Was auf den ersten Blick untergeht, ist, dass diese als potentielle Investoren zunächst das Geld für den Anteilskauf an der Betreiber- bzw. Infrastrukturgesellschaft geben, dann aber die Projekte auf Rendite trimmen. Für die Branche ist das derzeit verlockend, weil sie ihre hohen Geldreserven aufgrund der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt derzeit nicht weiter vermehren kann. Durch einen Kauf von Anteilen dagegen ließen sich höhere Einnahmen erzielen, ohne das eigene Risiko gravierend zu erhöhen. Im Finanzministerium ist von einer „nutzerorientierten Finanzierung“ die Rede. Verfassungsrechtler sehen diese „schleichende Privatisierung“ kritisch, da nach diesem Modell am Ende der Autofahrer die Last tragen wird.