Interview mit "White Waves"-Regisseurin Inka Reichert "Wenn man beim Surfen durch Plastik paddelt, ist es einfach nicht mehr schön"

Surfen könnte so geil sein, würden nicht fünf Trillionen Plastikteile durch die Weltmeere schwimmen: Tüten, Flaschen, aber auch Wattestäbchen. Inka Reichert hat Surfer mit der Kamera begleitet, die für "White Waves" kämpfen.

Von: Matthias Kammel

Stand: 11.04.2017 | Archiv

White Waves | Bild: White Waves

Das Filmteam rund um Inka Reichert war zwei Jahre an europäischen Stränden unterwegs und hat Surfer getroffen, die gegen die Vermüllung der Meere kämpfen. Sie sind mit ihrem Bulli dafür durch Europa gereist und haben sich die Geschichten der Surfer erzählen lassen. Der Film ist letzten Sommer rausgekommen. Regisseurin Inka Reichert erzählt, was sie auf der Reise erlebt hat und was die Surfer antreibt, gegen die Vermüllung der Meere zu kämpfen.

PULS: Ihr habt vieles aus dem Meer gefischt. Was hat dich am meisten überrascht?


Inka Reichert: Am häufigsten sieht man Plastikflaschen und Tüten. Aber es hat mich erstaunt, dass man auch ganz viele Ohrstäbchen im Meer und am Strand findet. Davon sind Millionen im Meer. Das Problem decken wir auch in unserem Dokumentarfilm auf. Zum einen liegt es daran, dass die Leute das im Klo runterspülen. Zum anderen an den Kläranlagen, die teilweise nicht richtig funktionieren. Das sind Geschichten, die ich vor dem Dreh selber nicht wusste, obwohl die Wattestäbchen zu den größten Plastikverschmutzungen im Meer zählen.

Warum entwickeln ausgerechnet Surfer ein Bewusstsein für das Thema?

Surfer sind auf der Suche nach Wellen, die sowohl im Sommer als auch im Winter durch Stürme aufkommen. Dadurch sind sie nicht nur an Touristenstränden, die teilweise jeden Morgen gesäubert werden. Viele Touristen bekommen dadurch nichts von dem Problem mit. Die Surfer allerdings schon. Sie haben eine besondere Verbindung zum Meer. So entsteht der Wille, etwas dagegen zu tun. Wenn man im Wasser ist und durch Plastik paddelt, ist es einfach nicht mehr schön.

Wie ist dein Eindruck von der Surferszene? Sind Leute, die sich für die Natur engagieren, eher die Ausnahme oder ist das ein generelles Bewusstsein?

Man muss sagen, dass es viele Surfer gibt, die einfach den Sport mögen und nicht unbedingt umweltbewusst sind. Aber es gibt eine große Bewegung unter den Surfern. Es gibt auch Surfer-Umweltorganisationen, die wir für unsere Doku interviewt haben. Zum Beispiel die "Surfrider Foundation" in Europa oder auch "Surfers against Sewage" in England, die haben mittlerweile über tausend Mitglieder und organisieren auch jetzt gerade an vielen Stränden in Europa Strandsäuberungen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Auch in der Surfindustrie wird - wie in anderen Industriezweigen - damit begonnen, Finnen aus recyceltem Plastik zu produzieren. Da ist also unter den Surfern schon eine große Bewegung da.

Bringen Strandsäuberungsaktionen wirklich was oder ist das eher eine PR-Aktion?

Klar, es bringt nichts. Das wissen auch die, die das organisieren. Ich habe in Spanien mit Oscar Garcia gesprochen, der die Organisation "Coge Tres", also "Nimm drei" gegründet hat. Da soll man jedes Mal, wenn man an den Strand geht, drei Plastikteile mitnehmen. Aber er sagt selber, dass die Organisation das Projekt hauptsächlich macht, damit die Leute sehen, was überhaupt an Plastik und Müll am Strand liegt. Oft geht man an einen Strand und er wirkt sauber, aber wenn man genauer hinschaut, sieht man, was alles angeschwemmt wird oder im Meer treibt. Die Aktionen sind also da, um ein Bewusstsein zu schaffen. Denn selbst wenn man einen Strand gesäubert hat, bringt die Strömung über Nacht das Doppelte an Müll wieder zurück.

Was wären dann wirklich effektive Maßnahmen, damit die Meere sauberer werden?

Ich selber bin durch die ganze Recherche und die Gespräche mit Wissenschaftlern, Surfern und Experten der Plastikindustrie für den Dokumentarfilm zu dem Schluss gekommen, weniger zu konsumieren. Umso weniger ich konsumiere, desto weniger kann in der Natur landen. Unsere Protagonisten sehen das auch so. Aber damit das wirklich funktionieren kann, fehlt es an Aufklärung. Als ich vor fünf Jahren nach Spanien gezogen bin, war es unmöglich, dass sie mir im Supermarkt keine Plastiktüte in die Hand drückten. Die Verkäufer haben nicht verstanden, warum ich damit ein Problem habe. Mittlerweile hat sich das verändert. Generell fehlt es aber noch bei den Kindern an der Aufklärung. Aber sobald das Bewusstsein da ist, kann das, glaube ich, auch wirklich etwas verändern.

Den Film kann man auf www.whitewaves.eu leihen und kaufen.

Sendung: Filter vom 11.April ab 15 Uhr