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Urban Art im Festivalsommer Warum Musikfestivals auf Kunst setzen

Auf Musikfestivals sieht man auch immer mehr visuelle Kunst. Wieso denn da? Und wer profitiert davon? Wir haben Künstler und Organisatoren gefragt.

Von: Caroline von Eichhorn

Stand: 06.07.2015 | Archiv

Art Village, Art Ville, Urban Art Container, Art Stalker. So heißen sie, die Art-Events auf Musikfestivals, auf denen Sprayer, Maler und Bildhauer abseits der Mainstage ihre Kunst zeigen. Und davon findet man in den letzten Jahren immer mehr. Warum ist das so? Ein Künstler, ein Festivalorganisator und ein Galerist stehen uns Rede und Antwort.

Il-Jin Atem Choi: "Ich finde Sponsoring okay"

Il-Jin Atem Choi ist bildender Künstler und Graffiti-Künstler. Er lebt in Frankfurt am Main. Er hat beim Berlin Festival Kunst gemacht. Unter anderem hat er vor zwei Jahren die Church of Phonk mitgebaut - eine schrille Kirche, in der die Kunst mit Klobürstensegnungen gefeiert wird.

Was fasziniert dich daran, als Künstler auf einem Musikfestival mitzuwirken?

Diese Art Villages, das sind immer so kleine Gesamtkunstwerke, was ich fantastisch finde. Dass sozusagen ein Künstler und seine Arbeit wie ein Rädchen in die Arbeit von einem anderen Künstler eingreift und so zu einem großen Ganzen wird. Also eigentlich macht eine Art Village das, was eine gute Ausstellung machen muss.

Aber ist die Kunst auf Festivals eigentlich noch Kunst oder eher Deko für die Musik?

Eindeutig Kunst. Und dass sie sozusagen auch eine Funktion hat, das muss die Kunst aushalten. Oder damit arbeiten. Eine Funktion schließt Kunst nicht aus.

Häufig sind auch Sponsoren dabei, wie beim Berlin Festival dieses Jahr Modulor. Nervt es dich, wenn Sponsorenlogos rund um dein Kunstwerk platziert sind?

Es kommt darauf an. Es ist eine Stilfrage. Ich finde Sponsoring okay, wenn es dezent und stilvoll ist. Modulor hat es auf dem Berlin Festival voll okay gemacht. Der Kurator Jan Karge hat das gut konzipiert. Manche anderen Firmen übertreiben es eindeutig und oktroyieren das ganze Festival für ihre eigenen Zwecke. Das ist dann schlechter Stil.

Stefan Lehmkuhl: "Kunst trägt zum Wohlfühlen bei"


Stefan Lehmkuhl ist beim Melt! Festival, Lollapalooza und Berlin Festival für das Booking zuständig. Auf diesen Festivals sorgt er dafür, dass das musikalische Lineup durch visuelle Kunst ergänzt wird.

Warum gibt es in den letzten Jahren so viel Kunst auf Musikfestivals?

Die Leute sollen sich natürlich vor Ort wohlfühlen. Das ist schöner, wenn man nach einem Bandauftritt beim Rumlaufen auch Sachen entdecken kann. Kunst trägt so gesehen zum Wohlfühlen immens bei. Da erlebt man was, worüber man noch genauso lange spricht wie über die Bands - wenn es gut gemacht ist.

Lohnt es sich für einen Festivalbetreiber finanziell, Kunst mit ins Programm zu nehmen?

Früher hätte man gesagt: Kunst verkauft uns keine Tickets. Kunst ist nichts, was zum Funktionieren einer Musikveranstaltung zwangsweise notwendig ist. Aber die Kunst trägt zum Gesamtpaket bei. Insofern wird es immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit; trotzdem gibt es auch noch das reine Musikfestival, wo es unterm Strich nur um die Musik geht.

Häufig wird Kunst mit Sponsoring kombiniert. Werden Festivals damit nicht zu sehr kommerzialisiert?

Wenn wir Sponsoreneinnahmen nicht hätten, müssten wir die Ticketpreise nach oben anpassen. Rein über Ticketverkäufe und gastronomische Einnahmen lassen sich große Festivals nicht finanzieren. Kunst bietet die Möglichkeit, stilvolles Sponsoring unterzubringen. Wenn etwa Staedtler beim Berlin Festival Mal-Materialien sponsert und Masken verteilt, dann gefällt das den Leuten. Aus meiner Sicht ist das kein störendes Sponsoring. Sondern eines, von dem alle was haben.

Christian Utz: "Kunst muss dahin, wo viele Leute sind"

Christian Utz ist Leiter der MUCA Galerie und Geschäftsführer der Urban Art Organisation GmbH. Seine Mission: München moderner zeigen - unter anderem mit Kunst auf Musikfestivals. Die Galerie hat auf dem Rockavaria und dem Organic Dance einen Kunst-Container aufgestellt.

Was hat eine Galerie davon, wenn sie Kunst auf Musikfestivals ausstellt? Junge Leute kaufen doch kaum Kunst.

Das stimmt, es ist damit kein Geld zu verdienen. Aber es ist ein Stück weit Marketing für die Kunst. Für uns steht der Auftrag im Vordergrund: Die Kunst ist für jedermann da. Von daher bringen wir Kunst dahin, wo viele Leute sind und vor allem auch dahin, wo es nicht jeder erwartet. Da ist ein Rockfestival, wo eigentlich die Black Cloth Headbangers unterwegs sind, natürlich eine ideale Plattform, um Leute zu überraschen.

Welche Art von Kunst passt Ihrer Meinung nach auf ein Rockfestival?

Auf dem Rockavaria hatten wir L.E.T. - Les Enfants Terribles - dabei, einen deutsch-französischen Stencil-Artist. Er hat live vor Ort ein kleines Mädchen gezeichnet: mit Maske in der Hand und - in Anlehnung an Kiss - mit sehr diabolischen Augen. Das ist ein Werk, das toll zum Setup gepasst hat.

Wie haben die Festivalbesucher des Rockavaria auf die Kunst reagiert?

Positiv. Das war die Überraschung. Wir waren nervös. Gerade bei Rockavaria. Wird es vielleicht zu rabiat? Unser Kunstcontainer, ich glaube das kann ich ganz unverblümt sagen, war sicherlich das meistfotografierte Motiv auf dem ganzen Festival. Wir hatten Leute, die tatsächlich zu uns kamen und gesagt haben: Hey, wir haben gehört hier ist eine Ausstellung im Container. Hängt da tatsächlich richtig Kunst? Die Leute waren enorm offen.


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