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Kommentar zum Münchner Semesterticket Was darf Solidarität kosten?

Das Münchner Semesterticket steht auf der Kippe. Noch bis zum 9. November kann darüber abgestimmt werden, ob es die Fahrkarte auch in Zukunft geben soll. Die Antwort ist klar, möchte man meinen. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Von: Miriam Harner

Stand: 02.11.2016 | Archiv

MVV Semesterticket  | Bild: BR

Was in anderen bayerischen Städten schon seit gefühlt 100 Jahren Standard ist, ist in München ein ewiger Kampf - es geht um das Semesterticket für Studenten. Nach jahrelangem Ringen wurde es zum Wintersemester 2013/2014 eingeführt, damals noch als Pilotprojekt und mit finanzieller Unterstützung der Stadt. Dadurch sind die Preise auch relativ stabil geblieben. Das Projekt ist zwar ausgelaufen, das Studentenwerk hat das Semesterticket aber nach ewigen Verhandlungen mit den Münchner Verkehrsbetrieben (MVV) im September gerettet. Soweit die gute Nachricht.

Allerdings gleicht das Angebot des MVV für viele Studierende einem schlechten Scherz. Denn die Verkehrsbetriebe haben gesagt: Ohne Preiserhöhung könnt ihr euch das Ticket abschminken! Und die ist saftig: Für das Sommersemester 2017 und für das Wintersemester 2017/18 soll die IsarCard Semester 259,50 Euro kosten. Und natürlich behält sich der MVV auch künftig vor, die Preise jedes Jahr anzupassen. Zum Vergleich: Das Ticket ist vor drei Jahren mit einem Preis von 200 Euro an den Start gegangen.

Ganz schön dreist

Das ist schon ziemlich dreist vom MVV, wurde das Ticket doch als riesiger Erfolg gefeiert, weil es 75 Prozent der Studenten in Anspruch nehmen. Dabei hieß es zu Beginn, dass nur 70 Prozent der Studierende das Semesterticket kaufen müssen, damit keine Verluste für den MVV entstehen.

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Und die Studenten der LMU, TU und Hochschule München müssen jetzt online entscheiden, ob sie sich auf diesen Deal einlassen oder nicht. Wer jetzt glaubt, dass mehr Geld auch mehr Leistung bedeutet - nicht wirklich, sorry. Anders als zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, wo man mit seinem Semesterticket für den gleichen Preis im ganzen Bundesland rumgurken kann, reicht’s in München grad so zum Flughafen.

Klar, für Münchner Verhältnisse ist es immer noch spottbillig, für 260 Euro ein halbes Jahr im gesamten Verkehrsnetz rumfahren zu können. Aber der Preis lohnt sich halt trotzdem nicht für jeden. Das Semesterticket ist zum Beispiel teurer als der Ausbildungstarif II für Ring 1 bis 2, der vielen Studenten ausreicht. Jeder Student muss jetzt selber entscheiden, ob sich das Ticket für ihn rentiert. Auf der Homepage von Semesterticket München gibt es einen Tarifrechner, der einem sagt, ob man am Ende mit dem neuen Ticket nicht vielleicht sogar draufzahlt.

"Es war von Anfang an klar, dass es Studierende gibt, die zum Beispiel nah bei der Uni wohnen, für die sich das nicht rechnet. Deswegen ist es eben ein Solidarmodell, das bedeutet, dass manche mehr und manche weniger profitieren. Wer wirklich sagt, ich möchte das nicht, kann ja auch dagegen stimmen. Es ist nur so, dass er dann egoistisch denkt, das ist sein gutes Recht."

Pressesprecher vom Studentenwerk München, Ingo Wachendorfer

Eine miese Zwickmühle

Es gibt eben viele Studierende, die ewig lange zur Uni fahren müssen, zum Beispiel in den Münchner Norden nach Garching raus. Dafür müssen sie richtig viel Geld lassen.

Bei der Abstimmung stecken viele echt in einer Zwickmühle: Stimmen sie gegen das Semesterticket, war der jahrelange Kampf ums Ticket umsonst und viele Kommilitonen müssen wieder mehr für ihre Fahrt zur Uni hinblättern. Stimmt man aber dafür und zeigt sich solidarisch, gibt man dem nimmersatten MVV das, was er will: Mehr Kohle für gleiche Leistung. Egal, wie das Ergebnis der Urabstimmung am Ende aussieht, die Verlierer stehen jetzt schon fest: die Münchner Studenten.


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