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Ruhmeshalle Kyuss - ...And The Circus Leaves Town

Was Nirvana für die Grungekids, waren Kyuss für die Stoner-Rock-Fans. Sie definierten ein Genre und lösten sich viel zu früh auf. Das einzig Gute am Ende von Kyuss: Es ebnete den Weg für eine Band, die heute ähnlich legendär ist.

Von: Bettina Dunkel

Stand: 30.09.2013 | Archiv

Pressebild der Band Kyuss | Bild: Electra

Manche Momente im Leben gehen dir durch Mark und Bein. Einer davon ereignet sich Mitte der Neunziger in Franken. Ich, das Landei vom Dorf, betrete erstmals den schummrigsten Indieclub Nürnbergs: die Lizard Lounge. Neugierig, aber schüchtern klammere ich mich an mein Bierglas und beobachte das Treiben in der wohnzimmergroßen Dunkelkammer. Bis sich plötzlich eine geradezu halluzinogene Melodie in mein Ohr schlängelt.

Aufhören, wenn man ganz oben ist

Zum Wimmern der einsamen Gitarre füllt sich die Tanzfläche mit Leuten, die nur auf dieses Stück gewartet haben. Anfangs wirken alle wie in Trance. Dann entwickelt sich der Song zum schweißtriefenden Monster. Und in der Clubmitte ist die Hölle los. Die Haare fliegen, die Gliedmaßen auch. Nicht moshermäßig, sondern irgendwie zeitlupenartig und elegant, fast wie aus dem Raum-Zeit-Gefüge gefallen. Wie ein hypnotisiertes Kaninchen stehe ich am Tanzflächenrand und denke: "Alter! Was zum Teufel ist das?!"

Der Wüstenvoodoo, der mir dumpf durch den Magen wummert, stammt von Kyuss. Der Song, der wie zähe Lava durch meine Gehörgänge fließt und schließlich im Großhirn explodiert, heißt "El Rodeo". Und als ich ihn das erste Mal höre, ist die Band bereits Geschichte. Denn "El Rodeo" ist ein Song von ihrem letzten Album. Sein pragmatischer Titel: "...And The Circus Leaves Town". Drei Monate nach der Veröffentlichung trennen sich Kyuss: Sie haben keine Lust mehr auf den Affenzirkus. Was ich nullstens verstehe. Denn das Album ist großartig.

Psychedelische Gitarrenbretter und viel Bass

Es ist die Quintessenz dessen, was man damals als Stoner Rock feiert: Psychedelische Gitarrenbretter, die sich am frühen 70er-Jahre-Hardrock von Bands wie Black Sabbath bedienen und ihn mit mächtig viel Bass in die Neunziger beamen. Kyuss prägen diesen Sound mehr als jede andere Band. Sie sind bis heute die unangefochtenen Götter des Stoner Rock. Mit jedem Album definieren sie das Genre weiter. Und schaufeln gleichzeitig am eigenen Grab. Denn der Stempel Stoner Rock passt ihnen gar nicht. Also lösen sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere auf.

Viele behaupten, dass "...And The Circus Leaves Town" lustloser klingt, als die wuchtigen Vorgängeralben. Aber das ist Quatsch. Nur weil es ruhiger und melodischer ist, ist es nicht weniger episch. Es ist sogar besser. Denn es ist die perfekte Schnittstelle des Kyuss-Sounds: Wem die härtere Gangart gefällt, sollte Wurzelforschung betreiben, sich durchs komplette Kyuss-Oeuvre hören und so herausfinden, von wem Bands wie die Foo Fighters oder The Mars Volta beeinflusst sind. Wem der melodische Ansatz mehr taugt, hat wahrscheinlich schon längst die Band von Ex-Kyuss-Gitarrist Josh Homme für sich entdeckt: die Queens Of The Stone Age. Und die sind ja mittlerweile eine Legende für sich. Denn Riffs wie bei "El Rodeo" findet man dort zuhauf.


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