Tracks der Woche #49/18 Kakkmaddafakka, Kelvyn Colt, Cherry Glazerr, L’impératrice feat. Lomepal, ooi

Die Tracks der Woche ziehen blank: Nacktbaden im See, zweimal Seelenstriptease, ein neues Gewand für eine entblößte Stimme und Enthüllungen bei Vollmond.

Von: Sophie Kernbichl

Stand: 29.11.2018 | Archiv

Tracks der Woche 49/18 | Bild: Ruben Neese, Yassine Taha, PE Testard, Mat Maitland, Pamela Littky

Kakkmaddafakka – Naked Blue

Die neue Single "Naked Blue" von Kakkmaddafakka wurde laut Sänger Axel Vindenes von einem Erlebnis in Bayern inspiriert, als er dort mit einem Mädchen in einem kleinen See Nacktschwimmen war. Ob uns der gewiefte Norwege da nur eine Story erzählt hat oder ob es wirklich so war, wissen nur er und das Mädchen. Ohne Zweifel aber ist "Naked Blue" so erfrischend wie ein Badeausflug im Sommer. Kakkmaddafakka sind ja bekannt für schwungvolle Indie-Nummern, die sich nicht zuletzt wegen den ansteckenden Mitsing-Refrains hervorragend live umsetzen lassen. "Naked Blue" passt mit dem leichten Gitarrenriff und den Klavierpassagen sicherlich auch in dieses Raster, ist aber trotzdem etwas zurückhaltender als frühere Reißer wie "Restless". Man munkelt, dass da tatsächlich ein kleiner Soundwechsel ansteht. Der soll sich dann auf dem neuen, fünften Album entfalten, an dem die Band bereits seit einiger Zeit arbeitet.

Kelvyn Colt – Love&Hate

Liebe und Hass. Okay, zugegeben, der Titel klingt erstmal etwas schwammig. Aber das kann man von Kelvyn Colt als Künstler generell absolut nicht behaupten. Der Typ ist längst kein Unbekannter mehr, weil er mit krasser Präzision arbeitet und seine Lines eine hohe Treffsicherheit haben. So auch auf "Love&Hate", wo er sehr ehrlich über Depressionen und Selbstmord rappt. Gerade im Rap ist es nicht alltäglich, so viel Verletzlichkeit zu zeigen, weil es gegen den gängigen, hypermaskulinen Habitus verstößt. Kelvyn Colt ist natürlich nicht der Erste, der sich zu diesem Thema äußert. Aber statt auf Trap-Beats beiläufig von halb ernst gemeintem Xanax-Konsum zu rappen, spricht Kelvyn die tatsächlichen Hintergründe an und wählt mit seinem Vergleich zu Kurt Cobain ganz bewusst eine der tragischsten Figuren der Musikgeschichte. Man hört der rauen Stimme des Rappers die Emotion an – besonders, wenn sie an ihre Grenzen stößt.

Cherry Glazerr – Daddi

Dieser Song ist wohl der gemachte Daddy-Issues-Soundtrack. Auf "Daddi" holt Frontfrau Clementine Creevy mit gehauchter Stimme zu diversen Themen den Rat ihres 'Daddi' ein – und da wird’s zwischendurch ganz schön anrüchig. Dann aber die Wendung: Im nächsten Part wendet sich die Sängerin nämlich gegen die vermeintliche Vaterfigur. Musikalisch unterstützt bei ihrer Entwicklung wird der atemlose Gesang von forschen Gitarren und unruhigen Drums. Der Track lebt von diesem Spiel aus Anziehung und Zurückweisung, den Tempo- und Lautstärkewechseln. "Daddi" ist die erste Single aus dem bald erscheinenden Album "Stuffed & Ready" und klingt poppiger als man es von Cherry Glazerr kennt. Von ihrem letzten Album "Apocalipstick" ist man von den Kaliforniern eher Garage-Rock-Sound gewohnt. Aber gerade die unschuldige Instrumentierung in Kombination mit den Lyrics macht "Daddi" zu so einem wirkungsvollen Song.

L’impératrice feat. Lomepal – LÀ-HAUT

Vergesst Sissi von Österreich, hier kommt die wahre Kaiserin! Und zwar in Form der fünfköpfigen Gruppe l’impératrice aus Paris. Die haben beim Komponieren ihrer Songs sicher mindestens so viel Spaß wie die liebe Sissi beim Ausritt in die Natur. Ihr Sound ist ein ganz bezauberndes Potpourri aus Disco, Synth-Pop und elektronischen Einlagen. Das Ergebnis klingt rund, aber nicht ausgelutscht. Für ihre neue Single "LÀ-HAUT" hat L’impératrice-Sängerin Flore Benguigui das Mikrofon an Landsmann Lomepal abgegeben – und auch das funktioniert wunderbar. Französischer Sprechgesang hat ohnehin eine ganz eigene Coolness. Der Track baut auf einem Song von Lomepal namens "Achille" auf, die Wirkung aber ist jetzt eine ganz andere: Ein softes Klackern und dezenter Synthie stellen das Musikbett auf "LÀ-Haut", was den Versen etwas an Schärfe nimmt und den Refrain in versöhnliches Ambiente taucht – spätestens dann, wenn dann doch noch die zarte Stimme von Flore Benguigui dazukommt.

ooi – Tooth

Das Internet bringt die Menschen zusammen. Nicht nur in Foren, wo man Diskussionen über unnützes Wissen a la ‚Woher hat der Joker aus Batman seine Narben im Gesicht?‘ führen kann. Auch in der Musikwelt spielen die Online-Möglichkeiten eine große Rolle. Zum Beispiel bei den Newcomern ooi: die drei Mitglieder leben in Japan, Deutschland und Italien. Anstatt sich zur Bandprobe in irgendeinem miefigen Keller zu treffen, skypen sie täglich und schicken sich Songausschnitte hin und her. Mit viel Geschick werden diese Schnipsel dann zu elektronischen Tracks arrangiert. Ein besonders gelungenes Exemplar ist die Single "Tooth", die gerade zu Beginn mit ihrem funky Discosound ein bisschen an MGMT oder Tame Impala erinnert. Da passt auch die hohe Stimme von Sänger Nicolai Zettl gut ins Konzept. Mittlerweile haben ooi genug Tracks in der Hinterhand, um bald ihre Debütplatte zu veröffentlichen. Wir tippen, dass das Releasedatum auf einen Vollmond fallen wird. Bisher haben ooi nämlich alle ihre Singles an Neumond rausgeschickt.

Sendung: Freundeskreis, 03.12.2018 - ab 10.00 Uhr