Wer mit seinem Gas- oder Stromversorger nicht mehr zufrieden ist – zum Beispiel wegen zu hoher Preise – muss sich das nicht gefallen lassen, sondern kann einfach den Anbieter wechseln. Bei Fernwärme ist das im Normalfall nicht möglich. Denn es handelt sich dabei um ein "natürliches Monopol": Am Ort gibt es in aller Regel nur ein Fern- oder Nahwärmenetz und nur einen Anbieter. Umso wichtiger ist nach Ansicht von Verbraucherschützern eine starke staatliche Regulierung für den Fernwärmemarkt. Die entscheidende Verordnung stammt jedoch im Wesentlichen noch aus den 1980er-Jahren und müsste laut Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in mehreren Punkten dringend reformiert werden.
Wie berechnet sich bei Fernwärme der Preis?
Die Entwicklung des Fernwärmepreises richtet sich nach einer Formel, die je nach Anbieter unterschiedlich ist. Darin enthalten ist normalerweise eine Kombination aus verschiedenen Indizes, die anteilsmäßig in die Preisentwicklung eingehen. Das kann beispielsweise der Gaspreis an der Börse sein, ein Gaspreisindex des Statistischen Bundesamts, der Ölpreis, der Holzpreis, der Preis für Investitionsgüter oder der allgemeine Verbraucherpreisindex.
Je nach Entwicklung der Indizes zieht dann auch der Fernwärmepreis nach – mit einer gewissen Verzögerung. Teilweise wird der Preis vierteljährlich angepasst, in anderen Fällen nur alle zwei Jahre. Je seltener der Preis neu gebildet wird, desto größer können Preissprünge sein.
Wo liegt das Problem, wenn der Fernwärmepreis indexiert ist?
Die Fernwärmeanbieter haben eine große Freiheit bei der Auswahl der Indizes, die sie ihren Preisen zugrunde legen. Laut Verbraucherzentrale Bundesverband ist vor allem eine Orientierung am Börsenpreis für Erdgas problematisch, da die Wärmeversorger normalerweise durch einen gestaffelten Vorab-Einkauf von Gas geringere Kosten haben, als die sprunghaften Börsenpreise anzeigen.
Auch preisdämpfende Wärmequellen wie Abwärme oder Müll seien in den Formeln teilweise nicht abgebildet. Die Forderung der Verbraucherschützer: Die Preisformel soll die tatsächlichen Kosten für die Erzeugung der Fernwärme möglichst genau abbilden, und das muss auch kontrolliert werden.
Wer kontrolliert die Fernwärmepreise?
Bisher gibt es laut den Verbraucherzentralen keine funktionierende Preisaufsicht. Anders als bei Strom und Gas ist die Bundesnetzagentur bisher nicht zuständig. "Hier sehen wir wirklich eine Lücke", so Florian Munder, Fernwärmeexperte beim VZBV. Kundinnen und Kunden, die sich bei ihrem Fernwärmepreis übervorteilt sehen, bleibe schlussendlich nur der langwierige Gang vor Gericht.
Der VZBV etwa führt derzeit zwei Sammelklagen gegen die Fernwärmeunternehmen Eon und Hansewerk Natur. Sie hatten in Versorgungsgebieten außerhalb Bayerns den Fernwärmepreis zwischen 2020 und 2023 um mehrere hundert Prozent erhöht. Weil es in den letzten Jahrzehnten so viele Gerichtsverfahren um Fernwärme gab, ist die Rechtslage inzwischen laut einem Gutachten im Auftrag des VZBV auch ziemlich unübersichtlich, weil sehr viele mögliche Präzedenzfälle zu beachten sind.
Was ist mit der Transparenz der Fernwärmepreise?
Die jeweilige Preisformel muss der Fernwärmeanbieter zumindest veröffentlichen, hier hat 2022 eine kleinere Anpassung der "Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme" laut VZBV bereits Verbesserungen gebracht. Es gebe jedoch immer noch Luft nach oben.
Was fast gänzlich fehlt, ist eine bundesweite Übersicht, um Fernwärmepreise zu vergleichen. Die Verbraucherzentralen haben eine Studie zur Marktbeobachtung erstellen lassen, hier waren jedoch nur Stichproben möglich. Eine umfassende Datenbank, ähnlich den Vergleichsportalen für Strom, fehlt.
Wie groß sind die Unterschiede bei Fernwärmepreisen?
Die Unterschiede bei den Preisen sind sehr groß. Das lässt sich jedoch in vielen Fällen durchaus sachlich begründen. Denn je nach den Verhältnissen vor Ort können die tatsächlichen Gestehungskosten für die Fernwärme stark voneinander abweichen. Kompakte Netze müssen weniger Leitungskosten umlegen als weit verzweigte. Wo Abwärme verfügbar ist, geht es billiger als in Netzen, die noch auf Erdgas angewiesen sind. Trotzdem könnte eine bundesweite Übersicht dazu führen, dass Anbieter zumindest besser erklären müssen, wie ihr Preis zustande kommt.
Bei der Markterkundung der Verbraucherzentralen in großen Städten war der Fernwärmepreis im teuersten Fall jeweils zwischen doppelt und dreimal so hoch wie im günstigsten Netz. Die Stadtwerke München, die als bayerisches Beispiel betrachtet wurden, bewegten sich preislich im Mittelfeld.
Was passiert jetzt für mehr Verbraucherschutz?
Die Bundesregierung will die Fernwärme-Verordnung noch in diesem Jahr reformieren, um mehr Verbraucherschutz zu gewährleisten. Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) teilte vergangene Woche mit, die Monopolstruktur der Fernwärme dürfe nicht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen: "Deshalb braucht es starke Verbraucherschutzregelungen und eine effektive staatliche Aufsicht, um Transparenz, faire Bedingungen und angemessene Preise zu gewährleisten."
Auch das Ministerium des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck arbeitet an der Novelle. Habeck kündigte auf einem Fernwärmekongress an, dass es künftig eine bundesweite Transparenzplattform und eine Schlichtungsstelle für Fernwärme geben soll. Der Fernwärmeverband AGFW stimmt beiden Vorhaben zu. Die Branche will jetzt auch aus eigener Initiative bis Mitte des Jahres bundesweite Transparenzdaten im Netz zur Verfügung stellen.
An einer Lösung, mit welchen Indizes die Preisentwicklung bei der Fernwärme künftig sinnvollerweise verknüpft werden kann, will Habeck gemeinsam mit der Branche noch suchen. Klar ist laut Habeck jedoch: "Wir werden hier Standards vorgeben für die Erstellung von Preisänderungsklauseln."
Erklärtes Ziel dabei ist laut Habeck, von der Koppelung der Fernwärmepreise an fossile Energien wegzukommen. Dies sei einerseits wichtig, weil der Gas-, Öl- und Kohlepreis durch den steigenden CO₂-Preis künftig immer weiter steigen werde. Andererseits auch sachgerecht, weil die Fernwärmequellen in den nächsten Jahren ohnehin dekarbonisiert werden müssen.
Im Video: Energie: Noch viele Hürden für die Geothermie
Dieser Artikel ist erstmals am 12. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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