Die Wirtschaft ist nach dem Einbruch in der Corona-Krise auf Erholungskurs und wächst, doch gleichzeitig steigt auch die Inflation - das heißt, viele Güter werden teurer. Angetrieben vom russischen Krieg in der Ukraine und anziehenden Energiepreisen ist die Inflationsrate auch im September gestiegen, auf zehn Prozent, in Bayern sogar auf 10,8 Prozent. Dadurch sinkt erst einmal die Kaufkraft. Was Inflation bedeutet, wie sie entsteht und was dagegen wirkt - die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist Inflation?
Die Hausfrau klagt über teurer werdende Mogelpackungen, der Hausmann macht selber den Ölwechsel oder kauft einen Haarschneider, um den Friseur zu sparen, der Bauherr verschiebt die Grundsteinlegung, weil sich die Preise für Bauholz verdreifacht haben, die bayerische Polizei beklagt einen rasanten Anstieg von Kupferdiebstahl, nachdem das Buntmetall über ein Drittel teurer geworden ist: Alles Anzeichen für einen Kaufkraftverlust des Geldes über die Zeit, das Anschwellen der Güterpreise auf breiter Front – also das, was wir üblicherweise als "Inflation" bezeichnen.
Steigen die Preise weniger als die Einkommen, ist das kein Problem. Kommt die Inflation jedoch unerwartet, werden die Geldbesitzer unruhig. Verfestigt sich der Preisauftrieb, will jeder sein Geld in Güter oder Dienstleistungen tauschen, bevor diese noch teurer werden. Ein Teufelskreis beginnt, die Inflation beschleunigt sich, Papiergeld wird wertloser, Anleger flüchten in Sachwerte.
Übrigens: Selbst große Preissprünge einzelner Güter oder Dienstleistungen sind noch kein hinreichender Indikator für "Inflation". Wer Anfang Februar 2022 in Deutschland eine Gurke gekauft hat, musste dafür ungewöhnlich viel Geld zahlen. Mit 1,35 Euro erreichte der Durchschnittspreis für eine Salatgurke einen neuen Rekordstand. Ähnlich viel mussten Verbraucher zuletzt Ende 2016 bezahlen, als die Gurke kurzzeitig 1,32 Euro kostete. Der Unterschied: 2016 betrug die Verbraucherpreisinflation in Deutschland sagenhafte 0 Prozent, für das Gesamtjahr 2022 prognostiziert das Münchner ifo Institut jedoch 8,1 Prozent. Das Gurken-Beispiel zeigt: Preissteigerungen einzelner Güter und Dienstleistungen und Inflation sind nicht das Gleiche.
Gab es Inflation schon immer?
In der historischen Rückschau ist Inflation keine Ausnahme, sondern der Regelfall. Phasen der Geldentwertung sind seit der Antike belegt, Deutschland erlebte 1923 sogar eine Hyperinflation, Zimbabwe oder Venezuela sind aktuelle Beispiele.
Schon 1750 schrieb der italienische Ökonom Ferdinando Galiani über "natürliches Münzgeld aus Gold und Silber", das wertvoller sei als Papiergeld, dessen Wert vom öffentlichen Wohlwollen und Vertrauen abhänge.
"Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen" - so hat Ludwig Erhardt, als politischer Ziehvater des deutschen Erfolgsmodells "Soziale Marktwirtschaft" bekannt, den Grundkonsens seiner Generation ausgedrückt. Noch zu frisch waren die schlimmen Erfahrungen mit der Hyperinflation und dem Untergang der Weimarer Republik. Doch das ist lange her.
Wie entsteht Inflation?
Obwohl die Experten immer noch im Detail streiten, gelten folgende Erkenntnisse als gesichert:
Inflation hat immer etwas mit der Geldmenge und der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu tun. Das bedeutet, die "Geldmacher" - also gemeinhin die Zentralbanken der Staaten - und die "Geldnutzer" - also Konsumenten, Unternehmen und der Staat - sind an inflatorischen Prozessen beteiligt. Oder umgekehrt formuliert: In einer reinen Naturaltauschwirtschaft kann es unter natürlichen Knappheitsbedingungen keine Inflation geben.
Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Beispielen, was oder wer Inflation und Preise beeinflusst: etwa Rohstoffknappheit in der sogenannten "Ölkrise" der 1970er-Jahre. Oder Lohn-Preis-Spiralen wie in der Bundesrepublik am Ende der Ära Brandt. Oder Überschuldung von Staaten, wie sie heutzutage weltweit zu beobachten sind.
Nützlich ist auch die Unterscheidung zwischen Güterpreis-Inflation und Inflation der Vermögenspreise. So sind etwa die Preise von Aktien und Immobilien seit 2005 um 73 Prozent teurer geworden, während die Preise für Waren im Supermarkt vergleichsweise moderat angestiegen sind.
Wie wird Inflation gemessen?
In Deutschland berechnet das Statistische Bundesamt - wie andere nationale Statistikämter der Europäischen Union auch - zwei Verbraucherpreisindizes: den HVPI und den nationalen Verbraucherpreisindex (VPI).
Der VPI wird als Maßstab für die allgemeine Teuerung in Deutschland genutzt, darüber hinaus dient er vor allem der Wertsicherung langfristiger Zahlungsvereinbarungen, wie etwa Miet- oder Unterhaltszahlungen. Kritiker hadern aber mit dem offiziellen Warenkorb. Sowohl Zusammensetzung als auch Gewichtung der einzelnen Waren und Dienstleistungen innerhalb des Warenkorbs spiegeln nicht immer den realistischen Bedarf wider.
Insbesondere die Finanzmarktprofis und Unternehmer sind aber auf korrekte Inflationsprognosen angewiesen. Sie behelfen sich mit der sogenannten "Breakeven-Inflationsrate". Sie gibt die Inflationsrate an, die z.B. die Käufer von Staatsanleihen einer Währung für die nächsten 10, 20 oder 30 Jahre erwarten. Diese erwartete Inflation ist bereits in den Marktzinsen eingepreist und kann also auch keinen Schaden für Kreditnehmer oder Sparer anrichten.
Wie wird Inflation bekämpft?
Den Schlüssel, um Inflation zu bekämpfen, haben die Zentralbanken der Staaten in der Hand. Die herrschende Meinung unterstellt, dass eine Zentralbank mit hoheitlichem Geldausgabemonopol das unerwartete Anziehen der Inflationsrate genauso verhindern kann wie das Gegenteil (eine schädliche Deflation, bei der jeder glaubt, dass morgen alles noch billiger wird, Unternehmen Preise senken müssen, Kunden weniger Güter kaufen und somit Produktion und Konsum einbrechen).
Deshalb dürfen Zentralbanken Zinsen regulieren, Geld aus dem Nichts schaffen und – wie die Europäische Zentralbank es gerade tut - Staaten sogar durch Anleihekauf finanzieren.
Ist eine galoppierende Inflation erst mal da, müssen die Zentralbanken rasch auf die Bremse treten, Anleihekäufe zurückfahren, die Geldflut beenden, die Leitzinsen erhöhen und damit Kreditnachfrage und Geldschöpfung verringern. Theoretisch ist das klar, aber in der Praxis tut das dem verschuldeten Staat (als Hauptprofiteur der Inflation) besonders weh.
- Zum Hintergrund "Galoppierende Inflation, Hyperinflation: Wo stehen wir?"
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