In der Ukraine reift zu wenig Weizen für die Welt. Das ist die Kernbotschaft der BayWa Tochter Vista, einer geowissenschaftliche Forschungsfirma, die zahlreiche Satellitenbilder aus der Ukraine ausgewertet hat. Nach Berechnungen der Firma reifen derzeit rund 22,5 Millionen Tonnen Weizen auf den Feldern in dem Land. Das sind 17 Prozent weniger als im Durchschnitt der vergangenen vier Jahren.
Ernteausfälle in einigen Regionen ohne Kämpfe höher als anderswo
Das hat nicht nur mit dem russischen Angriffskrieg zu tun, wie Vista-Geschäftsführerin Heike Bach bei einer Präsentation ausführte. Denn die Bilder zeigen, dass in einigen Regionen, in denen keine Kämpfe toben, die Ernteausfälle höher sind als in anderen Gebieten.
Die Forscher haben analysiert, woran das liegen könne. "Wir haben gerechnet, wie die Wasserversorgung in der Ukraine für die Pflanzen ist", erklärte Bach. Entsprechend sei eine Simulation des Trockenstresses in dem Land entstanden.
Anhand der Simulation zeige sich, dass die Einbußen durch die Trockenheit bedingt seien. Jetzt gebe es zehn Millionen Tonnen weniger Ertrag als im vergangenen Jahr, das ein starkes Jahr gewesen sei. "Also die Natur spielt immer noch eine Rolle", erklärte Bach.
Daten sollen helfen, Ressourcen gut einzuteilen
Vista stellt die Daten unter anderem dem ukrainischen Landwirtschaftsministerium zur Verfügung. Denn nun gilt es, die Ernte auch einzufahren. Allerdings fehlt es vielerorts an Ersatzteilen, Treibstoff für Landmaschinen und Feldarbeitern. In einigen Regionen tobt der Krieg und man hört von verminten Feldern. Die Daten können helfen, die Ressourcen entsprechend einzuteilen.
- Aktuelle Entwicklungen zum Ukraine-Krieg im News-Ticker
Wettrennen um den Kauf von Brotweizen
BayWa-Chef Klaus Josef Lutz warnte vor einer Hungerkatastrophe. Denn er geht davon aus, dass noch viel weniger Weizen global zur Verfügung steht: "Sagen wir mal, wenn insgesamt 20 Millionen Tonnen am Weltmarkt fehlen, an Brotweizen, dann kann man das nicht eins zu eins einfach ersetzen." Momentan sehe es so aus, als ob es ein Wettrennen zwischen Schwellenländern und Entwicklungsländern im Hinblick auf den Zukauf von Brotweizen gebe, "um Schlimmeres zu verhindern", sagte Lutz. Das treibe natürlich den Preis.
Er vermutet, dass Russland unter anderem an China Getreide aus besetzten Gebieten verkauft. Es sei sehr knapp auf der Welt, fügte der BayWa Agrarexperte Jörg Migende hinzu. Seinen Worten nach lag in den letzten drei Jahren der weltweite Verbrauch an Getreide über der Produktion: "Die Prognose auch für das jetzige Erntejahr zeigt, dass die Erntebilanz wieder negativ wird, die Lagerbestände schrumpfen. Wir leben von der Hand in den Mund. Treiber sind die wachsende Weltbevölkerung, aber nicht nur, sondern auch die Verstädterung vor allem im südostasiatischen Raum."
- Zum Artikel: "Ackern gegen Putin: Landwirtschaft in Kriegszeiten"
Schiffe können viel mehr Getreide transportieren als LKWs und Züge
Dadurch würden Wohlstand und damit die Ansprüche an die Ernährung wachsen, so Migende weiter. Umso wichtiger sei es, dass Getreide aus der Ukraine schnellstmöglich wieder exportiert werden könne und zwar über den Seeweg, in erster Linie über den Hafen von Odessa. Denn zu den Schiffen gibt es offensichtlich keine wirklichen Alternativen. So weist man bei der BayWa daraufhin, dass die Ladeleistung eines Schiffes der von 2.000 LKW oder 30 Güterzügen entspreche. Zudem trieben die teureren Alternativen die Getreidepreise weiter an.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!