"Es gibt mehr, das uns verbindet, als uns trennt." Ein typischer Satz auf "Build From Here", diesem neuen Album von Wolfgang Tillmans. Mit Botschaften kennt sich der Künstler aus, er hat gegen den Brexit gekämpft und sich für Europa starkgemacht. In seiner Musik ist er weniger aktivistisch, es geht um die Zwischentöne, einen politischen Anspruch gibt es aber trotzdem. "Ich habe meine Arbeit – von den 90er-Jahren angefangen – immer als komplett verwoben mit Gesellschaft und Politik angesehen", sagt der Künstler im BR-Interview. Aber ihm sei es immer wichtig gewesen, nicht als Politik-Künstler gesehen zu werden.
Gegen Geschichtsrevisionismus
Das politische Bewusstsein Tillmans' hat sich noch nie am einzelnen Menschen erschöpft, der einzelnen Geschichte, sondern immer potenziell alle Menschen im Blick. Auch auf "Build From Here" gibt sich der 55-Jährige als Beobachter der Gegenwart. Etwa, wenn er im Song "We Are Not Going Back" gegen Geschichtsrevisionismus ansingt. Dieser Song "We Are Not Going Back" sei - so Tillmans - aus einem "Gefühl von Weigerung" entstanden: "Ich will nicht zurück! Ich verweigere mich, zurück in eine Vergangenheit zu gehen, die vielleicht nicht so great war für alle Menschen."
Die Botschaften in Tillmans' Musik sind simpel, aber nie banal. Sie werden meist stoisch wiederholt und mit tiefer Stimme vorgetragen. Gesungen wird meist auf Englisch, manchmal auch auf Französisch oder Deutsch. Er möge Sprache, Worte, sagt der Fotograf. Bei seinen Ausstellungs- und Bildtiteln gebe es entweder ganz sachliche Titel, oder poetische. Und die könnten auch mal lustig sein oder Wortspiele sein. "Diesen Sinn am Absurden, den mag ich."
Kindlicher Zugang zur Popmusik
Klanglich sind die neuen Songs inspiriert von elektronischer Popmusik und New Wave. Von den Pet Shop Boys oder New Order. Aber auch von Krautrock. Es ist ein kindlicher, aber immer poetischer Zugang zur Popmusik. Das macht dieses Album besonders. Die Songs stammen aus verschiedenen Jahren, sie wirken vielleicht etwas zusammengewürfelt – wie ganz unterschiedliche Fotos an den Wänden eines Ausstellungsraumes. Und wie Tillmans' Fotografien oft erst auf den zweiten Blick ihre ganz eigene Magie entwickeln, so geht es einem auch mit seinen dreiminütigen Pop-Songs: Sie laden dazu ein, genau hinzuhören. Nicht nur auf die Musik, sondern auch auf die politischen Herausforderungen der Gegenwart.
Klare Grenzen zwischen Pop und Kunst zu ziehen, das braucht einer wie Tillmans dabei nicht. "Ich meine, eine Kunst, die den Moment trifft und beschreibt, und damit Menschen sich verbinden können, sich damit nicht alleine fühlen können, da sich reinprojizieren können, das ist ja eigentlich auch Pop."
"Build From Here", das zweite Album von Wolfgang Tillmans, erscheint Freitag bei Fragile
Tillmans' erstes Album
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