Keith Gill sitzt im Katzen-T-Shirt und mit rotem Stirnband auf dem Kopf vor seiner Computer-Web-Cam und schickt Investment-Tipps ins World Wide Web. "RoaringKitty", wie sich der Influencer auf seinen Online-Kanälen nennt, investiert 2021 mehr als 50.000 Dollar in die Aktie "Gamestop" und empfiehlt das auch seinen Followern.
Hat "Gamestop" das Finanzsystem verändert?
Während Großinvestoren und die Wall Street mehrheitlich auf das Ende von "Gamestop" wetten, sehen plötzlich zahlreiche Kleinanleger das Video und steigen ins Geschäft ein. Normale amerikanische Bürger kaufen "Gamestop"-Aktien, woraufhin sich deren Wert ins Absurde steigert: in zwei Wochen von 20 auf 480 US-Dollar. Nicht nur Katzenmann Keith Gill war damit plötzlich Millionär.
"Dumb Money – schnelles Geld" ist nicht nur eine wahre Geschichte, die 2021 ja auch prominent durch die Medien ging, sondern auch eine Geschichte wie gemacht für Hollywood: David gegen Goliath, ein Nobody, der sich mit den Milliardären aus dem Finanz-Business anlegt. Soweit stimmt das Ganze.
Ob er am Ende wie im Film tatsächlich gewinnt, darüber lässt sich trefflich streiten. Denn bis heute ist der Fall "Gamestop" nicht wirklich aufgeklärt. Influencer Gill ist untergetaucht und heute vermutlich megareich. Zumindest er ist also auf der Gewinnerseite.
Am System der Wall Street aber hat sich nur wenig verändert. Hedgefonds operieren in Amerika weiter, wie sie wollen und machen aus den Verlusten von Arbeitern und Kleinanlegern Milliarden. Eine Revolution im Finanzbusiness hat es abgesehen von ein paar Einzelfällen nicht gegeben.
David gegen Goliath: "Dumb Money" erzählt stereotyp
Der Film feiert trotzdem den Fall "Gamestop" – und das auf unterhaltsame, schnell geschnittene, von Hip-Hop-Beats angetriebene Weise. Regisseur Craig Gillespie hat Erfahrung mit solchen Verfilmungen wahrer Ereignisse, wie er sie bereits in den Bio-Pics "I, Tonya" oder "Million Dollar Arm" zeigte.
Jetzt steht kein Sportler, sondern ein Online-Nerd im Mittelpunkt. Der wird vielleicht ein bisschen zu sympathisch und bubihaft von Paul Dano verkörpert. Denn der echte Keith Gill war durchaus ein professioneller Trader, der es auf Geld abgesehen hatte, und nicht nur ein idealistischer Robin Hood wie im Film.
Überhaupt ist alles ein bisschen zu schwarz-weiß gezeichnet: Dort die geldgierigen Hedgefond-Manager, die den nächsten Tennisplatz auf ihrem Grundstück planen, hier die unbescholtenen Kleinanleger, die in der Nachtschicht im Krankenhaus schuften. Letztlich haben sie alle ja doch das gleiche Ziel: die Millionen auf dem Konto.
Ein Hoch auf den Reichtum, wenn er die Richtigen trifft
Diese Perspektive macht "Dumb Money" dann eben auch nicht zu einem kapitalismuskritischen Film, sondern letztlich im Gegenteil zu einem Film, der Reichtum und die Dollars feiert – wenn sie nur auf der richtigen Seite ausgezahlt werden.
Kurzum: Wer den Gamestop-Fall nicht groß verfolgt hat, sich unterhalten und ein bisschen in Kleiner-Leute-Börsenromantik baden will, der kann den Film bedenkenlos schauen. Wer dagegen Gesellschaftskritik oder sogar die große Finanz-Revolution erwartet, für den ist das Ganze eher enttäuschend.
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