Eine Pädagogin mit einem Buch ist umringt von Grundschulkindern.
Bildrechte: BR/Frank Strerath

Bianca Hieke-Meier war Buchhalterin, will aber lieber mit Kindern arbeiten. Sie lässt sich zur pädagogischen Fachkraft ausbilden.

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Wie gut ist die Ausbildung für pädagogische Quereinsteiger?

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen rückt näher. Tausende Fachkräfte fehlen. Bayern setzt deshalb auf Quereinsteiger. Zehn Schulen im Freistaat bilden aktuell pädagogische Fachkräfte aus. Sind sie danach ausreichend qualifiziert?

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

An der Luise Leikam Grundschule in Fürth werden schon jetzt Kinder im sogenannten offenen Ganztag betreut. "Viele Eltern verlassen sich darauf, dass sie den ganzen Tag arbeiten können", erklärt Schulleiterin Ulrike Opfermann-Schmidt. Ab 14 Uhr nach einer Mittagspause startet das Angebot. Im Turnzimmer tobt Bianca Hieke-Meier mit den Kindern über einen Hindernis-Parcours. Sie ist in der Ausbildung zur Pädagogischen Fachkraft genau für diesen Bereich.

Fachkräfte werden gebraucht

Ein neuer Ausbildungsweg, denn gerade hier werden Fachkräfte händeringend gesucht – auch, weil ab 2026 stufenweise ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen besteht. Laut Robert-Bosch-Stiftung steigt der Bedarf in Bayern dadurch um 21.000 Fachkräfte.

Für Bianca Hieke-Meier ist das Angebot genau die richtige Ausbildung. "Es ist eine Herausforderung, die Spaß macht, und die Kinder sind auch so dankbar", schwärmt die Quereinsteigerin.

Abgeschlossene Berufsausbildung ist Voraussetzung

Voraussetzung für die Qualifizierung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung – Bianca Hieke-Meier arbeitete zuvor als Buchhalterin und Steuerfachangestellte. Nach der Elternzeit stand für sie fest: sie will etwas mit Kindern machen. Das geht in ihrer Ausbildungsklasse an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Fürth allen so. Hier lernen Opernsänger, Dorfhelferinnen oder Verkäuferinnen das erforderliche Handwerkszeug. Auf dem Stundeplan stehen Pädagogik, Psychologie, Heilpädagogik oder Medienbildung.

Zwei Jahre dauert die Ausbildung – davon ist ein Jahr komplett in der Praxisstelle und ein Jahr an der Fachakademie, erklärt Heike Spiegl, Klassenlehrerin in der Fürther Fachakademie für Sozialpädagogik. "Wir haben die Situation, dass wir Schülerinnen und Schüler haben, die mitten im Leben stehen, die Kinder haben, aus ganz unterschiedlichen Berufen, mit ganz unterschiedlichen Vorbildungen", diese ganze Lebenserfahrung sei ein riesengroßer Schatz, der im Unterricht eingebracht werde.

Nach zwei Jahren Erzieherinnen gleichgestellt

In ihrer PFG-Klasse hat etwa Boqian Yu Gesang in Peking studiert, arbeitete zuvor als Opern- und Chorsänger und freue sich auf die Arbeit mit Kindern. Kathrin Schroll hat schon als Hauswirtschafterin und Dorfhelferin gearbeitet, "nun kann ich nicht nur einer Familie helfen, sondern einer ganzen Klasse in der Ganztagsbetreuung". Svitlana Holubovych war Deutschlehrerin in der Ukraine, hat in Fürth dann für Kinder in Übergangsklassen Deutsch unterrichtet. Diese Kinder seien jetzt meist in Regelklassen gelandet, "und ich kann mit dieser Ausbildung weiter an der Schule bleiben", freut sie sich.

In der Ganztagsbetreuung sind pädagogische Fachkräfte später einer Erzieherin gleichgestellt. Hausaufgabenbetreuung, Leseförderung bis hin zur Gruppenleitung sind die Aufgaben. Für die Fürtherin Bianca Hieke-Meier ein Traumjob. "Dieses Lachen der Kinder, wenn sie sich freuen, das ist natürlich etwas anderes als wenn man mit Zahlen hantiert", schwärmt die ehemalige Buchhalterin.

Fachakademie kontert Kritik: "Anspruchsvolle Ausbildung"

Die Ausbildung wird von Kritikern als "Erzieherin light" skeptisch gesehen. Fachakademien, die Erzieherinnen und Erzieher sowie Kinderpfleger ausbilden, hatten im März einen Brandbrief verfasst. Darin bezweifelten sie die Qualität der Ausbildung für Quereinsteiger. Sie könnten in der kurzen Ausbildungszeit nicht die erforderlichen Qualifikationen erwerben, hieß es. "Unausgebildete Amateure überfluten die vorschulischen Bildungseinrichtungen", kritisierten die Verfasser.

Das sehen die Verantwortlichen an der Fürther Fachakademie für Sozialpädagogik ganz anders. "Die Ausbildung ist aufgrund der Vorbildung, der Dichte des Lehrplans und der vielen Praxiselemente sehr anspruchsvoll", meint etwa Klassenlehrerin Heike Spiegl. Und Grundschulleiterin Ulrike Opfermann-Schmidt ist froh um jede Fachkraft, die sie in diesem Bereich für ihre Schule gewinnen kann. Das Bayerische Kultusministerium hat auch aus diesem Grund den Schulversuch um fünf Jahre verlängert.

Nachfrage nach Ganztagsbetreuung schon jetzt hoch

Schon jetzt ist die Nachfrage nach Ganztagsbetreuung in der Grundschule hoch. Das wird mit dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab 2026 auch noch zunehmen, glaubt Rektorin Ulrike Opfermann-Schmidt "Die Eltern brauchen heute eine Schule, die den ganzen Tag für die Kinder geöffnet ist. Vormittags ist Unterricht, nachmittags ist offener Ganztag", und das nehme deutlich zu, weil viele Eltern sich darauf verlassen müssten, dass sie den ganzen Tag arbeiten könnten.

Künftige Fachkräfte wie Bianca Hieke-Meier sind begehrt – in der Fürther Luise Leikam Grundschule würden sie sich auf jeden Fall freuen, wenn sie auch nach ihrer abgeschlossenen Ausbildung hierbleibt.

Dieser Artikel ist erstmals am 26.04.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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