Immer mittwochs besucht Daniela Engelhardt Patienten in deren Zuhause. Sie nimmt zum Beispiel Blut ab, misst den Blutdruck, legt gegebenenfalls ein mobiles EKG an. Die 35-Jährige ist eine "VeraH", die Abkürzung steht für "Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis". Die gelernte Arzthelferin hat eine Zusatzausbildung absolviert. Seitdem übernimmt sie neue Aufgaben, auch Hausbesuche.
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Win-Win-Situation
Mitunter bleibt sie eine ganze Stunde in einem Haushalt. Sie könne dann auch Patienten darauf ansprechen, ob sie ihre Medikamente tatsächlich wie vorgesehen einnehmen, erzählt sie. Oder sie kann auf Teppiche hinweisen, die für ältere Menschen gefährliche Stolperfallen sind.
Zu den Patienten, die Daniela Engelhardt regelmäßig besucht, gehört das Ehepaar Ernst und Silvia Geißler. Der 71-jährige Ehemann hat Herzprobleme und Diabetes, seine 69-jährige Frau leidet an Osteoporose, sie hat Probleme mit dem Rücken und der Hüfte. Beide sind froh, dass sie nur in Ausnahmefällen in die Praxis ihres Hausarztes müssen. Und für Silvia Geißler ist wichtig: "Mit der Dani kann ich auch quatschen."
Unterstützung wird gebraucht
Ihre Arbeit sei für sie sehr befriedigend, sagt Engelhardt. Auch für die Patienten sei sie ein Gewinn. Und sie könne als VeraH dafür sorgen, dass Ärztinnen und Ärzte sich nur dann ins Auto setzen müssen, wenn es wirklich nötig ist. Das heißt, sie trägt dazu bei, dass die knappe ärztliche Arbeitskraft effizient eingesetzt wird.
Dass es wichtig ist, mit der Arbeitszeit von Medizinern sparsam umzugehen, zeigt eine Zahl, mit der die Stiftung Patientenschutz vor kurzem Besorgnis ausgelöst hat: Die Zahl der Hausbesuche sei innerhalb eines Jahrzehnts um rund ein Viertel gesunken. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) bestätigt: Nach einem Höchststand von 5,8 Millionen Hausbesuchen im Freistaat, der im Jahr 2015 erreicht wurde, ist die Zahl bis 2022 auf 4,2 Millionen geschrumpft.
Nur bedingt aussagekräftige Statistik
Allerdings seien in der Zahl mehrere Entwicklungen nicht abgebildet, betont die KVB. So werden immer mehr Hausbesuche über sogenannte Hausarztverträge abgerechnet, die der Hausärzteverband direkt mit den Kassen schließt. Über die entsprechenden Zahlen gibt es allerdings keine aktuelle Statistik, das bestätigt auch der Bayerische Hausärzteverband BHÄV.
Außerdem seien in immer mehr Praxen VeraHs wie Daniela Engelhardt beschäftigt, betonen KVB und BHÄV. Alleine in Bayern ist die Zahl der VeraHs inzwischen auf rund 3.000 gewachsen, bundesweit gibt es etwa 16.000. Daneben gibt es "Nichtärztliche Praxisassistentinnen", die ebenfalls nach einer Zusatzausbildung für Hausbesuche eingesetzt werden. Auch ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren zügig gewachsen, auf zuletzt bundesweit 12.000.
Versorgung möglicherweise sogar besser?
Auch Daniela Engelhardts Chef, der Hausärzteverbands-Vorsitzende Wolfgang Ritter, ist sicher, dass die Versorgung mit Hausbesuchen insgesamt gut läuft. Weil VeraHs öfter zu Patienten fahren können, als es Ärztinnen und Ärzten möglich ist, könnten etliche Kranke engmaschig betreut werden: "Dann kommt es oftmals gar nicht mehr zu Entgleisungen, etwa beim Blutdruck oder Blutzucker." Das wiederum sorge dafür, dass die Patienten unterm Strich weniger Behandlung bräuchten.
Auch wenn einzelne statistische Daten zu den Hausbesuchen auf den ersten Blick besorgniserregend aussehen, ist sich Bayerns Hausärzte-Chef deshalb in einem sicher: "Die Hausbesuche sind weiterhin auf hohem Niveau."
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