Im Indizienprozess um den Tod der Studentin Hanna hat das Landgericht Traunstein am Dienstag den angeklagten jungen Mann zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilt. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig - die Verteidigung hatte bereits im Vorfeld angekündigt, Revision einzulegen.
Richterin: "Es handelte sich nicht um einen Unfall"
Nach Auffassung der Jugendkammer hat der damals 20-Jährige die junge Frau am frühen Morgen des 3. Oktober 2022 auf ihrem Heimweg vom Club "Eiskeller" in Aschau im Chiemgau aus sexuellen Motiven verfolgt, von hinten angegriffen und dann schwer verletzt in den nahen Bärbach geworfen.
Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes verurteilt. Weil der Angeklagte zur Tatzeit noch 20 Jahre alt war und ihm Gutachter Reifeverzögerung attestierten, verhängte das Gericht eine Jugendstrafe.
Gericht hält Belastungszeugen für glaubwürdig
Die Vorsitzende Richterin begründete nach dem Indizienprozess im Detail, wie sie zu ihrer Entscheidung gekommen ist. Das Gericht erklärte ausführlich, dass Hannas Verletzungen nicht zur These der Verteidigung passen, dass es sich auch um einen tragischen Unfall hätte handeln könnte. Das Gericht glaubte mehreren Zeugen, denen gegenüber der Angeklagte von seiner Tat gesprochen haben soll. Die Verteidigung hatte den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen bestritten.
So hatte eine Bekannte des Angeklagten angegeben, dieser habe ihr bereits am 3. Oktober 2022 vom gewaltsamen Tod einer jungen Frau berichtet, als der Fall noch gar nicht öffentlich bekannt war; später schwieg die Zeugin. Zu einer anderen Zeugenaussage erklärte Verteidiger Markus Frank, sein Mandant habe das Gefühl gehabt, dass man ihm eh nicht glaube - darum habe er bei einer befreundeten Familie flapsig gesagt: "Dann war ich's halt." Bei einem Mithäftling, der den Angeklagten belastet hatte, handele es wiederum um einen jungen Mann, "der es mit der Wahrheit als andere als genau nimmt." Der Angeklagte selbst schwieg während der gesamten 35 Prozesstage zu den Vorwürfen.
Angeklagter habe Täterwissen offenbart
Die Verteidigung hatte während des Prozesses Fotos präsentiert, um zu belegen, dass Hannas Kopfverletzungen auch von Rohren oder Steinen im Fluss herrühren könnten. Gutachter gingen nicht davon aus, dass die schweren Verletzungen durch das Treiben im Fluss entstanden sein können. Der Gerichtsmediziner hatte unter anderem fünf gleichförmige Verletzungen am Kopf festgestellt. Laut Obduktion ertrank die 23-Jährige.
Zudem argumentierte die Jugendkammer, dass der Angeklagte bereits bei seiner Zeugenaussage bei der Polizei Täterwissen offenbart habe. So habe er etwa angegeben, dass er zu einem Zeitpunkt vom Tod der Studentin erfahren habe, als er eigentlich davon noch nichts hätte wissen können.
Welche Erfolgsaussichten hat die Revision?
Verteidigerin Regina Rick kündigte unmittelbar nach dem Ende des Prozesses an, Revision einlegen zu wollen. Sie sprach von der "Verurteilung eines Unschuldigen sehenden Auges" und betonte: "Sowas kann der BGH nicht akzeptieren."
Der Rechtsexperte Konstantin Grubwinkler erklärte im BR24 live, bei der Anrufung des Bundesgerichtshofs gehe es um mögliche Ermittlungs-, Verfahrens- oder Urteilsfehler. Ein solcher könnte darin liegen, dass das Gericht und die Staatsanwaltschaft in ihrem Mailverkehr einen - so die Auffassung der Verteidigung - allzu vertraulichen Ton angeschlagen hätten. Einen Befangenheitsantrag hatte das Gericht jedoch ebenso wie einen Beweisantrag der Verteidigung abgelehnt. Unter Umständen könnte es der BGH zudem als problematisch ansehen, dass das Urteil ohne handfeste Beweise auf Zeugenaussagen sowie einem pathologischen Gutachten beruhe, das einen Unfall ausschließe.
Generell, so Grubwinkler, liege die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Revision beim BGH bei unter zehn Prozent - in diesem Fall könnten die Erfolgsaussichten etwas besser sein.
Video: Das BR24 live zum Nachschauen
Forderungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung lagen weit auseinander
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten neuneinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes verlangt, die Verteidigung sah auch nach mehr als 30 Verhandlungstagen keine Beweise für die Schuld ihres Mandanten und hatte einen Freispruch gefordert.
Hannas Eltern hatten als Nebenkläger an dem Verfahren teilgenommen. Immer wieder kämpfte die Mutter mit den Tränen. Für die Eltern stelle sich "tausendfach die Frage: warum?", sagte deren Anwalt Walter Holderle in seinem Plädoyer. Diese Frage sei in dem Prozess "bedauerlicherweise unbeantwortet" geblieben. Die Frage, wer ihre Tochter umbrachte, sei hingegen ganz klar beantwortet worden. Er hatte sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu einer Verurteilung des Angeklagten zu neuneinhalb Jahren Haft angeschlossen.
Schwieriger Indizienprozess
Die junge Frau aus dem oberbayerischen Aschau im Chiemgau hatte in der Nacht zum 3. Oktober 2022 in dem Club "Eiskeller" gefeiert und war am nächsten Tag tot in der Prien gefunden worden. Eine Sonderkommission ermittelte unter Hochdruck, Hunderte Zeugen wurden befragt. Schließlich wurde unter Mordverdacht ein junger Mann verhaftet, der in der Nacht in der Nähe des Clubs gejoggt war.
Der im Oktober 2023 gestartete Indizienprozess hatte sich schwierig gestaltet. Nicht zuletzt wegen vieler Beweisanträge hatte sich das Verfahren hingezogen. Der Angeklagte hatte in dem Verfahren geschwiegen und auch auf sein letztes Wort verzichtet. Die Urteilsverkündung hat der Mann zwar blass, aber gefasst und fast regungslos entgegengenommen.
Im Video: 9 Jahre Jugendstrafe für den Angeklagten im Mordfall Hanna
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