Blick in den Gerichtssaal.
Bildrechte: BR / Daniela Olivares

Der Angeklagte vor dem Landgericht Ingolstadt.

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Erneut mehr als drei Jahre Haft nach Raser-Unfall auf Autobahn

Er war im Oktober 2019 auf der A9 mit einem getunten Sportwagen viel zu schnell unterwegs und hatte einen tödlichen Unfall verursacht. Nun hat das Landgericht Ingolstadt den 26-jährigen Fahrer erneut zu einer Haftstrafe verurteilt.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Nach einer tödlichen Raserfahrt auf der A9 mit mehr als 200 Kilometern pro Stunde ist der Fahrer nun am Landgericht Ingolstadt erneut zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Die Strafkammer sprach den 26-Jährigen wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge schuldig und verhängte drei Jahre und vier Monate Haft.

Landgericht: Kein Totschlag

Der Mann war bereits zu dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte das damalige Urteil allerdings aufgehoben und es zur neuen Verhandlung nach Ingolstadt zurückverwiesen. In dem neuen Verfahren ging es insbesondere um die Frage eines möglichen Tötungsvorsatzes, den der BGH im ersten Urteil als unzureichend herausgearbeitet rügte. Das Landgericht sah nun erneut aber kein Verhalten des Angeklagten, das eine Verurteilung wegen Totschlags rechtfertigen würde.

Richter: Fall lässt sich nicht mit einem klassischen Tötungsdelikt vergleichen

Auch rechtlich war es hochkomplex - wie alle Parteien sagten. In seiner Begründung betonte der Richter, dass sich der Fall nicht mit einem klassischen Tötungsdelikt vergleichen lasse. "Da sticht niemand mit einem Messer auf einen anderen ein", sagte er. Es stehe nicht das Opfer im Visier, wie bei anderen Fällen.

Und dann müsse man bei einem Raserfall zwischen Extremfall und einem eher normal gelagerten Fall unterscheiden. Die Umstände, dass der Unfall auf der Autobahn geschehen sei, auf einer Strecke, die nur nachts eine Geschwindigkeitsbegrenzung habe, spreche gegen eine extreme Gefährdung. Gegen einen normalen Fall spreche allerdings der extrem "aufgemotzte" BMW des Angeklagten, die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung und dass er nachts fuhr. Da könne man Abstände und Geschwindigkeiten schlechter einschätzen. Für den Angeklagten spreche laut Richter sein vollumfängliches Geständnis und das Anerkennen seiner Schuld. Der Angeklagte hatte sich entschuldigt und immer wieder sein Bedauern über den Unfall geäußert.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 26-jährigen Angeklagten acht Jahre und zwei Monate Haft wegen Totschlags gefordert. Die Verteidiger maximal zwei Jahre auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung.

Opfer hatte keine Überlebenschance

Der Richter sagte zu Beginn der Verhandlung, dass es eigentlich unmöglich sei, eine gerechte Strafe zu finden. Es handele sich bei dem Angeklagten um keinen normalen Angeklagten, sondern um einen, der noch nie straffällig geworden sei und ein ganz normales Leben geführt habe. Aber gleichzeitig habe man auf der anderen Seite den Nebenkläger, den Vater des Getöteten, der einen Schmerz empfinde, der durch nichts aufzuwiegen sei. Diese beiden Interessen aufzuwiegen sei unmöglich, so der Richter.

Der Angeklagte war mit seinem auf 575 PS getunten und maximal 330 Stundenkilometer schnellen Sportwagen im Oktober 2019 auf der A9 bei Ingolstadt nachts mit mindestens 233 Kilometern pro Stunde gefahren, obwohl dort nur Tempo 100 erlaubt war. Als ein Wagen vor ihm die Spur wechselte, raste der Angeklagte trotz Vollbremsung ins Heck des anderen Autos. Der 22-Jährige im vorausfahrenden Auto hatte keine Überlebenschance.

Tränen bei Nebenkläger und Angeklagtem

Als der Angeklagte kam, versteckte er sein Gesicht hinter einem Aktenordner. Während der Urteilsverkündung blickt er stets zu Boden. Der Vater des Opfers trug, wie schon während des ersten Prozesses, ein T Shirt, auf dem ein Foto seines Sohnes aufgedruckt war. Während der Urteilsbegründung schüttelte er mehrmals den Kopf. Sowohl bei ihm als auch beim Angeklagten flossen Tränen.

Der Anwalt des Vaters meinte: Es sei ein sehr schwieriges Verfahren und man habe mit dem Ergebnis gerechnet, wenn man sich auch mehr erhofft habe. Auch wenn der Unfall auf der Autobahn gewesen sei, müsse auch von solchen Fällen eine deutliche präventive Signalwirkung ausgehen, so der Anwalt. Die Verteidigung gab zu, man sei vom Ergebnis enttäuscht - auch wenn es nicht unerwartet komme. Beide Parteien gaben an, das Urteil zu prüfen und gegebenenfalls Revision einzulegen. Der Richter empfahl allen Beteiligten einen Schlussstrich zu ziehen.

"Raser-Paragraph" kommt zum Zug

Bei dem Fall kam der sogenannte "Raser-Paragraph" zum Zug: Seit 2017 werden illegale Autorennen als Straftat schwerer sanktioniert. Als verbotenes Rennen wird danach nicht nur ein Wettbewerb zwischen zwei oder mehr Fahrern auf öffentlichen Straßen definiert. Auch ein Autofahrer, der allein mit seinem Wagen unterwegs ist, "um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen", kann danach verurteilt werden. Wenn ein anderer Mensch ums Leben kommt, drohen ihm oder ihr allein wegen des Raser-Paragrafen (Paragraf 315d StGB) bis zu zehn Jahre Haft.

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