Report München


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Traumatisiert nach dem Hamas-Massaker Überlebende schildern das Grauen

Am Morgen des 7. Oktober 2023 überfielen Hamas-Terroristen auch den Kibbuz Kfar Aza in Nähe des Gaza-Streifens. Dutzende Menschen wurden ermordet oder in den Gaza-Streifen verschleppt. Ralph Lewinson und seine Familie überlebten den Überfall wie durch ein Wunder. Sie mussten nach Tel Aviv fliehen. Oliver Mayer-Rüth konnte Ralph Lewinson bei einem kurzen Besuch in dem verwüsteten Kibbuz begleiten.

Von: Oliver Mayer-Rüth

Stand: 06.11.2023

Ralf Levinson und sein Sohn Alon auf dem Weg zu ihrem zerstörten Zuhause. Noch kann ich nicht ahnen, was wir gleich sehen werden. Ich weiß nur, dass die Hamas-Terroristen dort ein Blutbad angerichtet haben.

Oliver Mayer-Rüth: "Ralf, wie ist es für dich, dahin zu fahren jetzt?

Ralf Levinson: "Schmerzhaft, aber ich habe die Hoffnung, dass wir irgendwann zurückkehren können und dass alle in der Familie mitstimmen."

Am Tor zum Kibbutz Kfar Aza warnt uns ein Soldat, nicht zu nahe an die Grenze zum Gazastreifen zu gehen. Der erste Eindruck: Zerstörung, wohin wir auch blicken. Im Hintergrund hören wir eine Panzerhaubitze. Neben dem Kibbutz hat die israelische Armee eine Stellung.

Oliver Mayer-Rüth: "Die schießen von hier Richtung Gaza.?"

Ralf Levinson: "Das ist Artillerie, israelische Artillerie."

Oliver Mayer-Rüth: "Das war dein Haus Ralf, ja?"

Ralf Levinson: "Levinson auf hebräisch. Das ist mein Nachbar Kotler. Leider kein Strom. Wohnung ist fast unbeschadet. Keine Terroristen sind hier eingedrungen in die Wohnung."

Oliver Mayer-Rüth: "Wie kannst Du dir das erklären, warum die hier nicht reingekommen sind?

Ralf Levinson: "Die haben es nicht geschafft in alle Wohnungen zu kommen. Also auch bei den Nachbarn. Auf der Seite nicht, auf dieser Seite schon. Warum? Schießlöcher in der Küche. Haben von draußen wahrscheinlich reingeschossen. "

Oliver Mayer-Rüth: "Hier habt ihr euch versteckt, oder was?

Ralf Levinson: "Hier haben wir uns verbunkert. "

Oliver Mayer-Rüth: "Wie viele Stunden wart ihr hier drin?"

Ralf Levinson: "So um die 24 Stunden."

Oliver Mayer-Rüth: "Ohne rauszugehen?"

Ralf Levinson: "Meine Frau ist mal rausgegangen. Ich bin auch mal rausgegangen. Weil wir nicht verstanden haben, wie gefährlich das ist. Aber fast immer hier und zum Teil auch mit der Tür offen, damit wir Kommunikation hatten. Das war dumm, weil wir nicht verstanden haben, wie gefährlich das war. "

Während sich Ralf und seine Frau verstecken, wüten die Hamasterroristen im Kibbutz. Auch Ralfs Sohn und seine Tochter leben mit ihren Kindern in Kfar Aza. Stundenlanges Bangen. Sind die Kinder noch am Leben? Wie viele Tote gibt es im Kibbutz?

Ralf Levinson: "An diesem Eckhaus: ein Ehepaar, umgebracht. Die Nachbarn, umgebracht. Hier auf der linken Seite, auch ein älteres Ehepaar. Umgebracht. Die zweite Seite von diesem Haus: eine ältere Frau, und Sohn, oder, ich weiß nicht mehr, Tochter, umgebracht. Die Frau, die in diesem Haus lebt, ist jetzt Witwe, ihr Mann wurde auch erschossen, in der Wohnung."

Oliver Mayer-Rüth: "Du bist hier aufgewachsen?"

Alon Levinson: "Ich kam hierher, als ich ein Jahr alt war. Ich bin hier aufgewachsen. Heute bin ich 45 Jahre alt."

Oliver Mayer-Rüth: "Kannst Du dir vorstellen wieder hier zu leben?"

Alon Levinson: "Ich würde gerne ja sagen, dass ich hierher zurückkehren kann. Aber ich glaube, es wird wohl nicht passieren."

Ich schaue Richtung Gazastreifen. Dort tobt jetzt ein furchtbarer Krieg mit vielen zivilen palästinensischen Opfern. Der Kibbutz ist militärisches Sperrgebiet.

Arye Shalicar wuchs in Berlin auf. Er hat uns den Zugang zu Kfar Aza ermöglicht. Ich möchte von ihm wissen, was ist hier passiert?

Arye Shalicar - Sprecher israelische Armee: "Ein Massaker, oder ein Pogrom, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Was hier passiert ist, das sehen wir sowohl in diesem Kibbutz, als auch in vielen anderen Kibbutzen hier um den Gazastreifen herum. Hier wurden Menschen auf bestialische Weise abgeschlachtet. Ganz gleich, ob es Juden, Beduinen, Thailänder waren, ob es alte oder junge waren, ob es Frauen waren, Kinder waren, Babys waren. Menschen wurden verbrannt, enthauptet, zerstückelt und das habe ich so in meinem Leben nicht gesehen. Ich kenne derartige Beschreibungen eigentlich nur aus dem Holocaust."

Der Sohn deutsch-jüdischer Eltern führt mich dorthin, wo das Ausmaß der Zerstörung am schlimmsten ist. Ausgerechnet hier in der Nähe steht das Haus der Tochter.

Ralf Levinson: "Eine Reihe weiter, da wo der Wagen steht, da wohnt meine Tochter. Da wo der Wagen steht, da wohnt sie. Ich war schon der Meinung, dass meine Tochter nicht mehr am Leben ist, nach so vielen Stunden, wo wir nichts gehört haben, wo wir schon befreit waren und immer noch nichts gehört haben. Und dann die große Freude - kam das Telefongespräch nach so und so vielen Stunden."

Ralfs Familie hat, wie durch ein Wunder überlebt. Doch die Hamas habe 17 Menschen aus dem Kibbutz verschleppt und Dutzende ermordet, erzählt er.

Ralf Levinson: "Mit Blut beschmiertes Sofa."

Oliver Mayer-Rüth: "Wie kommt man überhaupt mit so etwas psychologisch zurecht?"

Ralf Levinson: "Weiß ich noch nicht. Weiß ich noch nicht."

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Sylvia B. , Dienstag, 07.November 2023, 22:30 Uhr

1. Hamas Überfall

Grauenhaft, das Ausmaß der Verwüstung in dem Kibbutz, das Chaos, das Blut, die Beschreibungen der Überlebenden. Danke, dass Sie darüber berichten und endlich zeigen, was tatsächlich passiert ist. Die Menschen erfassen das Grauen erst, wenn man die Bilder zu dem Geschehen sieht. Es ist mir unbegreiflich, warum die Welt verdrängt, dass es sich nicht nur um eine der üblichen Provokationen seitens der Hamas gehandelt hat, sondern hier unbeschreibliche Greueltaten in einem beispiellos konzertierten Angriff auf die jüdische Bevölkerung ausgeübt wurden. Solche Bilder und Interviews sind wichtig, um die Erinnerung wach zu halten, warum dieser Staat zur Gegenwehr gezwungen war, anstatt die rechte Wange hinzuhalten. Jeder einzelne dieser grauenhafte Terrorakte wie z.B.das Abschlachten feiernder junger Menschen hätte normalerweise einen weltweiten Aufschrei ausgelöst. Ob es nun ein norwegischer Extremist ist oder eine Terrororganisation. Gut, dass endlich die Einzelschicksale thematisiert werden.

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