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Bedrängtes Traumziel Kroatien Die Folgen des Massentourismus

Endlose Küsten, klares Wasser, malerische alte Städte und mit dem Auto bequem zu erreichen: Die kroatische Region Istrien an der Adria wird für immer mehr Touristen auch aus Deutschland zum Sehnsuchtsort. Die Folgen sind unübersehbar: Massenandrang, Villen für Reiche und Einheimische, die sich große Sorgen um ihre Heimat machen.

Von: Susanne Fiedler, Steffi Illinger

Stand: 08.08.2023

Istrien in Kroatien - ein Ferienparadies auch für Millionen deutsche Urlauber. Zu Beginn der Sommersaison ist es mit der beschaulichen Ruhe vorbei. Ein Dilemma für die Einheimischen: Sie verdienen mit dem Tourismus ihr Geld, werden aber selbst immer mehr verdrängt. Immobilienmakler Patrick Kohl nimmt uns mit auf eine Tour zu Ferienvillen für Superreiche.

"Der Titel des Objekts ist One in a Million, also es ist durchaus was Besonderes."

Patrick Kohl, Immobilienmakler Engel & Völkers Istrien

Das Interesse an Kroatien ist während Corona besonders gestiegen, als der Flugverkehr in ganz Europa zusammenbrach. Wegen seiner guten Erreichbarkeit steht vor allem Istrien im Focus, auch bei Käufern aus Deutschland. Patrick Kohl ist Deutscher mit kroatischen Wurzeln. Der Architekt hat sich vor einem Jahr hier als Makler niedergelassen - als Partner einer weltweit tätigen Immobilienagentur.

Investorin Regina Hurm hat sich in Istrien verliebt, Patrick Kohl soll für sie ein passendes Objekt finden. Er präsentiert ihr sein exklusivstes Angebot. Die Villa ist für den stolzen Preis von mehreren Millionen Euro zu haben:

"Wir hätten sehr gerne einen Bootssteg, weil wir ein eigenes Boot haben, ein sehr tolles, aber wenn's dann irgendwo ein Haus wird doch in der…, irgendwo im Landesinneren und so, mal gucken…Wo sind die Drinks?…"

Regina Hurm

Schnelle Erreichbarkeit, gute 6000 Kilometer Küste. Kohls Prognose:

"Es gibt sehr viel Potenzial hier. Das bedeutet, dass hier viel passieren wird in den nächsten Jahren. Und es bleibt spannend."

Patrick Kohl, Immobilienmakler Engel & Völkers Istrien

"Mir wäre es ja geradezu wichtig, nicht den Glamour zu haben, sondern gerade, dass es, sagen wir mal, in irgendeiner Form, wie soll ich sagen, bescheiden, vielleicht nicht das richtige Wort, aber so calm, also entspannt bleibt."

Regina Hurm                   

Regina Hurm lebt in der Nähe von Berlin und träumt von einem Zweitwohnsitz in Kroatien. Zusammen mit Freunden möchte sie hier investieren.

Kroatien boomt- egal ob am Meer oder in den Küstenorten. Die Altstadt von Rovinj ist eines der beliebtesten Reiseziele im ganzen Land und verzeichnet von Jahr zu Jahr mehr Urlauber.

Infrastruktur an ihren Grenzen

Die Deutsch-Kroatin Marijana Lovrinic betreibt ein kleines Öko-Hotel. Wenn sich der Ort mit Besuchern füllt, ist sie immer sehr früh unterwegs, um ihre Einkäufe zu erledigen. Sie kennt ihre Stände am Markt genau und meidet Touristenware. Um 9 Uhr kann sie noch ganz entspannt mit den Marktfrauen plaudern. Ihrer Erfahrung nach ist es hier jeden Sommer voll. Dieses Jahr fällt ihr noch etwas auf:

"Wir sind ja jetzt gerade schon an der ersten großen, ich weiß nicht, ob es eine Busladung war, oder woher sie kamen, schon vorbeigelaufen, das häuft sich dieses Jahr sogar, es fing deutlich früher an und erschwert das Laufen durch die Stadt und ich sage jetzt mal so, dieses tägliche Einkaufsleben, dafür muss man jetzt dann doch ein bisschen mehr Zeit einplanen."

Marijana Lovrinic, Inhaberin Casa Amando

Die Marktfrauen dagegen freuen sich über die Touristen:

"Mehr ist besser, fürs Geschäft, na ja, es ist Sommer, lassen wir doch Sommer sein, die Leute haben Freude an der Sonne, die Leute haben Freude am Meer, an der Sonne, also was soll's. Wir sind da, also müssen wir arbeiten, damit sich die Arbeit auch lohnt."

Marktfrau

Das Geschäft brummt. Doch die Infrastruktur kommt an ihre Grenzen 

"Also letztes Jahr war tatsächlich, dass es im August nach Kanalisation gestunken hat, da war dann klar, okay, die maximale Kapazität ist erreicht, die Leitungen packen das nicht mehr. Ich sorge mich ehrlich gesagt vor einem Kollaps, meiner Ansicht nach steuern wir genau daraufhin zu."

Marijana Lovrinic, Inhaberin Casa Amando

Istrien ist auch deshalb so beliebt, weil man gut mit dem Auto anreisen kann - gerade als deutscher Urlauber. Doch der Massentourismus verändert die Altstadt. Immer mehr Kunstgalerien werden von den zahlreichen Souvenirshops verdrängt.

An jeder Ecke - ein Apartmenthaus.In ganz Istrien gab es vor dem EU-Beitritt 2013 rund 30.000 Gästebetten. Danach hat sich die Zahl innerhalb der letzten 10 Jahre verzehnfacht.      

Selbst das Tourismusministerium von Istrien ist inzwischen alarmiert. Nina Kukurin fühlt mit den Einheimischen, die um ihre Heimat bangen:

"Wie soll es mir schon gehen, wenn im Hochsommer das Wasser knapp wird, wir kein Internet mehr haben und keinen Parkplatz finden, ich kaum zu meinem Arbeitsplatz komme wegen der Staus, mit meinen Kindern nicht im Meer schwimmen kann… ich fühle mich nicht besonders gut. Ich denke, es kann nicht immer um Wachstum gehen, wenn wir nicht die Voraussetzungen für eine ausreichende Infrastruktur schaffen und mit dem Ausbau nicht mehr hinterherkommen!"

Nina Kukurin, Tourismusministerium Istrien

Massentourismus statt Umweltschutz?

Die Grenzen dieses Wachstums sind längst erreicht, meint auch Silvia Buttignoni. Die Naturschützerin nimmt uns mit an die Küste: bislang ist diese in weiten Teilen geschützt, aber: 

"Ich habe Angst, dass sie die Küste zerstören, im Norden von Istrien. …"

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

Silvia Buttignoni ist Geschäftsführerin der staatlichen Naturschutzeinrichtung Natura histrica, und damit auch zuständig für naturgeschützte Flächen im Küstenbereich von Istrien. Immer öfter muss sie beklagen, dass der Küstenschutz nichts gilt, wenn es um die Weiterentwicklung des Tourismus geht. Sie bringt uns zu einem gigantischen öffentlichen Bauprojekt:

"Schrecklich! Ich verstehe es nicht! Ich denke, Touristen wollen eine naturbelassene Küste, keinen Beton!"

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

Hier in der Nähe von Umag, soll die längste Küstenpromenade am gesamten Mittelmeer entstehen: über 40 km. Ein Kamerateam auf der Baustelle, das fällt auf: Ein Bauleiter will intervenieren. Doch Silvia erklärt, dass sie als Vertreterin von Natura Histrica befugt ist, Aufnahmen machen zu lassen. Das muss auch der Bauleiter akzeptieren.

Silvia ist mit einem Drohnenspezialisten gekommen, weil sie sich einen Überblick über den Fortgang der Bauarbeiten verschaffen möchte. Immer wieder helfen ihr solche Aufnahmen bei ihren Recherchen:

Etwa 5 km sind bereits zubetoniert. Die Regierung hat hier eine Ausnahme gemacht und eine Genehmigung erteilt, die den Küstenschutz aufweicht. Dabei ist die unverbaute Küste Istriens so schön. Was können Silvia und ihre Einrichtung gegen die Verbauung ausrichten?

"Wir können nichts dagegen tun - denn dieses Gebiet steht nicht unter Naturschutz. Aber es ist trotzdem die Küstenlinie. Die Regierung hätte die Erlaubnis dafür nicht erteilen sollen."

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

Auch Naturschätze von Weltrang sind hier bedroht, werden wir später noch erfahren.

Zurück nach Rovinj zu Marijana Lovrinic. Vor fünf Jahren ist die Deutsch-Kroatin aus Deutschland hierhergezogen. Sie hatte sich in ein baufälliges Künstlerhaus verliebt. Liebevoll hat sie es renoviert. Heute wird es als Öko-Unterkunft mit Zertifikat geführt. Vier Apartments vermietet Marijana, um die sie sich so gut wie alleine kümmert. Sie achtet auf nachhaltige Lösungen.

"Also dieser Duschvorhang ist ja ein altes Bettlaken, das habe ich jetzt umfunktioniert in einen Duschvorhang, da muss ich dann immer schauen, ob da nicht irgendwelche Flecken da sind, der Vorteil ist, dass man die schön waschen kann. So das ist in Ordnung."

Marijana Lovrinic, Inhaberin Casa Amando

Problem Wasserknappheit

Recycelte Möbel, von kroatischen Handwerkern gemacht. Auch die Putzmittel sind Bio. Höchste Priorität hat bei ihr der bewusste Wasserverbrauch.

"Unser Leitungswasser ist trinkbar, wir haben ja auch eine zentrale Filter- und Enthärtungsanlage, deswegen habe ich jetzt hier auch seit diesem Jahr diese überdimensionierten Aufkleber. Und meine Hoffnung ist jetzt, dass die Gäste jetzt wirklich auch aufhören, mir Plastikflaschen ins Haus zu tragen. … Das Thema Wasser macht mir dieses Jahr in der Tat sehr viel Sorge, zum einen, weil wir letztes Jahr tatsächlich schon Wasserreduktion hatten, jetzt noch nicht in den privaten Haushalten, beziehungsweise touristischen Objekten, aber öffentliche Flächen plus Waschanlagen, die mussten alle ihren Betrieb letztes Jahr einstellen und das wird spannend für dieses Jahr."

Marijana Lovrinic, Inhaberin Casa Amando

Marijana baut auf ihren EcoDomus Standard: Wasser und Energie sparen, Müll trennen, Plastik vermeiden. Die 47-Jährige möchte mit gutem Beispiel vorangehen:

"In die Zukunft betrachtet, bin ich davon überzeugt, dass dieser Weg in die Nachhaltigkeit oder wirklich ernsthaft es nachhaltig zu betreiben, den Tourismus, eine Frage des Überlebens sein wird."

Marijana Lovrinic, Inhaberin Casa Amando

Das Gegenteil ist in Kroatien oft der Fall: Die Geschäftsführerin der Naturschutzeinrichtung Natura histrica, Silvia Buttignoni, nimmt uns mit zu weiteren Recherchen an die istrische Küste.

"Wir checken einen Campingplatz …"

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

…und dabei unterstützt sie wieder der Drohnenspezialist. Der Betreiber gab Silvia keine Zutrittsgenehmigung. Was hier gebaut wurde, ist umstritten: Feste Häuser mit Fundament und Pool haben nach Silvias Meinung auf Campingplätzen nichts zu suchen:

"Hier zum Beispiel: Diese Häuser sind 125 Quadratmeter groß und liegen 10 Meter vom Meer entfernt. Und im Naturschutzgebiet! In Kroatien verändert sich Camping gerade: Weg von den Zelten hin zu einer neuen ‚Vision'."

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

Ein Geschäft, das sich lohnt. Bislang standen hier, im Naturschutzgebiet, lediglich mobile homes.

"Die kosten 526 Euro pro Nacht. Drei Nächte 1600. Das ist unglaublich."

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

Auch Silvia sieht das Problem mit der Wasserknappheit:

"Dazu kommt die Wasserknappheit - letztes Jahr mussten wir ja Wasser reduzieren.Warum braucht man direkt am Strand einen Pool. Ich verstehe das nicht, es ist doch besser, im Meerwasser zu schwimmen, Fische zu betrachten, Seesterne statt Kacheln im Pool."

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

Immer mehr Investoren aus dem Ausland

Eine Poolvilla hat auch Immobilienmakler Patrick Kohl im Angebot - jedoch im istrischen Hinterland: Ein deutscher Eigentümer möchte sie für knapp zwei Millionen Euro verkaufen. Kohl ist in Deutschland aufgewachsen, sein Vater war Kroate. Deswegen spricht er die Sprache fließend, kennt Spielregeln und Gesetze. Für die optimale Werbung hat auch er einen Drohnenspezialisten engagiert, um eine internationale Kundschaft anzusprechen.

"Vielleicht noch einen Tick zurück, dass man hier nichts abschneidet."

Patrick Kohl, Immobilienmakler Engel & Völkers Istrien

"Vor vielen Jahren waren Engländer da, seit dem Brexit kaum noch. Die Italiener suchen seit Covid kaum noch was. Und die Russen dürfen nicht mehr kaufen."

Patrick Kohl, Immobilienmakler Engel & Völkers Istrien

Und die Deutschen? Suchen die hier auch nach Schnäppchen?

"Die Deutschen suchen hier günstigere Immobilien als in Deutschland. Und dann sind das verglichen Schnäppchen. Es sind aber schon lange nicht mehr die Schnäppchen, die man vor fünf Jahren bekommen hat. Und in fünf Jahren wird man wieder nicht mehr die Schnäppchen bekommen, die man heute bekommt."

Patrick Kohl, Immobilienmakler Engel & Völkers Istrien

Ideale Ausgangsbedingungen seien das für Anleger und Investoren aus dem Ausland.

Wir treffen einen österreichischen Unternehmer, der bereits fündig geworden ist. Er möchte namentlich nicht genannt werden. Im istrischen Hinterland hat er sich mit seiner Frau vor vier Jahren ein Feriendomizil bauen lassen.

"Von Corona weg ist hier gekauft worden von halb Europa, hat hier sich angesiedelt und versucht sich irgendwas zu mieten oder zu kaufen, weil keiner mehr in ein Flugzeug steigen muss…"

Unternehmer

Der Gedanke an Rendite stand anfangs nicht im Vordergrund:

"Ich habe gesucht, wenn ich mal in die Pension komm' oder wenn man mal ein bisschen mehr Zeit hat nach dem Berufsleben, a Region sich auszusuchen, wo, wo, wo es einem gefällt …"

Unternehmer

Aber bald hat er gemerkt, dass sich der Immobilienerwerb nah am Mittelmeer auch lohnen kann:

"Wir haben gesehen, dass es echt interessant ist, hier in Istrien zu investieren. Und zwar haben wir unser Investment von Österreich nach Istrien dann verlegt. Und haben wir jetzt ein weiteres Haus, das ist in den nächsten paar Monaten fertig wird und ein Drittes beginnen wir neu zu bauen, auch im gleichen Stil."

Unternehmer

Und selbstverständlich mit Meerblick und Pool. Kaum in Istrien heimisch, hat er für sich selbst noch einen schöneren Bauplatz gefunden, noch etwas abgeschiedener. Der Umzug ist für dieses Jahr geplant:

"Wir haben hier vorgesehen, dass wir unser Büro machen. Hier ist in Zukunft viel mehr Arbeit von hier unten aus, die Internetverbindung funktioniert…"

Unternehmer

Seine alte Ferienvilla hat er mit 100 Prozent Gewinn verkauft.

Niedriglohnkräfte gegen Personalnot?

Auch in die Altstädte investieren viele Ausländer, denn die Vermietung lohnt sich. Die Besteuerung von Privatvermietungen ist gering und bedarf dringend einer Reform, so die Überzeugung des istrischen Tourismusministeriums.

"Wenn Sie 10 Betten in einer Luxusvilla vermieten, dann zahlen Sie ungefähr nur 340 Euro im Jahr Steuern. Das ist die Tourismussteuer, wir nennen es eine jährliche Abgabe, die jeder pro Bett bezahlt. Aber der Preis für die Vermietung von so einer Luxusvilla pro Woche geht bis auf 4000 Euro rauf, 4000-5000 Euro die Woche. Wenn man das nun mit einberechnet, dann kommt man auf eine Summe von rund 60 000 Euro im Jahr, und das nur, wenn man die Villa in der Hochsaison vermietet - aber man könnte sie auch das ganze Jahr über vermieten und am Ende zahlt man dann nur 340 Euro Steuern für das ganze Jahr."

Nina Kukurin, Tourismusministerium Istrien

Das Lieblingscafé von Marijana in Rovinj. Hier proben heute einheimische Musiker. Marijana ist mit Ivan Ivetic verabredet, der eine Firma besitzt, die Ferien- und Apartmenthäuser verwaltet und daher einiges an Personal beschäftigt. Marijana braucht dringend eine neue Reinigungskraft. Kann er ihr weiterhelfen? Die Personalnot ist in allen Dienstleistungsbereichen groß. Saisonkräfte für den Tourismusbetrieb werden händeringend gesucht. Das hat auch mit der Abwanderung von lokalen Arbeitskräften etwa nach Deutschland zu tun, weil sie dort besser verdienen.

"Das eine Thema ist ja, eine Putzkraft zu finden, das andere ist, dass man aber auch einen Wohnraum für sie bereitstellen muss, und diesen Wohnraum habe ich im Moment nicht."

Marijana Lovrinic, Inhaberin Casa Amando

Woher kommt derzeit das Personal?

"Müssen wir jetzt schauen - entweder kommen sie aus den Nachbarländern, Serbien, Mazedonien oder sogar aus der Ukraine, falls sie schon so eine Art Greencard haben."

Marijana Lovrinic, Inhaberin Casa Amando

In dieser Touristenregion überhaupt noch Arbeitskräfte zu finden, wird auch für Agenturen wie die von Ivan von Jahr zu Jahr schwerer. Wie ist dieses Problem zu lösen?

"Ich weiß es einfach nicht, die anderen Kollegen fangen an, Niedriglohnkräfte von den Philippinen oder sogar aus Nepal anzuwerben, aber dann haben wir das Problem der Kommunikation. Oder es gibt andere Schwierigkeiten. Es ist ja gut, diese Mitarbeiter jetzt zu haben, aber ich frage mich, was kommt nach den Philippinos und den Nepalesen, holen wir dann die Mitarbeiter vom Mars?"

Ivan

Nachteil für Einheimische

Und weil immer mehr Wohnungen an Touristen vermietet werden, haben gerade Einheimische mit geringem Einkommen das Nachsehen. Marijana trifft sich mit Kristina Mofardin. Die Kroatin arbeitet als Reinigungskraft. Marijana hat sich mit ihr verabredet, weil sie sich erhofft, dass Kristina auch für sie arbeitet. Aber Kristina ist ausgebucht.

Kristina wiederum bittet Marijana, sich nach einer Wohnung umzuhören.

Seit Jahren sucht sie nach einem neuen Zuhause für sich, ihren Mann und die zwei Kinder. Bisher leben sie bei der Schwiegermutter in einer Zweizimmer-Wohnung. Sie möchte uns die kleine Wohnung aber nicht zeigen. Es ist ihr unangenehm.

"Ein Haus zu kriegen oder eine Wohnung, wäre super, aber wie, weiß ich nicht. 300 000 Euro habe ich nicht, auch nicht mit einem Kredit, deswegen bin ich schon verzweifelt ein bisschen."

Kristina Mofardin

Heute muss Kristina Mofardin noch ein Apartmenthaus für den Gästewechsel vorbereiten, geputzt hat sie bereits in der Früh. Um die 600 Euro verdient sie im Monat. Ihr Mann Marko arbeitet Vollzeit in einer Fabrik. Trotzdem reicht das gemeinsame Einkommen nicht, um eine eigene Wohnung zu mieten.

Auch die Euro-Einführung in Kroatien in diesem Jahr macht das Leben für die Familie teurer. Jede freie Minute widmet Kristina inzwischen der Wohnungssuche. Ihr großer Traum: für die beiden heranwachsenden Kinder ein eigenes Zimmer.

"Du liegst nicht zuhause und machst gar nichts, sondern du arbeitest und du verdienst das Geld. Aber es ist nie genug. Und das frustriert dich, dass du nichts für deine Familie machen kannst und etwas kaufen kannst. Die Stadt ist irgendwie gemacht nur für die Touristen, der Euro ist gekommen und alles, was in Kuna war, das ist jetzt in Euro, aber meine Bezahlung ist geblieben. Ein Brot kostet zwei oder drei Euro- nur ein Brot- und das ist schon heftig für uns."

Kristina Mofardin

Die Umstellung auf den Euro - für Patrick Kohl und seine Investorin Regina Hurm weniger ein Problem: Der Immobilienmakler hat auch in Rovinj ein Objekt: Das Stadthaus wurde komplett entkernt und auf die Bedürfnisse eines französischen Geschäftsmannes zugeschnitten.

Eine 1 A-Lage also mit Ausblick in einem Ort, wo auch Hollywoodstars schon anklopfen. 200 Quadratmeter Wohnfläche, verteilt auf vier Stockwerke, mit Edelstahltreppe und Partyraum. Ein Haus, in dem eine Großfamilie Platz finden könnte. Doch wer kann sich so etwas leisten?

"Sagen wir es so, es ist sicherlich ein langfristiges Investment."

Patrick Kohl, Immobilienmakler Engel & Völkers Istrien

Und was heißt das nun für den Preis?

"Auch hier möchte der Kunde den Preis nicht nennen."

Patrick Kohl, Immobilienmakler Engel & Völkers Istrien

Geringverdiener hingegen müssen sich oftmals mit Zeitverträgen abfinden.

"Wenn Sie eine Wohnung suchen hier in Rovinij, dann finden Sie eine Wohnung vom 1.10. - also, wenn die Saison aufhört, bis 1.04., wenn die Saison wieder anfängt, und dann können Sie raus, aber wohin, das ist doch immer das Problem."

Kristina Mofardin

Marijana Lovrinic hat Besuch bekommen von Milena Radosevic. Die Nachhaltigkeitsberaterin hat das EcoDomus Konzept für die istrische Regierung entwickelt, das Marijana mit ihrem Öko-Hotel umsetzt.

Ein weiterer Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit im Tourismus: ein Komposter, hier eher eine Seltenheit. Bei den Nachbarn musste Marijana erst um die Akzeptanz werben:

"Marijana hat die Stadtverwaltung kontaktiert, alle Nachbarn befragt, ob sie alle zustimmen, sie haben zugestimmt und darüber sind wir sehr glücklich, denn manchmal haben Leute Bedenken wegen Kompostern."

Milena Radosevic, Beraterin für nachhaltigen Tourismus

Die Stadt Rovinj vergibt diese Komposter umsonst. Mülltrennung ist in der Altstadt noch nicht Standard. Doch gerade der Massentourismus produziert immer mehr Müll. Bisher war in Kroatien die touristische Entwicklung vor allem auf Wachstum ausgerichtet, erst seit diesem Jahr soll der nachhaltige Tourismus gefördert werden. Die EU stellt für diese Kursänderung 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung.

Für Milena eine langersehnte Bestätigung dafür, dass sie mit ihrem Öko-Ansatz auf dem richtigen Weg ist:

"Die lokale Bevölkerung muss als Gemeinschaft funktionieren und nicht als touristischer Showroom im Sommer. Wir müssen das schützen, was wir haben. Wir brauchen für den Tourismus eine langfristige Perspektive und dürfen nicht in kürzester Zeit alles, was wir haben, zerstören."

Milena Radosevic, Beraterin für nachhaltigen Tourismus

Gefährdetes Naturerbe

Wir kehren noch einmal dorthin zurück, wo die längste Promenade am Mittelmeer gebaut wird. Hier steht auch ein kroatisches Naturerbe von Weltrang auf dem Spiel, wie Naturschützerin Silvia Buttginoni befürchtet: Unscheinbare Vertiefungen, doch sie stammen von Dinosauriern, sind bis zu 100 Millionen Jahre alt und sollten unter Beton verschwinden. Aber:

"Wir haben die lokalen Behörden dazu bewegt, eine Brücke über den Hang mit den Dinosaurierspuren zu bauen. Das ist ein kleiner Erfolg, aber sehr bedeutsam für uns - denn am Ende des Tages können sie nicht einfach machen, was sie wollen."

Silvia Buttignoni, Geschäftsführerin Natura Histrica

Erst vereinzelt wird in Istrien der dringende Handlungsbedarf erkannt. Müsste die Regierung nicht viel stärker durchgreifen, damit Kroatien und seine Einwohner vor einem weiteren Ausverkauf geschützt werden? Auch diese beiden Frauen wollen dazu beitragen, dass das Natur- und das Kulturerbe bewahrt werden.

"Ich denke, es ist uns gelungen, mit gutem Beispiel voranzugehen und zu zeigen, dass Tourismus auch anders funktionieren kann, nachhaltiger, im Einklang mit der Natur und mit den Einheimischen, die in dieser Region leben."

Milena Radosevic, Beraterin für nachhaltigen Tourismus

Die beiden Frauen hängen an ihrer Heimat und kämpfen für einen Bewusstseinswandel - in der Politik und in der Gesellschaft. Kroatien braucht den Tourismus als wichtige Einnahmequelle. Doch kann es so wie bisher weitergehen? Es steht viel auf dem Spiel. In einem Land mit einer immer noch traumhaften Küste. Damit es nicht irgendwann zu spät ist - und das Land unwiederbringlich seine Identität verliert.

Manuskript des report-Films zum Druck

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Hecker, Donnerstag, 17.August 2023, 21:26 Uhr

6. Kommentar von Lothar Knebel

Eine dümmere Argumentation ist wohl nicht eingefallen?

"Da in Deutschland ja scheinbar alles in Ordnung ist, kümmert sich Report nun ums Ausland?"

Herr Knebel, kann es vielleicht daran liegen, dass dieses Thema andere Zuseher interessiert? Wenn Sie doch so schnell am "reformieren" sind, weshalb bleiben Sie nicht auf Ihren Telegramm-Kanälen, wo Sie sicher unter ihresgleichen sein können.
Verzeihung, aber könnten man Zuschauer wie Sie auch reformieren?

Eine pure Meinhngsäußerung kommt ohne Drohgebärden aus, auch wenn sie subtil lesbar sind.

Antworten

Hartmut, Sonntag, 13.August 2023, 16:32 Uhr

5. Vermietungen aller Art

Als ich vor einiger Zeit in einem großen Portal eine/n Dauermieter/in für meine voll möblierte 48 qm Wohnung in Zentral-Istrien suchte und dafür EUR 800,-- (inkl. Wasser und Strom!) monatlich begehrte, wurde ich fast gesteinigt! Mittlerweile weiß ich, der Mietzins war etwas zu hoch (aber nur etwas).
Was allerdings andere treiben läßt mich erschaudern; von der Steuer-Politik der kroatischen Regierung wollen wir erst gar nicht reden. Diese ist ein Witz! Besonders die Eigentümer der Villen und diverse Investoren sollten sich da mal an die eigene Nase fassen! Das Ganze gehört staatlich reguliert, zumindestens sanft gesteuert. Betrifft auch Gastronomen und Konsorten. Man kann es auch übertreiben mit dem Geld-Verdienen. ENDE der Durchsage.

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Tobias, Mittwoch, 09.August 2023, 11:16 Uhr

4. Massentourismus

Was so unglaublich traurig macht ist die Tatsache, dass es nur noch Touristen aber keine Reisenden mehr gibt.
An das ehemalige Jugoslawien und heutige Kroatien habe ich die schönsten Kindheitserinnerungen und fahre auch seit Jahren, mit Unterbrechungen, immer wieder dort hin.
Kroatien war eines der wenigen, oder das Land im Süden, was kaum Corona Restriktionen hatte und somit für viele Menschen als Wegfahrziel hochinteressant war. Daher haben vielleicht viele Menschen, die das Land einen Monat zuvor nicht einmal mit dem Finger auf der Landkarte gefunden haben, dank ihres Navis gemerkt, wie einfach es ist dort hin zu gelangen.
Sorry, die unglaublich Natur, die uralten Städte, die vielseitige Kultur und all so vieles mehr ist es bestimmt nicht was diese Leute dort hinlockt. Daher liebe Kroaten bitte keinen Ausverkauf betreiben, Euren Leuten Wohnraum in ihrer angestammten Heimat geben und die Preise für Pauschaltouristen so anheben das diese zukünftig einfach wegbleiben. Bitte :-(

Antworten

Lothar Knebel , Mittwoch, 09.August 2023, 08:51 Uhr

3. Massentourismus Kroatien/Istrien

Da in Deutschland ja scheinbar alles in Ordnung ist, kümmert sich Report nun ums Ausland???

Sonst fällt Ihnen wohl nichts mehr ein???
Es wird höchste Zeit, dass der "öffentliche Rundfunk" reformiert wird.

  • Antwort von reprt München, Mittwoch, 09.August, 09:17 Uhr

    Schauen Sie einfach in unser Archiv! Dann werden Sie sehen, dass wir viele brisante Themen aufgreifen. Dabei wird es auch bleiben. Versprochen.
    Mit freundlichen Grüßen
    report München Redaktion

  • Antwort von elisabetta, Mittwoch, 09.August, 09:54 Uhr

    Außerdem wurde Istrien ans Mittelmeer verlegt - es ist die Adria wo sich Istrien befindet - oder habe ich etwas verpasst?

  • Antwort von report München, Mittwoch, 09.August, 10:09 Uhr

    Beides ist korrekt: Die Adria ist Teil des Mittelmeeres.
    Mit freundlichen Grüßen
    report München Redaktion

Antworten

Dieter K., Dienstag, 08.August 2023, 23:35 Uhr

2. Sehr informativ

Weiter so. Danke.

Antworten