Report München


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Keine Energiewende ohne China Deutschlands gefährliche Abhängigkeit

Jahrelang versagte die deutsche Politik, grüne Technologien zu fördern. Stattdessen werden immer mehr Solarpanele in China produziert. Auch der Ausbau von Windkraftanlagen ist an Rohstoffe geknüpft, die Deutschland vor allem aus China bezieht.

Von: Nadja Armbrust

Stand: 20.02.2024

Berlin. Wo genau, dürfen wir aus Sicherheitsgründen nicht sagen. Zu teuer ist das, was hinter dieser Tür lagert.

"Wir brauchen immer zwei Leute, um diese Tür überhaupt zu öffnen. Das muss parallel zur gleichen Zeit eingegeben werden."

Andreas Kroll, Geschäftsführer Noble Elements

Andreas Kroll handelt mit sogenannten kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden.

"Das sind etwa derzeit 25 Millionen Euro. Und wir haben versicherungstechnisch Luft bis 100 Millionen Euro. Also wir haben noch ein bisschen Zuwachsmöglichkeit."

Andreas Kroll, Geschäftsführer Noble Elements

Teuer - und wichtig für Deutschland. Denn viele dieser Rohstoffe braucht es für die Energiewende. Für Windkraft- und Solaranlagen. Doch fast alles davon kommt aus China.

"Wenn man so abhängig ist von nur einem einzigen Zulieferer in einem so wichtigen Segment, dann ist das schon, ja schon ungünstig."

Andreas Kroll, Geschäftsführer Noble Elements

Nur ungünstig? Schaffen wir die Energiewende ohne China?

China dominiert den Markt

Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt. Hier produziert eine Schweizer Firma Solarzellen. Bis zu einer Million pro Tag. Der womöglich letzte Massenproduzent in Europa. Denn China dominiert den Markt. Und jetzt steht für den Geschäftsführer, Gunter Erfurt, alles auf dem Spiel.

"Die deutsche Politik und dort die Industriepolitik haben absolut unterschätzt die Bedeutung der Solarindustrie für die nächsten Jahrzehnte, Jahrhunderte. Und die Chinesen haben das erkannt. Hier geht es wirklich um eine ganze Branche und hier geht es grade ums große Ganze, für diese Industrie!"

Gunter Erfurt, Geschäftsführer Meyer Burger Technology

Dabei hat Deutschland die Photovoltaik einst mitentwickelt, war ganz vorne mit dabei. Es herrschte Goldgräber-Stimmung. Zentrum der deutschen Solarindustrie: das Solar Valley in Bitterfeld-Wolfen. Dann kürzt der damalige Umweltminister Norbert Röttgen, CDU, die Förderung: (Tagesschau: 26.07.2012) "Die Regierung will die Solarförderung nun schnell und drastisch kürzen. Nach langem Streit einigten sich Umweltminister Röttgen und Wirtschaftsminister Rößler auf eine gemeinsame Position."

Im Solar Valley in Bitterfeld-Wolfen wird es still. Gunter Erfurt hat den Untergang der deutschen Solarindustrie miterlebt, wechselte zur Schweizer Firma Meyer Burger. Dann die Entscheidung: neuer Versuch, wieder Produktion in Deutschland.

"Damals sind Hoffnungen gestorben, gerade auch in Ostdeutschland. Und wir konnten die Menschen überzeugen: Wir probieren das wieder. Wir schaffen das diesmal."

Gunter Erfurt, Geschäftsführer Meyer Burger Technology

Die Firma stellt Personal von damals wieder ein. Das Ziel: aufholen zu den chinesischen Herstellern. Wie weit die allerdings inzwischen vorne liegen, wird bald klar: Z.B. bei diesen dünnen Siliziumscheiben, sogenannte Wafer. Das Basiselement für Solarzellen. Sie kommen fast alle aus China.

Und nicht nur die. Nicht sichtbar, in Solarmodulen und auch in Windrädern stecken viele verschiedene, stark nachgefragte Rohstoffe. Darunter, in vielen Solarzellen: Gallium. Zu 98 % produziert in China. Oder Neodym, verbaut in Windrädern. Auch zum Großteil aus China. Gibt es nahezu kein Windrad ohne Rohstoffe aus China?

"So können Sie das sagen. Und das geht sowohl bei Windkraft als auch bei Photovoltaik ja immer weiter. Letztlich fängt es mit der Rohstoffabhängigkeit an, dann wandern Schritt für Schritt die gesamten Wertschöpfungsketten nach China, bis wir am Ende nur noch das finale Produkt kaufen dürfen."

Jens Gutzmer, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnolgie

München, Sicherheitskonferenz. Hier sprechen Spitzenpolitiker über Krieg und Frieden - aber auch über Rohstoffe. Der Europaabgeordnete Reinhardt Bütikofer hält die Abhängigkeit von China für ein großes Risiko.

"Wenn man damit rechnen muss, dass der Partner, von dem man abhängig ist, im Zweifel bereit ist, das zu nutzen, um eine politische Erpressung zu realisieren, dann haben wir ein Problem. Und dieses Problem haben wir mit China. Weil China das schon demonstriert hat."

Reinhard Bütikofer, Bündnis90/Die Grünen. Abgeordneter EU-Parlament

Droht ein Exportstopp?

2010. China stoppt plötzlich die Lieferung wichtiger Rohstoffe nach Japan. Die Preise steigen rasant. Als Reaktion suchen Unternehmen weltweit selbst nach diesen Rohstoffen.

"Als das klar war, hat China die Preise wieder sinken lassen. Und zwar so weit, dass diese Erkundungsunternehmen kein Geld mehr gefunden haben, um weiterzuarbeiten. Betriebswirtschaftlich gesehen hat es sich kurzfristig nicht mehr gelohnt."

Jens Gutzmer, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnolgie

Müsste man sagen: Das ist strategisch naiv?

"Absolut."

Jens Gutzmer, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnolgie

Könnte China wieder einen Exportstopp verhängen? Unternehmer Andreas Kroll hält dies für möglich.

"Wenn man sich die geopolitischen Risiken anschaut und wo es sich verschärft, dann ist es ganz klar: Wir bereiten uns vor und dieses Lager ist so eine Vorbereitung."

Andreas Kroll, Geschäftsführer Noble Elements

Aus der Sicht von Gunter Erfurt muss die Politik jetzt handeln. Denn die chinesische Regierung unterstützt die eigene Solarindustrie. So stark, dass europäische Firmen nicht mithalten können. Der Unternehmer fordert ein neues Gesetz: Kunden sollen mehr Geld für ihren eingespeisten Strom bekommen, wenn sie Solarpanele aus Europa kaufen. Ansonsten droht die Schließung eines Solarmodul-Werks.

"Nicht, weil wir irgendjemand drohen, sondern weil einfach dieser dieses Geschäft in Europa keine Fortführung hat. Wir würden dann die gesamte Menge in die USA verschiffen für den Hochlauf des dortigen Modulwerks."

Gunter Erfurt, Geschäftsführer Meyer Burger Technology

Chinesische Windkraftanlagen zu Niedrigpreisen

Droht der europäischen Windkraftindustrie das gleiche Schicksal? In Brüssel beim Branchenverband "WindEurope" beobachtet Giles Dickson, wie chinesische Firmen Windkraftanlagen zu extrem günstigen Konditionen nach Europa verkaufen.

"Die Chinesen kommen mit niedrigen Preisen und wirklich großzügigen Finanzierungsmodellen: Man muss die Turbinen drei Jahre lang nicht bezahlen! Wir glauben, dass das nur mit unfairen öffentlichen Subventionen möglich ist."

Giles Dickson, Geschäftsführer WindEurope

Das chinesische Außenministerium beantwortet unsere schriftliche Anfrage nicht. Wir versuchen den Außenminister auf der Sicherheitskonferenz zu interviewen.

Ein chinesischer Journalist erklärt uns, was für China wichtig ist:

"Die oberste Priorität für China ist China. Wir haben eine große Bevölkerung. Wenn es uns gut geht, wenn wir unsere eigenen Angelegenheiten gut regeln, dann ist das gut für China. Ich denke, es ist gut für die Welt."

Xu Qinduo, Moderator China Global Television Network

In Berlin und in Brüssel wurde die Abhängigkeit von China lange in Kauf genommen. Das soll sich jetzt ändern.

"Wir, insbesondere in Europa, haben lange betriebswirtschaftlich diesen Aspekt nur betrachtet, haben gesagt, es ist billiger, dort zu produzieren. Wir haben nicht verstanden, dass wir uns langfristig über Dekaden, in diese einseitige Abhängigkeit begeben."

Jens Gutzmer, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnolgie

Solange diese Abhängigkeit besteht, gilt: keine Energiewende ohne China.

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