Telekolleg - Deutsch


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Folge 05 Nachricht, Reportage und Feature

Nicht jede Information ist auch eine Nachricht. Nur wenn Informationen interessant, wichtig und/oder ungewöhnlich sind, haben sie den nötigen "Nachrichtenwert". Wie unterscheiden sich aber die unterschiedlichen Darstellungsformen?

Stand: 10.06.2012 | Archiv

Frau hält Ipad, Hintergrund unscharf Bahnsteig | Bild: picture-alliance/dpa

1. Nachrichten

Die meisten Nachrichten aus Kultur, Politik und Sport sind gleich aufgebaut: Warum das so ist, erläutert Dr. Walter Hömberg, Professor für Journalistik an der Universität Eichstätt.

"Die Nachricht ist eine standardisierte Darstellungsform, die immer nach einem bestimmten Muster abläuft. Am Anfang kommt stets das Wichtigste, am Ende dann die Einzelheiten. So können die Redakteure dann von hinten her alles wegkürzen und das Wichtigste am Anfang stehen lassen. Der Aufbau gleicht dem einer umgekehrten Pyramide."

Der Journalistikprofessor analysiert diesen Aufbau und die sieben Ws, die in einer Nachricht beantwortet werden sollten, an einem Beispiel:

Bei einem Lawinenunglück auf der Zugspitze heute Nachmittag kam eine 57-jährige Skifahrerin aus Greinau ums Leben. Zwei ebenfalls verschüttete Männer konnten sich selbst aus den Schneemassen befreien. Wahrscheinlich hatten die Tourengeher die Lawine abseits der gesicherten Piste selbst losgetreten.

Hier fehlt die Angabe der Informationsquelle, das woher, aber die anderen Ws sind beantwortet:

1. Wie? Bei einem Lawinenunglück.
2. Wo? Auf der Zugspitze.
3. Wann? Heute Nachmittag.
4. Was? Kam ums Leben.
5. Wer? Eine 57-jährige Skifahrerin.
6. Warum? Die Lawine selbst losgetreten.

Das Beispiel zeigt: 1. nicht alle sieben Ws müssen stets zwingend beantwortet werden; 2. die Reihenfolge, in der die W-Fragen beantwortet werden, kann wechseln.

2. Reportage – ein Abbild des Lebens

Auch eine Reportage kommt nicht ohne Fakten und Hintergründe aus. Aber sie geht noch einen Schritt weiter als die Nachricht: Sie lässt die Beteiligten zu Wort kommen. Sie zeichnet ein persönliches Stimmungsbild. Wie zum Beispiel die preisgekrönten Reportagen von Franz Xaver Gernstl "Gernstl unterwegs".

Gernstl ist am Bodensee unterwegs: In Lindau überrascht er mit seinem unangekündigten Besuch einen alteingesessenen Schlosser in einer urigen Werkstatt und holt Erstaunliches aus dem Mann heraus. Dasselbe gelingt ihm bei einem einsamen Kleinbauern und einem Schlittenhundzüchter auf dem Land: So zurückgezogen sie leben: Gernstl gelingt es, dass sie sich ihm öffnen und bereitwillig von sich erzählen. Und genau darum geht es Franz Xaver Gernstl und seinem Team bei den Reportagen:

"Was wir versuchen, ist eigentlich, Lebenskonzepte zu finden. D.h., wir fahren in der Gegend herum und befragen Menschen. In Wahrheit interessiert mich dabei nicht, wie sie was machen, z.B. wie man Schlittenhunde züchtet. Mich interessiert vielmehr, wie diese Menschen die Welt sehen, wie sie mit ihrem Leben zurechtkommen, mit anderen Menschen umgehen und ihr Leben gestalten. Das ist eigentlich der Sinn unseres Tuns, Menschen zu finden, die uns die Welt erklären", erläutert Franz Xaver Gernstl in der Telekolleg Sendung. Auch sein "Geheimnis", wie er es schafft, so nahe an die Menschen heranzukommen, verrät uns der erfahrene Reporter:

"Also das Geheimnis ist wohl, dass ich nicht mit einer Idee auf die Straße gehe und mir Leute suche, die mir etwas zu dieser Idee erzählen. Sondern ich gehe einfach raus und sehe, was los ist. Auch zu einem Interview gehe ich relativ unvorbereitet. Ich gehe einfach hin und versuche ein Gespräch mit den Menschen zu führen, und wenn es dann in eine ganz andere Richtung geht, dann ist es mir auch egal. Der Vorteil meiner Aufgabe ist: Mir wird kein Thema vorgegeben. Ich kann einfach drehen, was mir Spaß macht."

Freilich haben nicht alle Reporter so viele Möglichkeiten und Freiheiten. Oft werden die Themen vorgegeben. Wie man dann an eine Reportage herangeht, erklärt Professor Hömberg:

"Der Reporter berichtet vom Schauplatz des Geschehens aus und schildert seine Eindrücke vor Ort. Er ist Augen-, Ohren- und Nasenzeuge zugleich."

Beim Verfassen der Reportage ist zudem ein steter Perspektivenwechsel wichtig: Das Umschwenken von Vergangenheit zu Gegenwart, von Nah- zu Fernaufnahme, von einem Beteiligten zu einem anderen. Das belebt die Reportage und gibt dem Stimmungsbild die nötige Farbe.

3. Feature – wie Abstraktes konkret wird

Auch beim Feature stehen Menschen im Mittelpunkt und kommen zu Wort. Was also unterscheidet das Feature von der Reportage? Das Feature macht Abstraktes – eine Idee, einen Gedanken, eine Erkenntnis – konkret. "Beim Feature gehe ich mit einer Idee raus und suche Leute, die mir was dazu erzählen. Bei der Reportage gehe ich raus und schau, was erzählen die Leute denn", lautet die griffige Antwort von Franz Xaver Gernstl.

Dem Reporter, der die Menschen allein deshalb so trefflich zu öffnen vermag, weil er ihnen völlig offen und ohne fixes Konzept begegnet, liegt diese journalistische Form nicht sonderlich. Das Feature sei ihm "eher langweilig", bekennt Gernstl.

Andererseits hat das Feature weit mehr technische Möglichkeiten zur Verfügung als die Reportage und ist daher geeignet, viele Themen attraktiv, abwechslungsreich und lebendig darzustellen: Den Feature-Autor/innen stehen zahlreiche Gestaltungsmittel zur Verfügung: Sie können Gedanken, Beobachtungen, Interpretationen und die Atmosphäre zusätzlich im Off-Text festhalten, und sie können neben den O-Tönen verschiedene Sprecher und Geräusche einsetzen.


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