Telekolleg - Deutsch


5

Mediengeschichte Übung

Stand: 19.02.2012 | Archiv

Machen Sie mit!

Frage

Sie haben in der ersten Folge erfahren, dass die Berichterstattung in der DDR selbst 1989 noch linientreu war: In allen DDR Medien wurden die Protestbewegungen im Lande entweder verschwiegen oder es wurde nur ideologisch verzerrt über sie berichtet. Auch wenn ihnen niemand mehr glaubte: Die Journalisten zementierten nach wie vor das Meinungsmonopol der SED.

Indes, die "Schere im Kopf", diese so erzwungene wie freiwillige Selbstzensur, machte während des DDR-Regimes nicht nur die Journalisten zu Opfern und Tätern zugleich. Welcher ostdeutschen Schriftstellerin, die auch im Westen berühmt war und ist, wurde nach der Wende vorgeworfen, ihrer "Schere im Kopf" zu sehr nachgegeben zu haben? Ein Tipp: Besagte Schriftstellerin hat sich bei der Kundgebung am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz entschieden von den "Wendehälsen" distanziert.

Antwort

Es handelt sich um die 1929 in Landsberg an der Warthe geborene Schriftstellerin Christa Wolf. Sie starb am 1. Dezember 2011 in Berlin. Ihre Werke Nachdenken über Christa T. (1968), Kindheitsmuster (1976), Kassandra (1983) und kein Ort, Nirgends (1979) machten sie im Westen zur angesehensten Vertreterin der DDR-Literatur. Am 4.11.1989 bekannte sie öffentlich:

"Mit dem Wort Wende habe ich meine Schwierigkeiten. Ich sehe da ein Segelboot, der Kapitän ruft: ‚Klar zur Wende!’, weil der Wind sich gedreht hat und die Mannschaft duckt sich, wenn der Segelbaum über das Boot fegt."

Christa Wolf setzte auf eine Revolutionen von unten, und in diesem Sinne ermahnt sie die Zuhörer auf dem Alexanderplatz, den Ruf "Wir sind das Volk" nicht zu vergessen. Dies Vergessen hat nach Meinung vieler Mitglieder der damaligen Bürgerbewegung um sich gegriffen, als aus dem Ruf "Wir sind das Volk" der Ruf nach der deutschen Einheit wurde: "Wir sind ein Volk."

Als hätte Wolf diese Entwicklung geahnt, warnte sie schon 1989 vor den

"Wendigen, im Volksmund ‚Wendehälse’ genannt, die laut Lexikon sich ‚rasch und leicht einer gegebenen Situation anpassen, sich in ihr geschickt bewegen, sie zu nutzen verstehen.’Sie am meisten blockieren die Glaubwürdigkeit der neuen Politik."

Christa Wolf gehörte von 1949-89 der SED und von 1963-1967 dem Zentralkomitee der SED an. Ihre Erzählung Was bleibt (1990), die mit autobiographischen Zügen ihre Überwachung durch die Stasi schildert, führte zu einer heftigen Diskussion über die Mitschuld der Intellektuellen in der DDR. 1993 bekennt sie in einem Interview, dass sie selbst zwischen 1959 und 1962 "informelle Mitarbeiterin" der Stasi war. Damit wird der schon länger gegen sie gehegte Vorwurf virulent, sie schreibe zu sehr mit der Schere im Kopf.


5