Telekolleg - Deutsch


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Übung Szenenanalyse: Faust, Studierzimmer

Um ein Stück besser zu verstehen, sollte man sich in seinen Text auch vertiefen. Das bedeutet auch, dass man sich Notizen macht und wichtige Textstellen markiert. An einer Szene aus "Faust" kannst du das selbst ausprobieren.

Stand: 31.03.2015 | Archiv

Textarbeit: Intensiv lesen und anstreichen | Bild: colourbox.com

Hier ein Beispiel und die Möglichkeit für dich, das Ganze auszutesten: Ein Ausschnitt aus der Szene "Studierzimmer" (Vers 1.635-1.769) aus Johann Wolfgang von Goethes Drama "Faust. Der Tragödie erster Teil" (1808).

Lies dir den Text durch und überleg dir, welche Textstellen wichtig sein könnten. Du kannst dir dazu auch Kommentare überlegen und notieren. Faust und Mephistopheles sind im Studierzimmer und sprechen miteinander:

Analysieren einer Szene aus "Faust I."

Szene Studierzimmer (Ausschnitt)

Faust und Mephisto unterhalten sich

Mephistopheles:
Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist's nicht gemeint
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle,
Und mach ich dir's recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
Faust:
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
Mephistopheles:
Dazu hast du noch eine lange Frist.
Faust:
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
Mephistopheles:
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wiederfinden,
So sollst du mir das gleiche tun.
Faust:
Das Drüben kann mich wenig kümmern;
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
Die andre mag danach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig haßt und liebt,
Und ob es auch in jenen Sphären
Ein Oben oder Unten gibt.

Kommentare stehen in Klammer / kursiv und fett markiert (Falls möglich, kannst du auch mit unterschiedlichen Farben arbeiten.).

Mephistopheles: (Antagonist)
Hör auf, mit deinem Gram (Mephisto urteilt über Fausts emotionalen Zustand gleich zu Beginn) zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist's nicht gemeint
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
(Mephisto bietet sich Faust an, erklärt ihm den Pakt)
Ich bin dein Geselle,
Und mach ich dir's recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
Faust: (Protagonist)
Und was soll ich dagegen dir erfüllen? (Faust ahnt, dass Mephisto ihm nichts umsonst geben wird.)
Mephistopheles:
Dazu hast du noch eine lange Frist. (Mephisto versucht Faust zu beruhigen, die Angst vor der Vergänglichkeit zu nehmen, er beruhigt und wiegelt ab.)
Faust:
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist (Zweifaches "Nein" betont Fausts Entschiedenheit, gleichzeitig weiß er, dass der Teufel nichts für andere / ihn tut.)
Und tut nicht leicht um Gottes willen, (was bedeutet das hier? Seltsame Formulierung)
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus. (Faust ist sich der Gefahr = Mephisto offensichtlich bewusst und er weiß, dass Mephisto ihm nur gegen eine Gegenleistung zu Diensten ist.)
Mephistopheles:
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden, (Im irdischen Bereich / im Diesseits steht Mephisto Faust zur Verfügung) 
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wiederfinden, (Im Jenseits muss Faust Mephisto zur Verfügung stehen)
So sollst du mir das gleiche tun.
Faust:
Das Drüben kann mich wenig kümmern; (Das Drüben = Jenseits ist für Faust  in seinem auf das Diesseits gerichteten Erfahrungshunger ohne Bedeutung.)
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden, (Faust geht es um Sinnenlust und zwar jetzt.)
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden; (Doch derzeit ist Fausts Leben für ihn nur schwer.)
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören, (Bewusste Entscheidung Fausts, sich ganz dem Diesseits zu verschreiben und die zweite Seite seiner Seele zu ignorieren. )
Ob man auch künftig haßt und liebt,
Und ob es auch in jenen Sphären
Ein Oben oder Unten gibt
. (Fausts Sprache ist sehr emotional und durch starke Gegensätze (Polarität) geprägt.)

2. Möglichkeit: Fortsetzung der Szene:

Mephistopheles:
In diesem Sinne kannst du's wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
Faust:
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!
Mephistopheles:
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.
Faust:
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen –
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
Mephistopheles:
Topp!
Faust:
Und Schlag auf Schlag!
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit für mich vorbei!
Mephistopheles:
Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen.
Faust:
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
Mephistopheles:
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
Als Diener meine Pflicht erfüllen.
Nur eins! – Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.
Faust:
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Ist's nicht genug, daß mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
...

... mit Markierungen und Anmerkungen

Mephistopheles:
In diesem Sinne kannst du's wagen. (Mephisto provoziert Faust immer wieder, appelliert an seinen Mut.)
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn, (gemeint sind die Schwarzen Künste)
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn. (Mephisto verspricht eine besondere Prämie)
Faust:
Was willst du armer Teufel geben? (Faust verspottet Mephisto)
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben, (Anspielung 1. auf "Zwei Seelen ach in meiner Brust, die .. eine ..." 2. Anspielung auf das Wort des Herrn im Prolog "Ist sich ....")
Von deinesgleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust, (Faust will die engen Grenzen menschlich-irdischer Existenz überwinden.)
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen! (Faust will Wunder)
Mephistopheles:
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen. (Mephisto verspricht Wunder)
Faust:
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
(Faust glaubt nicht, dass er je völlig dem Genuss und dem Irdischen verfallen wird. Deshalb ist er zu seiner kühnen Wette mit dem Teufel bereit. Er will von Mephisto bekommen und genießen, was er bekommen kann, aber er glaubt, dass er niemals dem Genuss erliegen wird, d.h. "auf dem Faulbett liegen".)
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen(Faust weiß schon hier, dass Genuss Selbstbetrug ist. Aber er ist den einen Weg,  den des Wissenschaftlers, bis ins Extrem gegangen, nun will er den anderen im Extrem auskosten.)
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich! (Faust bietet eine Wette – keinen Pakt.)
Mephistopheles:
Topp!
Faust:
Und Schlag auf Schlag!
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
(Diese Sätze sind der Kern der Wette bzw. des Paktes. Faust glaubt an die Unbegrenztheit seines Strebens und Tatendrangs (Am Anfang war die Tat ...). Er ist sich sicher, dass Sinnengenuss ihn nicht dazu bringen wird, seinen Tatendrang und sein Erkenntnisstreben aufzugeben. Er weiß: Ich werde von Augenblick zu Augenblick weiterschreiten, nicht verweilen und nicht verweilen wollen.)
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit für mich vorbei!
Mephistopheles:
Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen. (Mephisto macht Faust darauf aufmerksam, dass dieser Pakt nicht zurückzunehmen ist.)
Faust:
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ob dein, was frag ich, oder wessen. (Hier klingt erneut eine Passage aus dem Prolog an. Faust weiß natürlich nicht, was der Herr zu Mephisto gesagt hat. Aber er benutzt dieselbe Bezeichnung wie der Herr: "Faust" ... "Meinen Knecht".)
Mephistopheles:
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus, (Ironie. Mephisto nimmt Faust nicht wirklich ernst und sieht sich als überlegen.)
Als Diener meine Pflicht erfüllen. (Er sichert zu, Fausts Diener zu sein, weil er zu wissen glaubt, dass Faust, genauer dessen Seele, ihm dann im  Jenseits gehören wird.)
Nur eins! – Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir ein paar Zeilen aus.
Faust:
Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Ist's nicht genug, daß mein gesprochnes Wort (Mündlichkeit zählt paradoxerweise für Mephisto nicht. Der Pakt mit dem Teufel muss schriftlich sein. Faust wundert sich zurecht.)
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
....


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