Damon Albarn (Blur) bei einem Konzert im Juni dieses Jahres
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Damon Albarn (Blur) bei einem Konzert im Juni dieses Jahres

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Neues Album "The Ballad of Darren": Blur im Melancholie-Modus

Die neben Oasis und Pulp wichtigste britische Band der 90er Jahre ruht sich nicht auf ihren alten Hits aus. Blur bleiben kreativ – blicken dabei aber auch gedankenvoll zurück.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Glorreiches Wiedersehen sprüht vor Energie und wilder Freude" – das schrieb die britische Tageszeitung "The Guardian" über die zwei Blur-Konzerte im Londoner Wembley-Stadion Anfang Juli. Diese Shows waren Blurs erste Auftritte in ihrer Heimatstadt seit acht Jahren, und genauso lange ist es her, dass die Band um Sänger Damon Albarn ein neues Album veröffentlicht hat.

Ihr letztes Album "The Magic Whip" erschien 2015 und wurde von der Fachpresse als gelungenes Comeback gefeiert. Damals schrieb der Guardian über Blur als eine Band, die "voller Ideen und Potenzial" sei. Und dass die Gruppe "noch viel gemeinsam erreichen" könne, "wenn sie möchten".

Die Melancholie gibt den Ton an

Sie möchten. Die Tatsache, dass "The Ballad of Darren" überhaupt existiert, aber auch die Musik selbst zeugen von einer neu gewonnenen Perspektive auf und Dankbarkeit für das gemeinsame Schaffen.

Das heißt nicht, dass Blur auf "The Ballad of Darren" wieder klingen wie die ungestümen Studentenjungs, die sie Anfang der 90er waren, oder wie die trotzigen Rockstars, zu denen sie im Laufe des Jahrzehnts wurden. Eher im Gegenteil: die neuen Songs sind von einer Grundmelancholie durchzogen, die zwar schon immer bei Blur vorhanden war, aber selten so sehr in den Vordergrund gestellt wurde.

Referenzen an Leonard Cohen und die Beach Boys

Der tolle Opener "The Ballad" gibt mit seinen Drummachine-Tupfern und Klavierakkorden die langsame und bedächtige Gangart vor, und erinnert dank der vielschichtigen Chöre und Streicher vage an die Beach Boys. In eine ähnliche Kerbe schlagen das etwas arg schleppende "Russian Strings", in dem Albarn klingt wie ein gejetlagter Vielflieger, und das schöne, von einer gezupften Akustikgitarre vor sich her gewehte "The Everglades", das Leonard Cohen gewidmet ist.

Die zweite Single "St. Charles Square" stolpert auf dem Weg ins Pub zwischen Glamrock und Paranoia hin und her, und hat vielleicht noch am ehesten einen "Old School"-Vibe. Für die frühen Stunden der nächsten Indie-Party könnte sich der Song "Barbaric" eignen. Graham Coxon schüttelt dort ein lupenreines Schunkel-Gitarrenriff aus dem Ärmel und Schlagzeuger Dave Rowntree zieht das Tempo an. Aber auch hier dringt die Schwermut durch: "Wir haben das Gefühl verloren, von dem wir dachten, wir würden es immer haben", singt Damon Albarn, "es ist barbarisch".

Damon Albarn croont wie Alex Turner

Apropos Damon Albarn: Der sagte in einem Interview kürzlich, dass er die Arctic Monkeys für die "letzte großartige Gitarrenband" halte. Interessanterweise haben sich die Arctic Monkeys mittlerweile als Anzug tragende Lounge-Mucker neu erfunden, deren Sänger Alex Turner nicht unbedingt schmeichelhaft der "Sheffield Elvis" genannt wurde. Tatsächlich erinnert Damon Albarns Gesang auf "The Ballad of Darren" etwas an den von Alex Turner: irgendwo zwischen lässig und müde, zwischen Ironie und Zweifel, Tendenz jeweils zu Letzterem.

"Kommst du zu uns zurück?", fragt Albarn an einer Stelle, anderswo singt er davon, dass uns die Zeit davonrennt, und dass er Fehler gemacht hat: "I fucked up." Und obwohl man nicht genau weiß, worauf oder auf wen er sich bezieht, fühlt man mit. Sich zu wünschen, Dinge anders gemacht zu haben, und Angst davor zu haben, wie sich Dinge entwickeln, sind vielleicht die menschlichsten aller Gefühle, und Blur verpacken sie auch auf "The Ballad of Darren" einmal mehr in liebevoll komponierte, und trotz ihrer Schwermütigkeit irgendwie auch hymnenhafte Songs.

In "Far Away Island" muss Albarn noch eine Frage loswerden: "Are there new tunes to play?" Gibt es neue Melodien, die man spielen kann? Die Antwort lautet zur Freude aller Blur-Fans: ja.

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